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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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bannung herbeiführte, erscheint hier zum Erstenmal im Drucke. In Rußland durste
und darf man nicht wagen, es der Oeffentlichkeit zu übergeben, da der bloße Besitz
einer Abschrift davon genügt, den Besitzer in die Bergwerke von Sibirien zu befördern.
Wir theilen das Gedicht hier mit, nicht, weil wir ihm einen übertriebenen Werth
beilegen (denn wir halten es nicht sür besser als irgend ein Herwegh'sches der Art),
sondern blos als eine literarische Kuriosität, als dem Ausgangspunkt einer bedeutenden
Dichterkraft, welche uns öfter zu culturhistorischen und ästhetischen Betrachtungen Anlaß
geben wird. In der Uebersetzung haben wir eS vorgezogen, lieber einige Härten und
unächte Reime durchgehen zu lassen, als den Sinn des Originals irgendwie zu be¬
einträchtigen. --

Entfleuch, dem Aug' dich zu verstecken,
Kraftlose LiebcSkönigi"! . . .
Wo, wo bist du, der Kö"'ge Schrecken,
Der Freiheit stolze Sängerin?
Reiß mir vom Haupt die Blimieukro"' --
Die sanfte Laier laß zerspringen,
Ich will der Welt die Freiheit singe",
Das Laster treffen auf dem Thron.




Des kanngen Glückes Söhne all,
Erzittert, Ihr der Welt Tyrannen!
Doch Ihr vernehmt's, Euch zu ermannen,
Ihr Sklaven, auf von Eurem Fall!. . .
DaS Auge bebt vor der Bedrängnis;
Und Noth des Volks entsetzt zurück --
Die Tugend schmachtet im Gefängniß,
DaS Laster schwelgt in Macht und Glück; --
Hier Vorurtheil und Unverstand,
Dort ganzer Völker Schmach und Schändung ...
ES reichen Bosheit und Verblendung
Am Throne sich die Bruderhand.
Nur dort liegt eines Volkes Stöhnen
Auf stolzem KönigShaiiptc nicht,
Wo des Gesetzes Macht den schönen
Bund mit der heil'ge" Freiheit flicht;
Wo starken Schutz ihr Schild gewährt,
Und wo, geführt von sichern Händen,
Rings Schmach und Unheil abzuwenden
Dräut ihr gewaltig Flammcnschwcrt. ,
Es trifft zu strafen und zu rächen
Die Sünde mit gerechten! Schlag,
Wo schnödes Gold es nicht bestechen
Und Furcht es nicht verderben mag.
Nicht die Natur -- Gesetz gab Reich
Und Kron', Ihr Herrscher! Euch zum Scheu;
Mögt höher als das Volk Ihr stehen:
Doch das Gesetz steht über Euch! . . .
O, Wehe! Weh' den Völkern allen,
Wo rohe Willkür herrscht, und dann
Volk oder König "ach Gefallen
Ob dem Gesetze walten kann.

bannung herbeiführte, erscheint hier zum Erstenmal im Drucke. In Rußland durste
und darf man nicht wagen, es der Oeffentlichkeit zu übergeben, da der bloße Besitz
einer Abschrift davon genügt, den Besitzer in die Bergwerke von Sibirien zu befördern.
Wir theilen das Gedicht hier mit, nicht, weil wir ihm einen übertriebenen Werth
beilegen (denn wir halten es nicht sür besser als irgend ein Herwegh'sches der Art),
sondern blos als eine literarische Kuriosität, als dem Ausgangspunkt einer bedeutenden
Dichterkraft, welche uns öfter zu culturhistorischen und ästhetischen Betrachtungen Anlaß
geben wird. In der Uebersetzung haben wir eS vorgezogen, lieber einige Härten und
unächte Reime durchgehen zu lassen, als den Sinn des Originals irgendwie zu be¬
einträchtigen. —

Entfleuch, dem Aug' dich zu verstecken,
Kraftlose LiebcSkönigi»! . . .
Wo, wo bist du, der Kö»'ge Schrecken,
Der Freiheit stolze Sängerin?
Reiß mir vom Haupt die Blimieukro»' —
Die sanfte Laier laß zerspringen,
Ich will der Welt die Freiheit singe»,
Das Laster treffen auf dem Thron.




Des kanngen Glückes Söhne all,
Erzittert, Ihr der Welt Tyrannen!
Doch Ihr vernehmt's, Euch zu ermannen,
Ihr Sklaven, auf von Eurem Fall!. . .
DaS Auge bebt vor der Bedrängnis;
Und Noth des Volks entsetzt zurück —
Die Tugend schmachtet im Gefängniß,
DaS Laster schwelgt in Macht und Glück; —
Hier Vorurtheil und Unverstand,
Dort ganzer Völker Schmach und Schändung ...
ES reichen Bosheit und Verblendung
Am Throne sich die Bruderhand.
Nur dort liegt eines Volkes Stöhnen
Auf stolzem KönigShaiiptc nicht,
Wo des Gesetzes Macht den schönen
Bund mit der heil'ge» Freiheit flicht;
Wo starken Schutz ihr Schild gewährt,
Und wo, geführt von sichern Händen,
Rings Schmach und Unheil abzuwenden
Dräut ihr gewaltig Flammcnschwcrt. ,
Es trifft zu strafen und zu rächen
Die Sünde mit gerechten! Schlag,
Wo schnödes Gold es nicht bestechen
Und Furcht es nicht verderben mag.
Nicht die Natur — Gesetz gab Reich
Und Kron', Ihr Herrscher! Euch zum Scheu;
Mögt höher als das Volk Ihr stehen:
Doch das Gesetz steht über Euch! . . .
O, Wehe! Weh' den Völkern allen,
Wo rohe Willkür herrscht, und dann
Volk oder König »ach Gefallen
Ob dem Gesetze walten kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/285>, abgerufen am 26.05.2024.