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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Geliebten lind der Schuld seines Oheims. Bei seinem Eintritt stirbt die Hexe
Vor Schreck, und zwischen den beiden Liebenden findet Verständigung statt. --
Dritter Act. Die Mörder vermuthen, daß Amleth seine Mutter besuchen wird;
sie wollen ihn belauschen, und zwar soll sich Wisil (Polonius) in die hohle Rü¬
stung stecken, welche die Statue des Todten vorstellt. Der König bekommt einige
philosophisch-mystische Anwandlungen. Ans dem Schloßhof hält Amleth wieder
einige halb wahnsinnige Reden an das Volk, deren Zweck man nicht recht ab¬
sieht, und begiebt sich dann zu seiner Mutter, die durch Sigrid vollständig von
der Sachlage unterrichtet ist, und natürlich ganz auf ihres Sohnes Seite steht.
Ebenso ist Amleth in Kenntniß gesetzt, daß ein Verräther in der Rüstung steckt,
er findet Gelegenheit, sie zu durchbohren, wird durch den eintretenden König ver¬
haftet, und wirft nnn völlig die Maske ab, indem er sich in den heftigsten Jnvac-
tiven gegen deu Brudermörder ergeht. Ebenso Geruthe. Da der König es
uicht sür rathsam hält, ihn hinrichten zu lassen, so schickt er ihn an einen Va¬
sallen -- nicht mit einem Brief, sondern einem Stab, aus welchem gebundene
Runen eingeschnitten find, die den Befehl enthalten, Amleth zu hängen. -- Vier¬
ter Act. Der Hof dieses Vasallen (Hadding), der als finsterer Wüthrich sehr
gut charakterisirt wird. Ankunft des gefangenen Amleth mit seiner Wache. Der
Runenstab nützt nichts, da Hadding nicht lesen kann, die Andern mögen es ihm
nicht entziffern, bis sich endlich Amleth selbst dazu hergiebt. Hadding ist nach
einigem Bedenken auch schou entschlossen, ihn hängen zu lassen, als sich -- von
Amleth weder angestiftet uoch vorhergehen -- ein Aufstand erhebt: der Tyrann
wird erschlagen, Amleth will sich in einem Sarge zu Fengo tragen lassen, um ihn
dort unversehens zu überfallen. -- Fünfter Act. Fengo macht mit der ausge¬
stopften Rüstung Experimente; einmal, als das Mondlicht darauf fällt, verwandelt
sie sich für einen Augenblick in einen Geist, und eine hohle Stimme verkündet
dem Brudermörder den Tod. -- Die angebliche Leiche Amleths wird gebracht; schon
ehe Amleth ans dem Sarg aufsteigt, erküren die sämmtlichen Ritter, daß Fengo
sterben muß; Amleth sührt dieses Urtheil aus, indem er ihn im ZweiÜimpf erlegt.
Draußen schießt eine Sternschnuppe vorbei -- es ist der erlöste Geist seines
Vaters, der, durch den Sohn gerächt, zur Ruhe geht.

Wenn in dem ganzen Stück Oehlenschläger sich bemüht hat, Amleth zu einem
Helden und vernünftigen Menschen zu machen und das düstere Chaos der Einfalle,
denen wir Hamlet bei Shakespeare unterliegen sehen, zu erleuchten, so ist ihm
das nicht gelungen. Was Amleth thut, ist doch zweckwidrig, so pragmatisch es
anch immer motivirt wird, und der günstige Erfolg ist nicht sein Werk: er ist
uicht That, sondern Ereigniß. --

Das dritte Stück: Dina, ein Trauerspiel, ist sehr reich an charakteristischen
Momenten. Es stehen sich zwei gewaltige- Naturen gegenüber, die beide aus
ihrer Sphäre treten: Dina, ein Mädchen aus dem Volte, ein durch Studien


Geliebten lind der Schuld seines Oheims. Bei seinem Eintritt stirbt die Hexe
Vor Schreck, und zwischen den beiden Liebenden findet Verständigung statt. —
Dritter Act. Die Mörder vermuthen, daß Amleth seine Mutter besuchen wird;
sie wollen ihn belauschen, und zwar soll sich Wisil (Polonius) in die hohle Rü¬
stung stecken, welche die Statue des Todten vorstellt. Der König bekommt einige
philosophisch-mystische Anwandlungen. Ans dem Schloßhof hält Amleth wieder
einige halb wahnsinnige Reden an das Volk, deren Zweck man nicht recht ab¬
sieht, und begiebt sich dann zu seiner Mutter, die durch Sigrid vollständig von
der Sachlage unterrichtet ist, und natürlich ganz auf ihres Sohnes Seite steht.
Ebenso ist Amleth in Kenntniß gesetzt, daß ein Verräther in der Rüstung steckt,
er findet Gelegenheit, sie zu durchbohren, wird durch den eintretenden König ver¬
haftet, und wirft nnn völlig die Maske ab, indem er sich in den heftigsten Jnvac-
tiven gegen deu Brudermörder ergeht. Ebenso Geruthe. Da der König es
uicht sür rathsam hält, ihn hinrichten zu lassen, so schickt er ihn an einen Va¬
sallen — nicht mit einem Brief, sondern einem Stab, aus welchem gebundene
Runen eingeschnitten find, die den Befehl enthalten, Amleth zu hängen. — Vier¬
ter Act. Der Hof dieses Vasallen (Hadding), der als finsterer Wüthrich sehr
gut charakterisirt wird. Ankunft des gefangenen Amleth mit seiner Wache. Der
Runenstab nützt nichts, da Hadding nicht lesen kann, die Andern mögen es ihm
nicht entziffern, bis sich endlich Amleth selbst dazu hergiebt. Hadding ist nach
einigem Bedenken auch schou entschlossen, ihn hängen zu lassen, als sich — von
Amleth weder angestiftet uoch vorhergehen — ein Aufstand erhebt: der Tyrann
wird erschlagen, Amleth will sich in einem Sarge zu Fengo tragen lassen, um ihn
dort unversehens zu überfallen. — Fünfter Act. Fengo macht mit der ausge¬
stopften Rüstung Experimente; einmal, als das Mondlicht darauf fällt, verwandelt
sie sich für einen Augenblick in einen Geist, und eine hohle Stimme verkündet
dem Brudermörder den Tod. — Die angebliche Leiche Amleths wird gebracht; schon
ehe Amleth ans dem Sarg aufsteigt, erküren die sämmtlichen Ritter, daß Fengo
sterben muß; Amleth sührt dieses Urtheil aus, indem er ihn im ZweiÜimpf erlegt.
Draußen schießt eine Sternschnuppe vorbei — es ist der erlöste Geist seines
Vaters, der, durch den Sohn gerächt, zur Ruhe geht.

Wenn in dem ganzen Stück Oehlenschläger sich bemüht hat, Amleth zu einem
Helden und vernünftigen Menschen zu machen und das düstere Chaos der Einfalle,
denen wir Hamlet bei Shakespeare unterliegen sehen, zu erleuchten, so ist ihm
das nicht gelungen. Was Amleth thut, ist doch zweckwidrig, so pragmatisch es
anch immer motivirt wird, und der günstige Erfolg ist nicht sein Werk: er ist
uicht That, sondern Ereigniß. —

Das dritte Stück: Dina, ein Trauerspiel, ist sehr reich an charakteristischen
Momenten. Es stehen sich zwei gewaltige- Naturen gegenüber, die beide aus
ihrer Sphäre treten: Dina, ein Mädchen aus dem Volte, ein durch Studien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/77>, abgerufen am 15.06.2024.