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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Gründen eintreten, so überschritt er seine Befugnisse, und die Negierung war nicht
allein berechtigt, sondern von ihrem Standpunkt aus verpflichtet, ihn durch die
ihr zu Gebot stehenden Mittel in seine Schranken zurückzuweisen Dieses Mittel
hat sie in der That angewendet: sie hat ihn aufgelöst, denn die Suspendirnng
der rennenden Mitglieder ist nichts Anderes als partielle Auflösung.

Auch in diesem Punkt wird der Verfasser durch die Unbestimmtheit seines
Gesichtspunkts verleitet, gegen die Regierung und deren Partei ebenso ungerecht
zu sein, als gegen seine eigene. Wenn die Regierung und ihre Partei in ihrem
Recht, oder, was hier auf dasselbe hinausläuft, wenn sie von ihrem Recht über¬
zeugt war, -- und das muß präsumirt werdeu, wenn mau ihr späteres Verfahren
vom Nechtsstandpuukt beurtheilen will, -- so durfte sie nicht nur, so mußte
sie den Abgeordneten der Universität so lange zurückweisen, bis er eine recht¬
mäßige Vollmacht einbrachte; jedes andere Verfahren wäre stillschweigendes,
schimpfliches Eingeständnis; von dem Bewußtsein des eigenen Unrechts gewesen.
Es ist daher ganz ungehörig vom Verfasser, wenn er demjenigen Kammermitglied,
welches diesen, in der Natur der Sache und dem Nechtsstandpuukt der Partei
nothwendig begründeten Antrag stellte, Motive unterlegt, die ebenso gehässig sind,
als sie uicht zur Sache gehöre". Aber freilich ist das nur dasselbe Verfahren,
das er gegen sich selbst und seine Partei anwendet.

Aber damit ist die Verwirrung uoch nicht zu Ende. Es wird nicht nur er¬
klärt, daß, wenn die Negierung nach Besiegung des Maiaufstandes denselben
Schritt gethan hätte, den sie heute gethan, deu man heute als eiuen ungesetz¬
lichen angreift, Senat und Volt ihr freudig seine Beistimmung und Mitwirkung
hätte zu Theil werden lassen; sondern es wird der Regierung ein ziemlich strenger
Vorwurf daraus gemacht, daß sie es uicht gethan. Es wird ferner erklärt, daß
in diesem Augenblick, wo Kammer und Volk die "rettende That" der
Negierung nachträglich legalisirt hätten -- eine Erfahrung, die wir
dahingestellt sein lassen, da wir als Nichtsachsen weder die Lust noch den Beruf
fühlen, darüber Beobachtungen anzustellen -- man auf den Rechtspunkt nicht
wieder zurückkommen dürfe.

Wir wollen von dem Schwanken dieses Nechtsprincips, das heute für Recht
erklärt, was morgen Unrecht ist, nicht weiter sprechen. Also der Senat hat nicht
aus Nechtsgrüudeu, sondern ans höhern geschiehts-philosophischen gehandelt. Aus
welchen?

Natürlich wird der Verfasser nur für sich selbst Rechenschaft geben können.

Er hat der rettenden That des Ministeriums darum seine Mitwirkung ver¬
sagt, weil er in dem Conflict mit den letzten Kammern, durch welchen sie hervor¬
gerufen sein sollen, nicht auf Seiten der Regierung treten konnte. Namentlich nicht
in ihrem Verhalten zur deutschen Frage.

Welches war dieser Conflict in der deutschen Frage?


Gründen eintreten, so überschritt er seine Befugnisse, und die Negierung war nicht
allein berechtigt, sondern von ihrem Standpunkt aus verpflichtet, ihn durch die
ihr zu Gebot stehenden Mittel in seine Schranken zurückzuweisen Dieses Mittel
hat sie in der That angewendet: sie hat ihn aufgelöst, denn die Suspendirnng
der rennenden Mitglieder ist nichts Anderes als partielle Auflösung.

Auch in diesem Punkt wird der Verfasser durch die Unbestimmtheit seines
Gesichtspunkts verleitet, gegen die Regierung und deren Partei ebenso ungerecht
zu sein, als gegen seine eigene. Wenn die Regierung und ihre Partei in ihrem
Recht, oder, was hier auf dasselbe hinausläuft, wenn sie von ihrem Recht über¬
zeugt war, — und das muß präsumirt werdeu, wenn mau ihr späteres Verfahren
vom Nechtsstandpuukt beurtheilen will, — so durfte sie nicht nur, so mußte
sie den Abgeordneten der Universität so lange zurückweisen, bis er eine recht¬
mäßige Vollmacht einbrachte; jedes andere Verfahren wäre stillschweigendes,
schimpfliches Eingeständnis; von dem Bewußtsein des eigenen Unrechts gewesen.
Es ist daher ganz ungehörig vom Verfasser, wenn er demjenigen Kammermitglied,
welches diesen, in der Natur der Sache und dem Nechtsstandpuukt der Partei
nothwendig begründeten Antrag stellte, Motive unterlegt, die ebenso gehässig sind,
als sie uicht zur Sache gehöre». Aber freilich ist das nur dasselbe Verfahren,
das er gegen sich selbst und seine Partei anwendet.

Aber damit ist die Verwirrung uoch nicht zu Ende. Es wird nicht nur er¬
klärt, daß, wenn die Negierung nach Besiegung des Maiaufstandes denselben
Schritt gethan hätte, den sie heute gethan, deu man heute als eiuen ungesetz¬
lichen angreift, Senat und Volt ihr freudig seine Beistimmung und Mitwirkung
hätte zu Theil werden lassen; sondern es wird der Regierung ein ziemlich strenger
Vorwurf daraus gemacht, daß sie es uicht gethan. Es wird ferner erklärt, daß
in diesem Augenblick, wo Kammer und Volk die „rettende That" der
Negierung nachträglich legalisirt hätten — eine Erfahrung, die wir
dahingestellt sein lassen, da wir als Nichtsachsen weder die Lust noch den Beruf
fühlen, darüber Beobachtungen anzustellen — man auf den Rechtspunkt nicht
wieder zurückkommen dürfe.

Wir wollen von dem Schwanken dieses Nechtsprincips, das heute für Recht
erklärt, was morgen Unrecht ist, nicht weiter sprechen. Also der Senat hat nicht
aus Nechtsgrüudeu, sondern ans höhern geschiehts-philosophischen gehandelt. Aus
welchen?

Natürlich wird der Verfasser nur für sich selbst Rechenschaft geben können.

Er hat der rettenden That des Ministeriums darum seine Mitwirkung ver¬
sagt, weil er in dem Conflict mit den letzten Kammern, durch welchen sie hervor¬
gerufen sein sollen, nicht auf Seiten der Regierung treten konnte. Namentlich nicht
in ihrem Verhalten zur deutschen Frage.

Welches war dieser Conflict in der deutschen Frage?


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[0342] Gründen eintreten, so überschritt er seine Befugnisse, und die Negierung war nicht allein berechtigt, sondern von ihrem Standpunkt aus verpflichtet, ihn durch die ihr zu Gebot stehenden Mittel in seine Schranken zurückzuweisen Dieses Mittel hat sie in der That angewendet: sie hat ihn aufgelöst, denn die Suspendirnng der rennenden Mitglieder ist nichts Anderes als partielle Auflösung. Auch in diesem Punkt wird der Verfasser durch die Unbestimmtheit seines Gesichtspunkts verleitet, gegen die Regierung und deren Partei ebenso ungerecht zu sein, als gegen seine eigene. Wenn die Regierung und ihre Partei in ihrem Recht, oder, was hier auf dasselbe hinausläuft, wenn sie von ihrem Recht über¬ zeugt war, — und das muß präsumirt werdeu, wenn mau ihr späteres Verfahren vom Nechtsstandpuukt beurtheilen will, — so durfte sie nicht nur, so mußte sie den Abgeordneten der Universität so lange zurückweisen, bis er eine recht¬ mäßige Vollmacht einbrachte; jedes andere Verfahren wäre stillschweigendes, schimpfliches Eingeständnis; von dem Bewußtsein des eigenen Unrechts gewesen. Es ist daher ganz ungehörig vom Verfasser, wenn er demjenigen Kammermitglied, welches diesen, in der Natur der Sache und dem Nechtsstandpuukt der Partei nothwendig begründeten Antrag stellte, Motive unterlegt, die ebenso gehässig sind, als sie uicht zur Sache gehöre». Aber freilich ist das nur dasselbe Verfahren, das er gegen sich selbst und seine Partei anwendet. Aber damit ist die Verwirrung uoch nicht zu Ende. Es wird nicht nur er¬ klärt, daß, wenn die Negierung nach Besiegung des Maiaufstandes denselben Schritt gethan hätte, den sie heute gethan, deu man heute als eiuen ungesetz¬ lichen angreift, Senat und Volt ihr freudig seine Beistimmung und Mitwirkung hätte zu Theil werden lassen; sondern es wird der Regierung ein ziemlich strenger Vorwurf daraus gemacht, daß sie es uicht gethan. Es wird ferner erklärt, daß in diesem Augenblick, wo Kammer und Volk die „rettende That" der Negierung nachträglich legalisirt hätten — eine Erfahrung, die wir dahingestellt sein lassen, da wir als Nichtsachsen weder die Lust noch den Beruf fühlen, darüber Beobachtungen anzustellen — man auf den Rechtspunkt nicht wieder zurückkommen dürfe. Wir wollen von dem Schwanken dieses Nechtsprincips, das heute für Recht erklärt, was morgen Unrecht ist, nicht weiter sprechen. Also der Senat hat nicht aus Nechtsgrüudeu, sondern ans höhern geschiehts-philosophischen gehandelt. Aus welchen? Natürlich wird der Verfasser nur für sich selbst Rechenschaft geben können. Er hat der rettenden That des Ministeriums darum seine Mitwirkung ver¬ sagt, weil er in dem Conflict mit den letzten Kammern, durch welchen sie hervor¬ gerufen sein sollen, nicht auf Seiten der Regierung treten konnte. Namentlich nicht in ihrem Verhalten zur deutschen Frage. Welches war dieser Conflict in der deutschen Frage?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/342>, abgerufen am 16.06.2024.