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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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mit ihren blonden Haaren, Manen Augen und weiß und rothen Gesichtern, und
diesen kleinen, derben, braunen Jute", die oft eine Farbe haben, als hätten sie
viele Wochen lang im Rauche gehangen. Aber der jüdische Bauer hat trotz seine"
Schmutzes und seiner geistigen und körperlichen Schwerfälligkeit doch anch
wieder manche gute Eigenschaft. Er ist von einer gewissen rohen Gutmüthig-
keit und Gefälligkeit, genügsam, willig und anch fleißig und zuverlässig, wenn er
nur keine raschen oder neuen Arbeiten, die eine gewisse Gewandtheit des Geistes
oder Körpers erfordern, verrichten soll. Dabei besitzt er Muth, Besonnenheit
und vielen Patriotismus; und man darf nicht läugnen, daß die Haltung der jüt-
ländischen Bevölkerung während der letzten zwei Kriegsjahre eine sehr ehren¬
werthe war; trotz der unendlichen Opfer, welche diese Annen haben bringen müs¬
sen (denn die Last deS Krieges ruhte vorzugsweise aus ihren Schultern), haben
sie stets die wärmste Anhänglichkeit für die dänische Sache, die sie einmal für recht
hielten, gezeigt. Auch gute Soldaten sind sie, die viel willigen Gehorsam, beson¬
dere Liebe und Sorgfalt für die ihnen anvertrauten Pferde, Allsdauer in Be¬
schwerden aller Art nud genügenden, wenn anch gerade nicht außerordentlichen
Muth besitze". Ueberhaupt trägt die dänische Regierung, die Jahrhunderte lang
Jütland gänzlich vernachlässigte, als ein Land, ans dem man für Kopenhagens
Glanz so viel wie möglich herausziehen müsse, die größte Schuld an der Be¬
schränktheit des jütländischen Landvolkes. In Dänemark ist Kopenhagen Alles,
die Provinzen nur Zweck der Hauptstadt, selbst die reichen fruchtbaren Theile
dieses Landes an der Ostküste sind verhältnißmäßig vernachlässigt. Aus der
sandigen Haide des Landrückens läßt sich freilich nicht gutes Laud macheu, aber
auch hier könnte vieles besser sein. Welch ein Unterschied zwischen den reinlichen
wohlhabenden Dörfern der lüneburger Haide nud diesen Hütten, die man in
Polen oder Irland nicht viel schlimmer antreffen kann.

Aber trotz aller Oede und Unfruchtbarkeit, liegt in der jütländischen Haide
doch eine poetische Lust. Es ist etwas Wunderliches, Originelles, Charakteristi¬
sches hier, wie man es in cultivirten Gegenden nicht mehr findet. So gibt es
hier auch noch Gestalten, die man in Deutschland fast gar nicht mehr erblickt.
Es Hausen hier noch wandernde, gänzlich heimathlose Zigeunerhorden; ohne
Wohnsitz, ohne geregeltes Geschäft ziehen sie in größeren oder kleineren Horden
umher, geborene Vagabonden seit vielen Generationen. Kunstlos gegrabene Erd¬
höhlen, nicht viel besser als das Loch, in dem der Dachs oder Fuchs sich ver¬
birgt, sind ihre Wohnungen während der langen, strengen Wintermonate; Alt
und Jung, Weib und Mann, Bruder und Schwester kauern darin bunt durch-
einander auf ärmlichem Lager von Stroh und Haidekraut. Im Sommer vertritt
eine leichte Hütte, oder einige Lappen schmutziger Leinewand als Zelt ausge-
spannt, die Stelle dieser Erdhöhlen. Voll der nördlichsten bis zur südlichsten
Spitze Jütlands, ja oft bis nach Schleswig-Holstein hinein, leuchten dem Reisen-


mit ihren blonden Haaren, Manen Augen und weiß und rothen Gesichtern, und
diesen kleinen, derben, braunen Jute», die oft eine Farbe haben, als hätten sie
viele Wochen lang im Rauche gehangen. Aber der jüdische Bauer hat trotz seine«
Schmutzes und seiner geistigen und körperlichen Schwerfälligkeit doch anch
wieder manche gute Eigenschaft. Er ist von einer gewissen rohen Gutmüthig-
keit und Gefälligkeit, genügsam, willig und anch fleißig und zuverlässig, wenn er
nur keine raschen oder neuen Arbeiten, die eine gewisse Gewandtheit des Geistes
oder Körpers erfordern, verrichten soll. Dabei besitzt er Muth, Besonnenheit
und vielen Patriotismus; und man darf nicht läugnen, daß die Haltung der jüt-
ländischen Bevölkerung während der letzten zwei Kriegsjahre eine sehr ehren¬
werthe war; trotz der unendlichen Opfer, welche diese Annen haben bringen müs¬
sen (denn die Last deS Krieges ruhte vorzugsweise aus ihren Schultern), haben
sie stets die wärmste Anhänglichkeit für die dänische Sache, die sie einmal für recht
hielten, gezeigt. Auch gute Soldaten sind sie, die viel willigen Gehorsam, beson¬
dere Liebe und Sorgfalt für die ihnen anvertrauten Pferde, Allsdauer in Be¬
schwerden aller Art nud genügenden, wenn anch gerade nicht außerordentlichen
Muth besitze«. Ueberhaupt trägt die dänische Regierung, die Jahrhunderte lang
Jütland gänzlich vernachlässigte, als ein Land, ans dem man für Kopenhagens
Glanz so viel wie möglich herausziehen müsse, die größte Schuld an der Be¬
schränktheit des jütländischen Landvolkes. In Dänemark ist Kopenhagen Alles,
die Provinzen nur Zweck der Hauptstadt, selbst die reichen fruchtbaren Theile
dieses Landes an der Ostküste sind verhältnißmäßig vernachlässigt. Aus der
sandigen Haide des Landrückens läßt sich freilich nicht gutes Laud macheu, aber
auch hier könnte vieles besser sein. Welch ein Unterschied zwischen den reinlichen
wohlhabenden Dörfern der lüneburger Haide nud diesen Hütten, die man in
Polen oder Irland nicht viel schlimmer antreffen kann.

Aber trotz aller Oede und Unfruchtbarkeit, liegt in der jütländischen Haide
doch eine poetische Lust. Es ist etwas Wunderliches, Originelles, Charakteristi¬
sches hier, wie man es in cultivirten Gegenden nicht mehr findet. So gibt es
hier auch noch Gestalten, die man in Deutschland fast gar nicht mehr erblickt.
Es Hausen hier noch wandernde, gänzlich heimathlose Zigeunerhorden; ohne
Wohnsitz, ohne geregeltes Geschäft ziehen sie in größeren oder kleineren Horden
umher, geborene Vagabonden seit vielen Generationen. Kunstlos gegrabene Erd¬
höhlen, nicht viel besser als das Loch, in dem der Dachs oder Fuchs sich ver¬
birgt, sind ihre Wohnungen während der langen, strengen Wintermonate; Alt
und Jung, Weib und Mann, Bruder und Schwester kauern darin bunt durch-
einander auf ärmlichem Lager von Stroh und Haidekraut. Im Sommer vertritt
eine leichte Hütte, oder einige Lappen schmutziger Leinewand als Zelt ausge-
spannt, die Stelle dieser Erdhöhlen. Voll der nördlichsten bis zur südlichsten
Spitze Jütlands, ja oft bis nach Schleswig-Holstein hinein, leuchten dem Reisen-


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[0262] mit ihren blonden Haaren, Manen Augen und weiß und rothen Gesichtern, und diesen kleinen, derben, braunen Jute», die oft eine Farbe haben, als hätten sie viele Wochen lang im Rauche gehangen. Aber der jüdische Bauer hat trotz seine« Schmutzes und seiner geistigen und körperlichen Schwerfälligkeit doch anch wieder manche gute Eigenschaft. Er ist von einer gewissen rohen Gutmüthig- keit und Gefälligkeit, genügsam, willig und anch fleißig und zuverlässig, wenn er nur keine raschen oder neuen Arbeiten, die eine gewisse Gewandtheit des Geistes oder Körpers erfordern, verrichten soll. Dabei besitzt er Muth, Besonnenheit und vielen Patriotismus; und man darf nicht läugnen, daß die Haltung der jüt- ländischen Bevölkerung während der letzten zwei Kriegsjahre eine sehr ehren¬ werthe war; trotz der unendlichen Opfer, welche diese Annen haben bringen müs¬ sen (denn die Last deS Krieges ruhte vorzugsweise aus ihren Schultern), haben sie stets die wärmste Anhänglichkeit für die dänische Sache, die sie einmal für recht hielten, gezeigt. Auch gute Soldaten sind sie, die viel willigen Gehorsam, beson¬ dere Liebe und Sorgfalt für die ihnen anvertrauten Pferde, Allsdauer in Be¬ schwerden aller Art nud genügenden, wenn anch gerade nicht außerordentlichen Muth besitze«. Ueberhaupt trägt die dänische Regierung, die Jahrhunderte lang Jütland gänzlich vernachlässigte, als ein Land, ans dem man für Kopenhagens Glanz so viel wie möglich herausziehen müsse, die größte Schuld an der Be¬ schränktheit des jütländischen Landvolkes. In Dänemark ist Kopenhagen Alles, die Provinzen nur Zweck der Hauptstadt, selbst die reichen fruchtbaren Theile dieses Landes an der Ostküste sind verhältnißmäßig vernachlässigt. Aus der sandigen Haide des Landrückens läßt sich freilich nicht gutes Laud macheu, aber auch hier könnte vieles besser sein. Welch ein Unterschied zwischen den reinlichen wohlhabenden Dörfern der lüneburger Haide nud diesen Hütten, die man in Polen oder Irland nicht viel schlimmer antreffen kann. Aber trotz aller Oede und Unfruchtbarkeit, liegt in der jütländischen Haide doch eine poetische Lust. Es ist etwas Wunderliches, Originelles, Charakteristi¬ sches hier, wie man es in cultivirten Gegenden nicht mehr findet. So gibt es hier auch noch Gestalten, die man in Deutschland fast gar nicht mehr erblickt. Es Hausen hier noch wandernde, gänzlich heimathlose Zigeunerhorden; ohne Wohnsitz, ohne geregeltes Geschäft ziehen sie in größeren oder kleineren Horden umher, geborene Vagabonden seit vielen Generationen. Kunstlos gegrabene Erd¬ höhlen, nicht viel besser als das Loch, in dem der Dachs oder Fuchs sich ver¬ birgt, sind ihre Wohnungen während der langen, strengen Wintermonate; Alt und Jung, Weib und Mann, Bruder und Schwester kauern darin bunt durch- einander auf ärmlichem Lager von Stroh und Haidekraut. Im Sommer vertritt eine leichte Hütte, oder einige Lappen schmutziger Leinewand als Zelt ausge- spannt, die Stelle dieser Erdhöhlen. Voll der nördlichsten bis zur südlichsten Spitze Jütlands, ja oft bis nach Schleswig-Holstein hinein, leuchten dem Reisen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/262>, abgerufen am 17.06.2024.