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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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oft ohne nur von einem Obstbaum beschattet zu sein, mitten im Schmutz ihrer
unordentlichen Miststätten. Hier und da ein kleiner Kartoffel- oder Kohlgarten
mit sehr verwahrloster Befriedigung, welcher sich der einen Seite des Bauer-
hauses, das Viehstall und Scheuer zugleich enthält, anschließt, und dasselbe von
dem Nachbargehöfte, trennt. Die breite Dorfstraße wird selten ausgebessert, und
gleicht bei feuchter Witterung, die hier oft herrscht, einer einzigen Kochlache, so-
daß zwischen ihr und den Mistplätzeu der Bauernhäuser die Grenze oft gar nicht
zu entdecken ist. Kleine Heerden von Schweinen und Gänsen treiben sich behag¬
lich grunzend und schnatternd in diesem Pfuhl umher, und scheinen sich wohler
in demselben zu befinden als der Reisende. Aber der jütländische Bauer wett¬
eifert mit diesen Thierchen in der Vorliebe für dergleichen gemüthliche Umgebung.
Das Innere des Hauses sieht ost nicht reinlicher und einladender aus, als das
Aeußere desselben. Namentlich der Zutritt frischer Luft zu diesen niederm, schmu¬
tzigen Dunsthöhlen, wo Meuschen, junge Gänse und Hühner, oft ein munteres,
quiteudes Ferkel in ungestörtester Eintracht leben, ist nicht beliebt. Und drinnen
haust ein plumper und stumpfer Menschenschlag. Schwerfälligen Schrittes, die
großen, gewichtigen Holzschuhe, die recht für deu Schmutz passen, an den Füßen,
schlürfen sie daher, das Gesicht, dem wohl nur alle Sonntage eine flüchtige
Waschung zu Theil wird, hat einen stieren, nichtssagenden Ausdruck, die
Augen gk'tzeu in den Tag hinein, und der breite Mund öffnet sich lieber, um
einen Löffel voll Grütze auszunehmen, als irgend eine Rede von sich zu geben.
struppig hängen die meist dunkeln Haare, die uur selten ein Kamm durchfährt,
der daun zugleich zum Ordnen der Pferdemähneu dient, über die niedere Stirn. Das
häufige kratzende Verweilen der Hand in dem Haarbusch bewog alle fremden Trup¬
pen, Offiziere wie Soldaten, die in deu letzte" Jahren in Jütland einrückten,
sich ihrerseits alle Haare so kurz als möglich abzuschneiden; leider hals das nicht
immer. Auch die .Krätze ist hier etwas Gewöhnliches, ja es herrscht sogar hier
und da der ansprechende Glaube, das Vieh gedeihe besser, wenn der Wärter
desselben die Krätze habe. Ebenso plump und verwahrlost wie die Mäuner sehen
in der Regel die Frauen in deu Dörfern des jütländischen Landes aus. Uuter
deu jüngern Mädchen gibt es übrigens ganz hübsche Gesichter, die, wenn sie des
Sonntags rein gewaschen und ordentlich gekämmt, mit ihrem besten Putze ange¬
than sind, jeden erwünschten Eindruck machen. Freilich etwas Plumpes, Un¬
zierliches, besonders einen schwerfälligen Gang haben von der Gewohnheit, die
kolossalen Holzschuhe an den Füßen zu tragen, alle diese jütländischen Dorsschönen.
Der Menschenschlag ist in ganz Jütland von uur mittlerer Größe, aber stark, ge¬
drungen und viereckig; die Haare sind öfter dunkel als blond, die Augen häu¬
figer braun als blan, das ganze Gepräge des Gesichtes ähnelt mehr dem slavi¬
schen als deutschen Ausdruck. Ein merkwürdiger Contrast ist zwischeu deu schlanken,
hohen Friesen an der Westküste und ans den Nordsee-Inseln Schleswig-Holsteins,


oft ohne nur von einem Obstbaum beschattet zu sein, mitten im Schmutz ihrer
unordentlichen Miststätten. Hier und da ein kleiner Kartoffel- oder Kohlgarten
mit sehr verwahrloster Befriedigung, welcher sich der einen Seite des Bauer-
hauses, das Viehstall und Scheuer zugleich enthält, anschließt, und dasselbe von
dem Nachbargehöfte, trennt. Die breite Dorfstraße wird selten ausgebessert, und
gleicht bei feuchter Witterung, die hier oft herrscht, einer einzigen Kochlache, so-
daß zwischen ihr und den Mistplätzeu der Bauernhäuser die Grenze oft gar nicht
zu entdecken ist. Kleine Heerden von Schweinen und Gänsen treiben sich behag¬
lich grunzend und schnatternd in diesem Pfuhl umher, und scheinen sich wohler
in demselben zu befinden als der Reisende. Aber der jütländische Bauer wett¬
eifert mit diesen Thierchen in der Vorliebe für dergleichen gemüthliche Umgebung.
Das Innere des Hauses sieht ost nicht reinlicher und einladender aus, als das
Aeußere desselben. Namentlich der Zutritt frischer Luft zu diesen niederm, schmu¬
tzigen Dunsthöhlen, wo Meuschen, junge Gänse und Hühner, oft ein munteres,
quiteudes Ferkel in ungestörtester Eintracht leben, ist nicht beliebt. Und drinnen
haust ein plumper und stumpfer Menschenschlag. Schwerfälligen Schrittes, die
großen, gewichtigen Holzschuhe, die recht für deu Schmutz passen, an den Füßen,
schlürfen sie daher, das Gesicht, dem wohl nur alle Sonntage eine flüchtige
Waschung zu Theil wird, hat einen stieren, nichtssagenden Ausdruck, die
Augen gk'tzeu in den Tag hinein, und der breite Mund öffnet sich lieber, um
einen Löffel voll Grütze auszunehmen, als irgend eine Rede von sich zu geben.
struppig hängen die meist dunkeln Haare, die uur selten ein Kamm durchfährt,
der daun zugleich zum Ordnen der Pferdemähneu dient, über die niedere Stirn. Das
häufige kratzende Verweilen der Hand in dem Haarbusch bewog alle fremden Trup¬
pen, Offiziere wie Soldaten, die in deu letzte» Jahren in Jütland einrückten,
sich ihrerseits alle Haare so kurz als möglich abzuschneiden; leider hals das nicht
immer. Auch die .Krätze ist hier etwas Gewöhnliches, ja es herrscht sogar hier
und da der ansprechende Glaube, das Vieh gedeihe besser, wenn der Wärter
desselben die Krätze habe. Ebenso plump und verwahrlost wie die Mäuner sehen
in der Regel die Frauen in deu Dörfern des jütländischen Landes aus. Uuter
deu jüngern Mädchen gibt es übrigens ganz hübsche Gesichter, die, wenn sie des
Sonntags rein gewaschen und ordentlich gekämmt, mit ihrem besten Putze ange¬
than sind, jeden erwünschten Eindruck machen. Freilich etwas Plumpes, Un¬
zierliches, besonders einen schwerfälligen Gang haben von der Gewohnheit, die
kolossalen Holzschuhe an den Füßen zu tragen, alle diese jütländischen Dorsschönen.
Der Menschenschlag ist in ganz Jütland von uur mittlerer Größe, aber stark, ge¬
drungen und viereckig; die Haare sind öfter dunkel als blond, die Augen häu¬
figer braun als blan, das ganze Gepräge des Gesichtes ähnelt mehr dem slavi¬
schen als deutschen Ausdruck. Ein merkwürdiger Contrast ist zwischeu deu schlanken,
hohen Friesen an der Westküste und ans den Nordsee-Inseln Schleswig-Holsteins,


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[0261] oft ohne nur von einem Obstbaum beschattet zu sein, mitten im Schmutz ihrer unordentlichen Miststätten. Hier und da ein kleiner Kartoffel- oder Kohlgarten mit sehr verwahrloster Befriedigung, welcher sich der einen Seite des Bauer- hauses, das Viehstall und Scheuer zugleich enthält, anschließt, und dasselbe von dem Nachbargehöfte, trennt. Die breite Dorfstraße wird selten ausgebessert, und gleicht bei feuchter Witterung, die hier oft herrscht, einer einzigen Kochlache, so- daß zwischen ihr und den Mistplätzeu der Bauernhäuser die Grenze oft gar nicht zu entdecken ist. Kleine Heerden von Schweinen und Gänsen treiben sich behag¬ lich grunzend und schnatternd in diesem Pfuhl umher, und scheinen sich wohler in demselben zu befinden als der Reisende. Aber der jütländische Bauer wett¬ eifert mit diesen Thierchen in der Vorliebe für dergleichen gemüthliche Umgebung. Das Innere des Hauses sieht ost nicht reinlicher und einladender aus, als das Aeußere desselben. Namentlich der Zutritt frischer Luft zu diesen niederm, schmu¬ tzigen Dunsthöhlen, wo Meuschen, junge Gänse und Hühner, oft ein munteres, quiteudes Ferkel in ungestörtester Eintracht leben, ist nicht beliebt. Und drinnen haust ein plumper und stumpfer Menschenschlag. Schwerfälligen Schrittes, die großen, gewichtigen Holzschuhe, die recht für deu Schmutz passen, an den Füßen, schlürfen sie daher, das Gesicht, dem wohl nur alle Sonntage eine flüchtige Waschung zu Theil wird, hat einen stieren, nichtssagenden Ausdruck, die Augen gk'tzeu in den Tag hinein, und der breite Mund öffnet sich lieber, um einen Löffel voll Grütze auszunehmen, als irgend eine Rede von sich zu geben. struppig hängen die meist dunkeln Haare, die uur selten ein Kamm durchfährt, der daun zugleich zum Ordnen der Pferdemähneu dient, über die niedere Stirn. Das häufige kratzende Verweilen der Hand in dem Haarbusch bewog alle fremden Trup¬ pen, Offiziere wie Soldaten, die in deu letzte» Jahren in Jütland einrückten, sich ihrerseits alle Haare so kurz als möglich abzuschneiden; leider hals das nicht immer. Auch die .Krätze ist hier etwas Gewöhnliches, ja es herrscht sogar hier und da der ansprechende Glaube, das Vieh gedeihe besser, wenn der Wärter desselben die Krätze habe. Ebenso plump und verwahrlost wie die Mäuner sehen in der Regel die Frauen in deu Dörfern des jütländischen Landes aus. Uuter deu jüngern Mädchen gibt es übrigens ganz hübsche Gesichter, die, wenn sie des Sonntags rein gewaschen und ordentlich gekämmt, mit ihrem besten Putze ange¬ than sind, jeden erwünschten Eindruck machen. Freilich etwas Plumpes, Un¬ zierliches, besonders einen schwerfälligen Gang haben von der Gewohnheit, die kolossalen Holzschuhe an den Füßen zu tragen, alle diese jütländischen Dorsschönen. Der Menschenschlag ist in ganz Jütland von uur mittlerer Größe, aber stark, ge¬ drungen und viereckig; die Haare sind öfter dunkel als blond, die Augen häu¬ figer braun als blan, das ganze Gepräge des Gesichtes ähnelt mehr dem slavi¬ schen als deutschen Ausdruck. Ein merkwürdiger Contrast ist zwischeu deu schlanken, hohen Friesen an der Westküste und ans den Nordsee-Inseln Schleswig-Holsteins,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/261>, abgerufen am 27.05.2024.