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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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ein Name, der auf die ungarischen Regimenter im östreichischen Heere magnetisch
wirken würde, wenn er in der Offieiersliste Preußens figurirte. Vetter und Klapka
als Generale in preußischem Dienste, das wäre das ,Maul, XosLutli", das Friedrich
Wilhelm IV. ausrufen müßte, wenn er den kaiserlichen Adler um einen Kopf
kürzer macheu wollte. Dem Rufe dieser beideu Generale würden die magyarischen
Regimenter folgen, dem Rufe eines deutschen Fürsten nicht ein einziger Mann.

Obrist Baron Kemenyi war, uach Bem's eigenem Geständnisse, der Mann,
der ihm im gefahrdrohendsten Augenblicke Siebenbürgen erhalten hatte. Es war
bei der bekannten Schlacht von Piski. Bem's Heer war auf der Flucht von
Hermaustadt und an der Piskibrücke gab er Kemeuyi, der deu Nachtrab comman-
dirte, die Weisung, die Brücke um jeden Preis zu halten. "Brücke verloren,"
hatte der Pole zum Obristen gesagt, "Siebenbürgen verloren," und Kemenyi hielt
die Piskibrücke mit 12W Mann gegen den übermächtigen Feind, und Sieben¬
bürgen ward zum zweite" Mal gewonnen. Der Obrist hieß in ganz Ungarn
seit jenem Tage der Held von Piski, und es dürfte hier vielleicht am Platze
sein, eine Episode jener merkwürdigen Schlacht zu skizziren, wie hier der Held
des Tages selber berichtet, zum Gegensatz von all den verschiedenen Erzählungen,
wie wir sie in den bis jetzt veröffentlichten Werken über den ungarischen Krieg
vorfinden. -- "Der Kampf, -- so erzählt Baron Kemenyi -- wüthete mit Hef¬
tigkeit, als man mir die Meldung machte, ein Bataillon polnischer Infanterie
wehe mit weißen Tüchern als Zeichen der Freundschaft. Ich hatte gegen diesen
Flügel eine Sechspfünderbatterie aufführe" lassen, gab aber augenblicklich deu
Befehl, uicht zu feuern, denu der alte Herr hatte gesagt: ,,Wenn Polen geben
Seichen von Uebergabe, dann meinen sie ehrlich, dann tun Sie nicht hießen,
Herr Obers, gewiß, dann hießen Sie nicht." Ich ritt sogleich zum polnischen
Bataillon hin; sie machten Gewehr bei Fuß und frugen, wo General Bem sei.
Zufällig weiß ich etwas polnisch und glaubte nichts Klügeres thun zu tonnen,
als indem ich ihnen in ihrer Muttersprache zurief: Ich bin Bem. Aber im Nil
griffen ein Unterofficier und ein Paar Gemeine in die Zügel meines Pferdes
und erklärten, ich sei ihr Gefangener. Zum Glück standen meine Leute uicht
weit, Bem war bereits mit seinen gesammelten Truppen auf dem Schlachtfeld
angekommen; ich benutzte das Gedränge, das bald ans dieser Seite furchtbar
wurde, und entkam glücklich mit dem Pferde. Die Siokowich,' auf die wir nicht
"hießen" sollten, haben sich aber bei Piski und überall am besten gegen uus ge¬
schlagen." -- So weit die Erzählung des alten Obersten. Im Oestreichischen
wurde zur Zeit Aehnliches, nur mit verwechselten Rollen, erzählt, aber es ist hier
nicht der Ort, auf jene Schlachtendetailö näher einzugehen. Baron Kemenyi
lebt jetzt bei Mr. Pag et, seinem Verwandten (Mrs. Pagel, eine geborne Was-
salenyi ist seine Cousine), dem Verfasser des berühmten Reisewerkes "IIunAcu-in
Alla 'Q'in^lvimia", der vor Jahren von England nach Ungarn übersiedelte, dort


ein Name, der auf die ungarischen Regimenter im östreichischen Heere magnetisch
wirken würde, wenn er in der Offieiersliste Preußens figurirte. Vetter und Klapka
als Generale in preußischem Dienste, das wäre das ,Maul, XosLutli", das Friedrich
Wilhelm IV. ausrufen müßte, wenn er den kaiserlichen Adler um einen Kopf
kürzer macheu wollte. Dem Rufe dieser beideu Generale würden die magyarischen
Regimenter folgen, dem Rufe eines deutschen Fürsten nicht ein einziger Mann.

Obrist Baron Kemenyi war, uach Bem's eigenem Geständnisse, der Mann,
der ihm im gefahrdrohendsten Augenblicke Siebenbürgen erhalten hatte. Es war
bei der bekannten Schlacht von Piski. Bem's Heer war auf der Flucht von
Hermaustadt und an der Piskibrücke gab er Kemeuyi, der deu Nachtrab comman-
dirte, die Weisung, die Brücke um jeden Preis zu halten. „Brücke verloren,"
hatte der Pole zum Obristen gesagt, „Siebenbürgen verloren," und Kemenyi hielt
die Piskibrücke mit 12W Mann gegen den übermächtigen Feind, und Sieben¬
bürgen ward zum zweite» Mal gewonnen. Der Obrist hieß in ganz Ungarn
seit jenem Tage der Held von Piski, und es dürfte hier vielleicht am Platze
sein, eine Episode jener merkwürdigen Schlacht zu skizziren, wie hier der Held
des Tages selber berichtet, zum Gegensatz von all den verschiedenen Erzählungen,
wie wir sie in den bis jetzt veröffentlichten Werken über den ungarischen Krieg
vorfinden. — „Der Kampf, — so erzählt Baron Kemenyi — wüthete mit Hef¬
tigkeit, als man mir die Meldung machte, ein Bataillon polnischer Infanterie
wehe mit weißen Tüchern als Zeichen der Freundschaft. Ich hatte gegen diesen
Flügel eine Sechspfünderbatterie aufführe« lassen, gab aber augenblicklich deu
Befehl, uicht zu feuern, denu der alte Herr hatte gesagt: ,,Wenn Polen geben
Seichen von Uebergabe, dann meinen sie ehrlich, dann tun Sie nicht hießen,
Herr Obers, gewiß, dann hießen Sie nicht." Ich ritt sogleich zum polnischen
Bataillon hin; sie machten Gewehr bei Fuß und frugen, wo General Bem sei.
Zufällig weiß ich etwas polnisch und glaubte nichts Klügeres thun zu tonnen,
als indem ich ihnen in ihrer Muttersprache zurief: Ich bin Bem. Aber im Nil
griffen ein Unterofficier und ein Paar Gemeine in die Zügel meines Pferdes
und erklärten, ich sei ihr Gefangener. Zum Glück standen meine Leute uicht
weit, Bem war bereits mit seinen gesammelten Truppen auf dem Schlachtfeld
angekommen; ich benutzte das Gedränge, das bald ans dieser Seite furchtbar
wurde, und entkam glücklich mit dem Pferde. Die Siokowich,' auf die wir nicht
„hießen" sollten, haben sich aber bei Piski und überall am besten gegen uus ge¬
schlagen." — So weit die Erzählung des alten Obersten. Im Oestreichischen
wurde zur Zeit Aehnliches, nur mit verwechselten Rollen, erzählt, aber es ist hier
nicht der Ort, auf jene Schlachtendetailö näher einzugehen. Baron Kemenyi
lebt jetzt bei Mr. Pag et, seinem Verwandten (Mrs. Pagel, eine geborne Was-
salenyi ist seine Cousine), dem Verfasser des berühmten Reisewerkes „IIunAcu-in
Alla 'Q'in^lvimia", der vor Jahren von England nach Ungarn übersiedelte, dort


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[0398] ein Name, der auf die ungarischen Regimenter im östreichischen Heere magnetisch wirken würde, wenn er in der Offieiersliste Preußens figurirte. Vetter und Klapka als Generale in preußischem Dienste, das wäre das ,Maul, XosLutli", das Friedrich Wilhelm IV. ausrufen müßte, wenn er den kaiserlichen Adler um einen Kopf kürzer macheu wollte. Dem Rufe dieser beideu Generale würden die magyarischen Regimenter folgen, dem Rufe eines deutschen Fürsten nicht ein einziger Mann. Obrist Baron Kemenyi war, uach Bem's eigenem Geständnisse, der Mann, der ihm im gefahrdrohendsten Augenblicke Siebenbürgen erhalten hatte. Es war bei der bekannten Schlacht von Piski. Bem's Heer war auf der Flucht von Hermaustadt und an der Piskibrücke gab er Kemeuyi, der deu Nachtrab comman- dirte, die Weisung, die Brücke um jeden Preis zu halten. „Brücke verloren," hatte der Pole zum Obristen gesagt, „Siebenbürgen verloren," und Kemenyi hielt die Piskibrücke mit 12W Mann gegen den übermächtigen Feind, und Sieben¬ bürgen ward zum zweite» Mal gewonnen. Der Obrist hieß in ganz Ungarn seit jenem Tage der Held von Piski, und es dürfte hier vielleicht am Platze sein, eine Episode jener merkwürdigen Schlacht zu skizziren, wie hier der Held des Tages selber berichtet, zum Gegensatz von all den verschiedenen Erzählungen, wie wir sie in den bis jetzt veröffentlichten Werken über den ungarischen Krieg vorfinden. — „Der Kampf, — so erzählt Baron Kemenyi — wüthete mit Hef¬ tigkeit, als man mir die Meldung machte, ein Bataillon polnischer Infanterie wehe mit weißen Tüchern als Zeichen der Freundschaft. Ich hatte gegen diesen Flügel eine Sechspfünderbatterie aufführe« lassen, gab aber augenblicklich deu Befehl, uicht zu feuern, denu der alte Herr hatte gesagt: ,,Wenn Polen geben Seichen von Uebergabe, dann meinen sie ehrlich, dann tun Sie nicht hießen, Herr Obers, gewiß, dann hießen Sie nicht." Ich ritt sogleich zum polnischen Bataillon hin; sie machten Gewehr bei Fuß und frugen, wo General Bem sei. Zufällig weiß ich etwas polnisch und glaubte nichts Klügeres thun zu tonnen, als indem ich ihnen in ihrer Muttersprache zurief: Ich bin Bem. Aber im Nil griffen ein Unterofficier und ein Paar Gemeine in die Zügel meines Pferdes und erklärten, ich sei ihr Gefangener. Zum Glück standen meine Leute uicht weit, Bem war bereits mit seinen gesammelten Truppen auf dem Schlachtfeld angekommen; ich benutzte das Gedränge, das bald ans dieser Seite furchtbar wurde, und entkam glücklich mit dem Pferde. Die Siokowich,' auf die wir nicht „hießen" sollten, haben sich aber bei Piski und überall am besten gegen uus ge¬ schlagen." — So weit die Erzählung des alten Obersten. Im Oestreichischen wurde zur Zeit Aehnliches, nur mit verwechselten Rollen, erzählt, aber es ist hier nicht der Ort, auf jene Schlachtendetailö näher einzugehen. Baron Kemenyi lebt jetzt bei Mr. Pag et, seinem Verwandten (Mrs. Pagel, eine geborne Was- salenyi ist seine Cousine), dem Verfasser des berühmten Reisewerkes „IIunAcu-in Alla 'Q'in^lvimia", der vor Jahren von England nach Ungarn übersiedelte, dort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/398>, abgerufen am 23.05.2024.