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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Talente statt im teppichbelegten Salon ans der hartgepflasterten Heerstraße des
Lebens verwerthen zu müssen, und wohl ihm, daß er die Kraft und die Fähigkeit
dazu besitzt. Er bekleidet jetzt einen Jngenienrposten auf der Eisenbahn zwischen
Metz und Straßbnrg. -- Dr. Schöps-Merey, der Gründer der Kinderspitäler
in Ungarn, lebt in Edinburg. Obrist Szabo ging nach kurzem Aufenthalte in
London nach Paris, und Alexander Lneacs, zur Zeit des ungarischen Krieges
Chef des Kommissariats, wanderte mit seiner jungen Frau uach Amerika/) --

Von all den ungarischen Revolutionsmännern war Lucacs einer der wenigen,
welche diesen Namen verdienten. Er war trotz seiner Jugend einer der härtesten,
entschlossensten Köpfe; während Tausende noch mit der Revolution wie mit einer
drohenden Maske spielten, die man wegwerfen könne, wenn sie unbequem oder
gefährlich wird, erfaßte er von Anfang an die Wichtigkeit der Bewegung in ihrer
ganzen furchtbaren Größe. Ihm war alles Handeln zu wenig ganz, keine Ma߬
regel durchgreifend genug; er wollte der Revolution jedes, auch noch so verzwei¬
felte Mittel gestattet wissen; er, der kleine schmächtige Mann, wäre vor der Rolle
eines Robespierre nicht zurückgeschreckt, wenn er sie für ersprießlich gehalten und
den Standpunkt für sie eingenommen hätte. Und daß er nicht blos streng in
der Theorie gewesen, das hat er währeud seiner Leitung des Commissariats ge¬
nügend bewiesen. Dabei können ihm seine erbittertsten Feinde den Ruhm antiker
Unbestechlichkeit uicht absprechen. Millionen wanderten durch seine Hände; er aber
hatte aus Ungarn nur eine unbedeutende Baarschaft und die Liebe eines Mädchens
mitgenommen, das ihm in die Verbannung folgte. Er wollte sich mit Ujhazy in
Amerika ansiedeln; bis jetzt sind seine Freunde ohne Nachricht von ihm. --

Werfen wir nun einen Blick auf den militärischen Theil der Emigration in
England, so finden wir außer dem General Vetter, dem Obristen Kemenyi und
Kaszonyi, wohl noch mehrere Officiere hier, aber keinen von genügender Bedeu¬
tung, um seiner Erwähnung zu thun. Klapka fand sich trotz der glänzendsten
Aufnahme nicht recht heimisch in London; er bildet mit den Generalen Vetter,
Csecz und Gai sartor gewissermaßen das vierblättrige Kleeblatt der geretteten
ungarischen Heerführer in Westeuropa, nährend die Anderen im Osten blieben,
und noch kein Anderer sich entschlossen hat, nach Amerika auszuwandern, bis viel¬
leicht Kossuth nach seiner Freilassung dazu die Anregung gibt. --" General Vetter
war einer der Letzten in Ungarn; neun Monate blieb er im Lande versteckt, bis
es ihm gelang, die Grenze zu überschreiten und den Nachspürungen der Oese
reicher zu entfliehen, die ihn um so weniger geschont haben würden, je mehr sie
seinem Feldherrntalente Gerechtigkeit widerfahren lassen mußten*). -- Das wäre




*) Es ist nicht gesagt -- wir bitten, dies zu bemerken -- daß alle die Genannten die
D. Eins. Hülfe dcL Comitvö in Anspruch nahmen.
*) Wir verweisen ans die Geschichte deS ungarischen Feldzuges, in neuester Zeit vom
Generalstabe Haynau'S zusammengestellt.

Talente statt im teppichbelegten Salon ans der hartgepflasterten Heerstraße des
Lebens verwerthen zu müssen, und wohl ihm, daß er die Kraft und die Fähigkeit
dazu besitzt. Er bekleidet jetzt einen Jngenienrposten auf der Eisenbahn zwischen
Metz und Straßbnrg. — Dr. Schöps-Merey, der Gründer der Kinderspitäler
in Ungarn, lebt in Edinburg. Obrist Szabo ging nach kurzem Aufenthalte in
London nach Paris, und Alexander Lneacs, zur Zeit des ungarischen Krieges
Chef des Kommissariats, wanderte mit seiner jungen Frau uach Amerika/) —

Von all den ungarischen Revolutionsmännern war Lucacs einer der wenigen,
welche diesen Namen verdienten. Er war trotz seiner Jugend einer der härtesten,
entschlossensten Köpfe; während Tausende noch mit der Revolution wie mit einer
drohenden Maske spielten, die man wegwerfen könne, wenn sie unbequem oder
gefährlich wird, erfaßte er von Anfang an die Wichtigkeit der Bewegung in ihrer
ganzen furchtbaren Größe. Ihm war alles Handeln zu wenig ganz, keine Ma߬
regel durchgreifend genug; er wollte der Revolution jedes, auch noch so verzwei¬
felte Mittel gestattet wissen; er, der kleine schmächtige Mann, wäre vor der Rolle
eines Robespierre nicht zurückgeschreckt, wenn er sie für ersprießlich gehalten und
den Standpunkt für sie eingenommen hätte. Und daß er nicht blos streng in
der Theorie gewesen, das hat er währeud seiner Leitung des Commissariats ge¬
nügend bewiesen. Dabei können ihm seine erbittertsten Feinde den Ruhm antiker
Unbestechlichkeit uicht absprechen. Millionen wanderten durch seine Hände; er aber
hatte aus Ungarn nur eine unbedeutende Baarschaft und die Liebe eines Mädchens
mitgenommen, das ihm in die Verbannung folgte. Er wollte sich mit Ujhazy in
Amerika ansiedeln; bis jetzt sind seine Freunde ohne Nachricht von ihm. —

Werfen wir nun einen Blick auf den militärischen Theil der Emigration in
England, so finden wir außer dem General Vetter, dem Obristen Kemenyi und
Kaszonyi, wohl noch mehrere Officiere hier, aber keinen von genügender Bedeu¬
tung, um seiner Erwähnung zu thun. Klapka fand sich trotz der glänzendsten
Aufnahme nicht recht heimisch in London; er bildet mit den Generalen Vetter,
Csecz und Gai sartor gewissermaßen das vierblättrige Kleeblatt der geretteten
ungarischen Heerführer in Westeuropa, nährend die Anderen im Osten blieben,
und noch kein Anderer sich entschlossen hat, nach Amerika auszuwandern, bis viel¬
leicht Kossuth nach seiner Freilassung dazu die Anregung gibt. —» General Vetter
war einer der Letzten in Ungarn; neun Monate blieb er im Lande versteckt, bis
es ihm gelang, die Grenze zu überschreiten und den Nachspürungen der Oese
reicher zu entfliehen, die ihn um so weniger geschont haben würden, je mehr sie
seinem Feldherrntalente Gerechtigkeit widerfahren lassen mußten*). — Das wäre




*) Es ist nicht gesagt — wir bitten, dies zu bemerken — daß alle die Genannten die
D. Eins. Hülfe dcL Comitvö in Anspruch nahmen.
*) Wir verweisen ans die Geschichte deS ungarischen Feldzuges, in neuester Zeit vom
Generalstabe Haynau'S zusammengestellt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/397>, abgerufen am 16.06.2024.