Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gaugeuheit. -- Das Laster wird durch die Liebe rehabilitirt, eine Aufgabe, die
in,, Marion 6e I.orwv," in Balzac's "I.of odouan8," in der ..^Ilee äos veuvv8"
von Nabon und in vielen andern Schriften der spätern Romantiker wieder auf¬
genommen ist.

Ine/ Nenclo on 1<?. prvjuss"! vaineu. Ein junger Edelmann liebt ein bürger¬
liches Mädchen; es kommt heraus, das; sie eigentlich die Tochter eines Mannes
ist, der uach altproviucialem Gesetz die Verpflichtung hat, das Geschäft seines
Vaters fortzusetzen. Es ist der Henker des Ortes. Ueber diese Entdeckung
erschrickt der Edelmann freilich, aber seine Liebe 'bleibt doch. Er hat Jemand
im Duell getödtet, wird deshalb zum Tode verurtheilt, und der Vater seiner
Geliebten soll sein Geschäft damit eröffnen, daß er ihn köpfe. Ans dem Schaffot
angelangt, schlägt der Henker sich selber die rechte Hand ab, und sagt: nun bin
ich nicht mehr Henker. Allgemeine Aufregung, der König kommt dazu, Pardon,
der edelmüthige Henker wird geadelt, Hochzeit. -- Es folgt aber eine Fortsetz¬
ung: Is triomplio ein präiuxu. Zwei verschiedene Bildungsstufen passen doch
nicht für die Ehe. Sie wird unglücklich, das junge Weib, von ihrem Gatten
verlassen, stirbt vor Gram, und der Vater sieht sich veranlaßt, die That, zu der
ihn früher das Gesetz zwingen wollte, nunmehr mit unberechtigter Autonomie aus¬
zuüben. -- Die Sprünge in diesem Stück verathen eine wahrhaft orientalische
Phantasie.

Ein längeres Drama, l" 5aeguer!v > Sevres woäalvs, hat sich einige Jahre
später (1828) dieser Reihe angeschlossen. Es behandelt den französischen Bauern¬
krieg im 14. Jahrhundert ungefähr nach der Art des Götz von Berlichingen,
und verdient kein anderes Lob, als das einer ziemlich scharfen Charakteristik.
In Beziehung auf wüste Formlosigkeit kauu es sich seinem deutschen Vorbild
würdig zur Seite stellen.

Von deu Romanen behandelt <><>u>>>mvpilKk (1833) das beliebte
Thema der französischen Novellistik, einen Ehebruch. Es fällt in die Zeiten von
Jndiana, Valentine (1832), Lelia (1833) und Jacques (1834). Die bedenk¬
lichen Scenen, die sich aus einer solchen Aufgabe ergeben, sind mit einer uner¬
hörten Naivität wiedergegeben, doch ist die Geschichte, eben weil sie nicht be¬
schönigt, nicht den verführerischen Schleier weicher Empfindsamkeit über die nackte
Häßlichkeit des Lasters breitet, viel weniger unsittlich als jene Romane der George
Sand, und selbst nicht ohne rohe Poesie.

Colvmba (1840) behandelt eine Anekdote der korsischen Blutrache. Die
Heldin ist ein Mannweib, in dessen willkürliche, specifisch korsische Stimmungen
wir uns versetzen sollen, ohne irgend eine Verwandtschaft damit zu fühlen, ohne
sie also zu begreifen. --^ Trotz einzelner vortrefflicher Schilderungen ist dieser
Roman wohl das Schlechteste, was von Mörimüe geschrieben ist. -

Ueber eine zweite Mystification, die angeblich illyrische Gedichtsammlung, tu.


gaugeuheit. — Das Laster wird durch die Liebe rehabilitirt, eine Aufgabe, die
in,, Marion 6e I.orwv," in Balzac's „I.of odouan8," in der ..^Ilee äos veuvv8"
von Nabon und in vielen andern Schriften der spätern Romantiker wieder auf¬
genommen ist.

Ine/ Nenclo on 1<?. prvjuss«! vaineu. Ein junger Edelmann liebt ein bürger¬
liches Mädchen; es kommt heraus, das; sie eigentlich die Tochter eines Mannes
ist, der uach altproviucialem Gesetz die Verpflichtung hat, das Geschäft seines
Vaters fortzusetzen. Es ist der Henker des Ortes. Ueber diese Entdeckung
erschrickt der Edelmann freilich, aber seine Liebe 'bleibt doch. Er hat Jemand
im Duell getödtet, wird deshalb zum Tode verurtheilt, und der Vater seiner
Geliebten soll sein Geschäft damit eröffnen, daß er ihn köpfe. Ans dem Schaffot
angelangt, schlägt der Henker sich selber die rechte Hand ab, und sagt: nun bin
ich nicht mehr Henker. Allgemeine Aufregung, der König kommt dazu, Pardon,
der edelmüthige Henker wird geadelt, Hochzeit. — Es folgt aber eine Fortsetz¬
ung: Is triomplio ein präiuxu. Zwei verschiedene Bildungsstufen passen doch
nicht für die Ehe. Sie wird unglücklich, das junge Weib, von ihrem Gatten
verlassen, stirbt vor Gram, und der Vater sieht sich veranlaßt, die That, zu der
ihn früher das Gesetz zwingen wollte, nunmehr mit unberechtigter Autonomie aus¬
zuüben. — Die Sprünge in diesem Stück verathen eine wahrhaft orientalische
Phantasie.

Ein längeres Drama, l» 5aeguer!v > Sevres woäalvs, hat sich einige Jahre
später (1828) dieser Reihe angeschlossen. Es behandelt den französischen Bauern¬
krieg im 14. Jahrhundert ungefähr nach der Art des Götz von Berlichingen,
und verdient kein anderes Lob, als das einer ziemlich scharfen Charakteristik.
In Beziehung auf wüste Formlosigkeit kauu es sich seinem deutschen Vorbild
würdig zur Seite stellen.

Von deu Romanen behandelt <><>u>>>mvpilKk (1833) das beliebte
Thema der französischen Novellistik, einen Ehebruch. Es fällt in die Zeiten von
Jndiana, Valentine (1832), Lelia (1833) und Jacques (1834). Die bedenk¬
lichen Scenen, die sich aus einer solchen Aufgabe ergeben, sind mit einer uner¬
hörten Naivität wiedergegeben, doch ist die Geschichte, eben weil sie nicht be¬
schönigt, nicht den verführerischen Schleier weicher Empfindsamkeit über die nackte
Häßlichkeit des Lasters breitet, viel weniger unsittlich als jene Romane der George
Sand, und selbst nicht ohne rohe Poesie.

Colvmba (1840) behandelt eine Anekdote der korsischen Blutrache. Die
Heldin ist ein Mannweib, in dessen willkürliche, specifisch korsische Stimmungen
wir uns versetzen sollen, ohne irgend eine Verwandtschaft damit zu fühlen, ohne
sie also zu begreifen. —^ Trotz einzelner vortrefflicher Schilderungen ist dieser
Roman wohl das Schlechteste, was von Mörimüe geschrieben ist. -

Ueber eine zweite Mystification, die angeblich illyrische Gedichtsammlung, tu.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185548"/>
            <p xml:id="ID_682" prev="#ID_681"> gaugeuheit. &#x2014; Das Laster wird durch die Liebe rehabilitirt, eine Aufgabe, die<lb/>
in,, Marion 6e I.orwv," in Balzac's &#x201E;I.of odouan8," in der ..^Ilee äos veuvv8"<lb/>
von Nabon und in vielen andern Schriften der spätern Romantiker wieder auf¬<lb/>
genommen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_683"> Ine/ Nenclo on 1&lt;?. prvjuss«! vaineu. Ein junger Edelmann liebt ein bürger¬<lb/>
liches Mädchen; es kommt heraus, das; sie eigentlich die Tochter eines Mannes<lb/>
ist, der uach altproviucialem Gesetz die Verpflichtung hat, das Geschäft seines<lb/>
Vaters fortzusetzen. Es ist der Henker des Ortes. Ueber diese Entdeckung<lb/>
erschrickt der Edelmann freilich, aber seine Liebe 'bleibt doch. Er hat Jemand<lb/>
im Duell getödtet, wird deshalb zum Tode verurtheilt, und der Vater seiner<lb/>
Geliebten soll sein Geschäft damit eröffnen, daß er ihn köpfe. Ans dem Schaffot<lb/>
angelangt, schlägt der Henker sich selber die rechte Hand ab, und sagt: nun bin<lb/>
ich nicht mehr Henker. Allgemeine Aufregung, der König kommt dazu, Pardon,<lb/>
der edelmüthige Henker wird geadelt, Hochzeit. &#x2014; Es folgt aber eine Fortsetz¬<lb/>
ung: Is triomplio ein präiuxu. Zwei verschiedene Bildungsstufen passen doch<lb/>
nicht für die Ehe. Sie wird unglücklich, das junge Weib, von ihrem Gatten<lb/>
verlassen, stirbt vor Gram, und der Vater sieht sich veranlaßt, die That, zu der<lb/>
ihn früher das Gesetz zwingen wollte, nunmehr mit unberechtigter Autonomie aus¬<lb/>
zuüben. &#x2014; Die Sprünge in diesem Stück verathen eine wahrhaft orientalische<lb/>
Phantasie.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_684"> Ein längeres Drama, l» 5aeguer!v &gt; Sevres woäalvs, hat sich einige Jahre<lb/>
später (1828) dieser Reihe angeschlossen. Es behandelt den französischen Bauern¬<lb/>
krieg im 14. Jahrhundert ungefähr nach der Art des Götz von Berlichingen,<lb/>
und verdient kein anderes Lob, als das einer ziemlich scharfen Charakteristik.<lb/>
In Beziehung auf wüste Formlosigkeit kauu es sich seinem deutschen Vorbild<lb/>
würdig zur Seite stellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_685"> Von deu Romanen behandelt &lt;&gt;&lt;&gt;u&gt;&gt;&gt;mvpilKk (1833) das beliebte<lb/>
Thema der französischen Novellistik, einen Ehebruch. Es fällt in die Zeiten von<lb/>
Jndiana, Valentine (1832), Lelia (1833) und Jacques (1834). Die bedenk¬<lb/>
lichen Scenen, die sich aus einer solchen Aufgabe ergeben, sind mit einer uner¬<lb/>
hörten Naivität wiedergegeben, doch ist die Geschichte, eben weil sie nicht be¬<lb/>
schönigt, nicht den verführerischen Schleier weicher Empfindsamkeit über die nackte<lb/>
Häßlichkeit des Lasters breitet, viel weniger unsittlich als jene Romane der George<lb/>
Sand, und selbst nicht ohne rohe Poesie.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_686"> Colvmba (1840) behandelt eine Anekdote der korsischen Blutrache. Die<lb/>
Heldin ist ein Mannweib, in dessen willkürliche, specifisch korsische Stimmungen<lb/>
wir uns versetzen sollen, ohne irgend eine Verwandtschaft damit zu fühlen, ohne<lb/>
sie also zu begreifen. &#x2014;^ Trotz einzelner vortrefflicher Schilderungen ist dieser<lb/>
Roman wohl das Schlechteste, was von Mörimüe geschrieben ist. -</p><lb/>
            <p xml:id="ID_687" next="#ID_688"> Ueber eine zweite Mystification, die angeblich illyrische Gedichtsammlung, tu.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] gaugeuheit. — Das Laster wird durch die Liebe rehabilitirt, eine Aufgabe, die in,, Marion 6e I.orwv," in Balzac's „I.of odouan8," in der ..^Ilee äos veuvv8" von Nabon und in vielen andern Schriften der spätern Romantiker wieder auf¬ genommen ist. Ine/ Nenclo on 1<?. prvjuss«! vaineu. Ein junger Edelmann liebt ein bürger¬ liches Mädchen; es kommt heraus, das; sie eigentlich die Tochter eines Mannes ist, der uach altproviucialem Gesetz die Verpflichtung hat, das Geschäft seines Vaters fortzusetzen. Es ist der Henker des Ortes. Ueber diese Entdeckung erschrickt der Edelmann freilich, aber seine Liebe 'bleibt doch. Er hat Jemand im Duell getödtet, wird deshalb zum Tode verurtheilt, und der Vater seiner Geliebten soll sein Geschäft damit eröffnen, daß er ihn köpfe. Ans dem Schaffot angelangt, schlägt der Henker sich selber die rechte Hand ab, und sagt: nun bin ich nicht mehr Henker. Allgemeine Aufregung, der König kommt dazu, Pardon, der edelmüthige Henker wird geadelt, Hochzeit. — Es folgt aber eine Fortsetz¬ ung: Is triomplio ein präiuxu. Zwei verschiedene Bildungsstufen passen doch nicht für die Ehe. Sie wird unglücklich, das junge Weib, von ihrem Gatten verlassen, stirbt vor Gram, und der Vater sieht sich veranlaßt, die That, zu der ihn früher das Gesetz zwingen wollte, nunmehr mit unberechtigter Autonomie aus¬ zuüben. — Die Sprünge in diesem Stück verathen eine wahrhaft orientalische Phantasie. Ein längeres Drama, l» 5aeguer!v > Sevres woäalvs, hat sich einige Jahre später (1828) dieser Reihe angeschlossen. Es behandelt den französischen Bauern¬ krieg im 14. Jahrhundert ungefähr nach der Art des Götz von Berlichingen, und verdient kein anderes Lob, als das einer ziemlich scharfen Charakteristik. In Beziehung auf wüste Formlosigkeit kauu es sich seinem deutschen Vorbild würdig zur Seite stellen. Von deu Romanen behandelt <><>u>>>mvpilKk (1833) das beliebte Thema der französischen Novellistik, einen Ehebruch. Es fällt in die Zeiten von Jndiana, Valentine (1832), Lelia (1833) und Jacques (1834). Die bedenk¬ lichen Scenen, die sich aus einer solchen Aufgabe ergeben, sind mit einer uner¬ hörten Naivität wiedergegeben, doch ist die Geschichte, eben weil sie nicht be¬ schönigt, nicht den verführerischen Schleier weicher Empfindsamkeit über die nackte Häßlichkeit des Lasters breitet, viel weniger unsittlich als jene Romane der George Sand, und selbst nicht ohne rohe Poesie. Colvmba (1840) behandelt eine Anekdote der korsischen Blutrache. Die Heldin ist ein Mannweib, in dessen willkürliche, specifisch korsische Stimmungen wir uns versetzen sollen, ohne irgend eine Verwandtschaft damit zu fühlen, ohne sie also zu begreifen. —^ Trotz einzelner vortrefflicher Schilderungen ist dieser Roman wohl das Schlechteste, was von Mörimüe geschrieben ist. - Ueber eine zweite Mystification, die angeblich illyrische Gedichtsammlung, tu.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/212>, abgerufen am 26.05.2024.