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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Kleine Nachrichten.



England: Neue Erscheinungen der Literatur und Kunst.

Unter den neu erschienenen Werken zeichnen die Journale zunächst zwei größere
historische aus.

Kistor^ ok LvanisK I.iter<Mre. Von George Ticknor, einem Amerikaner,
in 3 Bde. Sie soll die Vorarbeiten Bouterweck's und Sismondi's bedeutend hinter sich
lassen, und sür die Verbindung der Literatur mit dem Leben, namentlich in der Ge¬
schichte des Theaters, eine neue Bahn brechen. Wenigstens als kritische Basis für die
künftige eigentliche Geschichtschreibung; denn auf den eigentlichen ethischen Gehalt der
Poesie geht sie weniger ein, sie beschränkt sich auf das Aeußerliche. Darin aber ist
mich alles geleistet, was unermüdliche Ausdauer im Durchforschen von bestäubten Biblio¬
theken, große Geldmittel und gewissenhafte Gründlichkeit im Sichten des gegebenen
Materials, verbunden mit einer sehr umfangreichen allgemeinen Bildung, überhaupt
nur leisten können. -- Die unbedingte Begeisterung, die unsere Romantiker dem Zeit¬
alter Calderon's entgegenbrachten, kann man von einem Amerikaner freilich nicht erwarten.
(Vgl. Athenäum, Merz, p. 223 und Bentley p. 385.) --

Von der Kistor? ok Kreece, von George Grote, ist Bd. 7 und 8 er¬
schienen, die vom Frieden des Nicias bis zum Tode des Sokrates gehn, 421 bis 39!),
und neben der politischen Geschichte vorzüglich auf die Entwickelung der Culturverhält-
nisse, z. B. die Stellung der Sophisten, die nicht ganz in dem gewöhnlichen schlechten
Lichte erscheine", ihr Augenmerk richten. Die Proben, die Athenäum (p. 279 ff.
307 ff.) und Westminster Review (p. 177 ff.) mittheilen, bestätigen das lobende Urtheil
dieser Journale riber die Gelehrsamkeit und die Umsicht des Verfassers. --

Vom Major Rawlinson sind im Journal ok lus Ko^gi ^flauo Loeiel^ X.
und XI. die Untersuchungen über die Keilschrift der Perser nebst Auszügen aus persi¬
schen Gedichten erschienen, die er in dieser Gesellschaft vorgetragen hat. (Athenäum
p. 234. Westen. Nao. 38 ff.) --

Ein neuer großer historischer Roman: ^lltomvÄ or it"o fall ok Kome, aus dem
5. Jahrhundert, 3 Bde., von Wilkic Collins, zieht die allgemeine Aufmerksamkeit
der englischen Kritik ans sich. Es ist das Erstlingswerk dieses Verfassers, und scheint
denselben sogleich unter die Koryphäen der Belletristik einzureihen. (Als. p. 283. 293.
Bentley 375.) --

Die dramatische Poesie scheint bei den Engländern immer mehr auszusterben. Unter
mehreren Dramen, die getadelt werden, hebt Athenäum (p. 230.257.) zwei mit großem
Lobe hervor: VIcl lovo Suet uno lortune (alte Liebe und neues Glück) von Ehorley
(Verfasser von coitu, Ruhla^ auel maimers u. a.), und Ine noblo Jre-art (das edle
Herz) von Leo es. Nach der Skizze und den Auszügen, die es gibt, können wir
dieses Lob keineswegs unterschreiben. Das erste hat den gespreizten, affectirter Dialog,
den wir aus Bulwer kennen, und die Launen des englischen Spleen nnr noch forcirt;


Kleine Nachrichten.



England: Neue Erscheinungen der Literatur und Kunst.

Unter den neu erschienenen Werken zeichnen die Journale zunächst zwei größere
historische aus.

Kistor^ ok LvanisK I.iter<Mre. Von George Ticknor, einem Amerikaner,
in 3 Bde. Sie soll die Vorarbeiten Bouterweck's und Sismondi's bedeutend hinter sich
lassen, und sür die Verbindung der Literatur mit dem Leben, namentlich in der Ge¬
schichte des Theaters, eine neue Bahn brechen. Wenigstens als kritische Basis für die
künftige eigentliche Geschichtschreibung; denn auf den eigentlichen ethischen Gehalt der
Poesie geht sie weniger ein, sie beschränkt sich auf das Aeußerliche. Darin aber ist
mich alles geleistet, was unermüdliche Ausdauer im Durchforschen von bestäubten Biblio¬
theken, große Geldmittel und gewissenhafte Gründlichkeit im Sichten des gegebenen
Materials, verbunden mit einer sehr umfangreichen allgemeinen Bildung, überhaupt
nur leisten können. — Die unbedingte Begeisterung, die unsere Romantiker dem Zeit¬
alter Calderon's entgegenbrachten, kann man von einem Amerikaner freilich nicht erwarten.
(Vgl. Athenäum, Merz, p. 223 und Bentley p. 385.) —

Von der Kistor? ok Kreece, von George Grote, ist Bd. 7 und 8 er¬
schienen, die vom Frieden des Nicias bis zum Tode des Sokrates gehn, 421 bis 39!),
und neben der politischen Geschichte vorzüglich auf die Entwickelung der Culturverhält-
nisse, z. B. die Stellung der Sophisten, die nicht ganz in dem gewöhnlichen schlechten
Lichte erscheine», ihr Augenmerk richten. Die Proben, die Athenäum (p. 279 ff.
307 ff.) und Westminster Review (p. 177 ff.) mittheilen, bestätigen das lobende Urtheil
dieser Journale riber die Gelehrsamkeit und die Umsicht des Verfassers. —

Vom Major Rawlinson sind im Journal ok lus Ko^gi ^flauo Loeiel^ X.
und XI. die Untersuchungen über die Keilschrift der Perser nebst Auszügen aus persi¬
schen Gedichten erschienen, die er in dieser Gesellschaft vorgetragen hat. (Athenäum
p. 234. Westen. Nao. 38 ff.) —

Ein neuer großer historischer Roman: ^lltomvÄ or it»o fall ok Kome, aus dem
5. Jahrhundert, 3 Bde., von Wilkic Collins, zieht die allgemeine Aufmerksamkeit
der englischen Kritik ans sich. Es ist das Erstlingswerk dieses Verfassers, und scheint
denselben sogleich unter die Koryphäen der Belletristik einzureihen. (Als. p. 283. 293.
Bentley 375.) —

Die dramatische Poesie scheint bei den Engländern immer mehr auszusterben. Unter
mehreren Dramen, die getadelt werden, hebt Athenäum (p. 230.257.) zwei mit großem
Lobe hervor: VIcl lovo Suet uno lortune (alte Liebe und neues Glück) von Ehorley
(Verfasser von coitu, Ruhla^ auel maimers u. a.), und Ine noblo Jre-art (das edle
Herz) von Leo es. Nach der Skizze und den Auszügen, die es gibt, können wir
dieses Lob keineswegs unterschreiben. Das erste hat den gespreizten, affectirter Dialog,
den wir aus Bulwer kennen, und die Launen des englischen Spleen nnr noch forcirt;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/280>, abgerufen am 10.06.2024.