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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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übertrifft an Liebenswürdigkeit bei Weitem, was Hugo, Dumas und Andere in
dieser Branche versucht haben.

I.e Liel et 1'ont'or, Eine junge Dame, Donna Urraca, steht im Verhält¬
niß mit einem Offizier der Garnison. Er ist Freigeist, sie gläubige Katholikin,
die sich über seine gelegentliche Blasphemien sehr liebenswürdig skandalisirt. Ein
Beichtvater, der übrigens, abgesehen von den üblen Eigenschaften, die von einem
spanischen Beichtvater nicht zu trennen sind, eine erträgliche Bonhommie zeigt,
und dessen Beziehung zu den Liqueureu des schönen Beichtkindes der Dichter mit
viel Humor charakterisirt, trennt das Verhältniß, indem er ihre Eifersucht rege
macht; sie ist so erbittert, daß sie ihren Liebhaber als Verfasser eines Pasquills
angibt, und ihn dadurch in die Kerker der Inquisition bringt. Dort besucht sie
ihn, um sich an seinem Fall zu weiden, erfährt, daß sie von dem Beichtvater be¬
trogen ist, und erdolcht diesen mit der größten Kaltblütigkeit. Ihrem Geliebten,
der dadurch befreit wird, ist die Sache denn doch zu stark, und er wagt einige
schüchterne Bemerkungen, aber sie erwiedert sehr ruhig: Ach was! es war ja
ein alter häßlicher .Kerl. -- Calderon hat sich mehrmals in der weiblichen Grau¬
samkeit versucht, aber so weit hat er es nicht gebracht. Die gute Lanne, die
in der Erzählung dieser häßlichen Geschichte waltet, ist nicht genug zu loben.

^mour alricmn. Zwei Pascha's in Brunst für eine schöne Sklavin, Mvjana,
und was sich bei afrikanischen Blut daraus ergibt, obgleich im Grunde alle be¬
theiligten Personen recht gutmüthig sind. Zuletzt wird alles geköpft. -- Ju der
Schilderung der Leidenschaft ist Race, nud doch eine gewisse humoristische Frei¬
heit. Der Dichter, der die Verrücktheit schildert, wird nicht selber darüber ver¬
rückt, wie es bei uus Deutschen in ähnlichen Fällen zu gehn Pflegt.
'

I." t'mwMe cle ('arva,,"!. Die Geschichte der Cenci, auf den angemessenen
Boden Westindiens, in das tropische Clima verlegt. Shelley hat sie in einer
Tragödie in ekelhafter Ausführlichkeit behandelt.-Ein Vater liebt seine Tochter,
und will sie entehren; zu diesem Zweck ermordet er sein Weib und wird endlich
von der eigenen Tochter getödtet. Der gräßliche Charakter des Vaters, der
nicht minder gewaltthätige seiner Tochter Catalina nud der schwache seines Weibes
sind glücklich dargestellt; die Gräuelthaten wenigstens ohne übertriebene Renom-
mage wiedergegeben. In diesem Stücke ist sogar ein ernster Schauder vorhan¬
den. Ueber die Verirrung der Phantasie, die allein zu der Wahl eines solchen
Stoffes führen kann, muß man freilich erstaunen..

I.<zö LiPuxuols <zu l)g,mizun>rc,ki. Die spanische Garnison, unter dem Mar¬
quis Romaua von Napoleon uach Dänemark geschickt, conspirirt gegen den frem¬
den Usurpator. Die Regierung hat, um sie zu beobachten, zwei Mouchards
abgeschickt, Mutter und Tochter, die in diesem Geschäft schon längere Zeit ge¬
arbeitet haben. Die Tochter verliebt sich ernsthaft in einen der Kavaliere, den
sie verrathen soll, und entdeckt ihm alles, woraus er sie heirathet, trotz ihrer Ver-


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übertrifft an Liebenswürdigkeit bei Weitem, was Hugo, Dumas und Andere in
dieser Branche versucht haben.

I.e Liel et 1'ont'or, Eine junge Dame, Donna Urraca, steht im Verhält¬
niß mit einem Offizier der Garnison. Er ist Freigeist, sie gläubige Katholikin,
die sich über seine gelegentliche Blasphemien sehr liebenswürdig skandalisirt. Ein
Beichtvater, der übrigens, abgesehen von den üblen Eigenschaften, die von einem
spanischen Beichtvater nicht zu trennen sind, eine erträgliche Bonhommie zeigt,
und dessen Beziehung zu den Liqueureu des schönen Beichtkindes der Dichter mit
viel Humor charakterisirt, trennt das Verhältniß, indem er ihre Eifersucht rege
macht; sie ist so erbittert, daß sie ihren Liebhaber als Verfasser eines Pasquills
angibt, und ihn dadurch in die Kerker der Inquisition bringt. Dort besucht sie
ihn, um sich an seinem Fall zu weiden, erfährt, daß sie von dem Beichtvater be¬
trogen ist, und erdolcht diesen mit der größten Kaltblütigkeit. Ihrem Geliebten,
der dadurch befreit wird, ist die Sache denn doch zu stark, und er wagt einige
schüchterne Bemerkungen, aber sie erwiedert sehr ruhig: Ach was! es war ja
ein alter häßlicher .Kerl. — Calderon hat sich mehrmals in der weiblichen Grau¬
samkeit versucht, aber so weit hat er es nicht gebracht. Die gute Lanne, die
in der Erzählung dieser häßlichen Geschichte waltet, ist nicht genug zu loben.

^mour alricmn. Zwei Pascha's in Brunst für eine schöne Sklavin, Mvjana,
und was sich bei afrikanischen Blut daraus ergibt, obgleich im Grunde alle be¬
theiligten Personen recht gutmüthig sind. Zuletzt wird alles geköpft. — Ju der
Schilderung der Leidenschaft ist Race, nud doch eine gewisse humoristische Frei¬
heit. Der Dichter, der die Verrücktheit schildert, wird nicht selber darüber ver¬
rückt, wie es bei uus Deutschen in ähnlichen Fällen zu gehn Pflegt.
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I.» t'mwMe cle ('arva,,»!. Die Geschichte der Cenci, auf den angemessenen
Boden Westindiens, in das tropische Clima verlegt. Shelley hat sie in einer
Tragödie in ekelhafter Ausführlichkeit behandelt.-Ein Vater liebt seine Tochter,
und will sie entehren; zu diesem Zweck ermordet er sein Weib und wird endlich
von der eigenen Tochter getödtet. Der gräßliche Charakter des Vaters, der
nicht minder gewaltthätige seiner Tochter Catalina nud der schwache seines Weibes
sind glücklich dargestellt; die Gräuelthaten wenigstens ohne übertriebene Renom-
mage wiedergegeben. In diesem Stücke ist sogar ein ernster Schauder vorhan¬
den. Ueber die Verirrung der Phantasie, die allein zu der Wahl eines solchen
Stoffes führen kann, muß man freilich erstaunen..

I.<zö LiPuxuols <zu l)g,mizun>rc,ki. Die spanische Garnison, unter dem Mar¬
quis Romaua von Napoleon uach Dänemark geschickt, conspirirt gegen den frem¬
den Usurpator. Die Regierung hat, um sie zu beobachten, zwei Mouchards
abgeschickt, Mutter und Tochter, die in diesem Geschäft schon längere Zeit ge¬
arbeitet haben. Die Tochter verliebt sich ernsthaft in einen der Kavaliere, den
sie verrathen soll, und entdeckt ihm alles, woraus er sie heirathet, trotz ihrer Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/211>, abgerufen am 17.06.2024.