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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Ihr Heuchler, und wenn Ihr nicht anders könnt, Ihr Stümper, aber gebt sie
uns ganz, wie sie war, mit ihrer naiven Unwissenheit, ihren gemüthlichen Illu¬
sionen und ihren klangvollen Zwanzigern! So lang' Euch das nicht gelungen,
mögt Ihr im Herzen an den Sieg Eurer Restauration glauben; wir glauben
nicht daran!

Wenn der Reisende in die Berge flieht, um die Noth der schweren Zeit zu.
vergessen, was frommt es ihm? So oft er ein Glas Milch oder Wein bezahlen
will, erinnert ihn die künstliche Rechnerei an die Verwirrung, die in Wien herrscht;
er sieht dann im Geiste die langen Gesichter, mit denen die Priester des goldnen
Kalbes in der Grünangergasse die Wand im Börsenkaffeehaus anstarren oder die
Rückseite des Zeitungsblattes, wo in täglich wechselnden Chiffern die grimme
BelsalM-Schrift: Gold 27Z-, Silber 22z u. s> w. erscheint. Der harmloseste
Wanderer in den fernsten Gebirgsthälern fühlt jeden Ruck und Stoß der mühse¬
ligen Finanzbewegung Oestreichs nach, und es ist schlimm, daß die allgemeine
Klemme den ärmeren Theil der Gesellschaft härter trifft, als den reichern.

In den meisten Gegenden des Oberlandes, an der tyrolischen Grenze so gut,
wie an der bairischen, im Weichbilde von Salzburg, wie im Badeort Gastein, ist
nur bairisches Geld im Umlauf; stellenweise bekommt man keinen östreichischen
Groschen zu sehen und die Leute betrachten die "Zips"*) mit sehr übelgesinnten
Augen. ,,S' is a Ruh -- s' is a Ruh, Schreibens, und doch lauter Zipf!" hörte
ich Viele murren. So kommt es^ daß man in Oestreich selbst am östreichischen
Papiergelde gegen die umlaufenden bairischen Kreuzerstücke verliert. Es gibt aber
sogar ein östreichisches Baargeld, welches hie und da kaum vom Bettler angenom¬
men wird; große, schwere, blanke Kupfermünzen, mit ehrwürdigen vormärzlichen
Jahreszahlen darauf, mit dem vielnamigen Titel des Dei Kiati-t Kaisers, Königs,
Erzherzogs, Markgrafen ze. sämmtlicher Erdtaube, rund um den Rand geprägt
und dem Bildniß des Kaisers Franz auf der Rückseite; -- in Böhmen, Mähren,
Polen, Ungarn, Oestreich u. s. w. zahlt man oft anständige kleine Summen in
diesem Gelde aus, hier in vielen Winkeln des Oberlandes könnt Ihr alle Taschen
damit beschwert haben und Ihr kauft keinen Apfel dafür.

Es send Denkmünze", an die sich eine traurige historische Erinnerung knüpft.
Der Nennwerth ist ans den größeren Stücken mit: 30, auf den kleineren mit:
15 angegeben. Vor dem Erscheinen des Finanzpatents im Jahre 1811 galten
jene dreißig, diese fünfzehn Kupferkreuzer; sie waren vom Staate zu diesem Preis
ausgegeben worden. Er bezahlte aber seitdem nur sechs und drei dafür.
Ueber Nacht wurden ". 1811 Hunderttausende zu Bettlern; wer seine Baarschaft
nicht in Gold oder Silber besaß, sondern in Banknoten, behielt nicht mehr als



*) Zipfel; das abgerissene Biertheil eines östreichischen Guldenzettels, 15 Kr. im Werth,
Grenzboten. >. 1350. 14

Ihr Heuchler, und wenn Ihr nicht anders könnt, Ihr Stümper, aber gebt sie
uns ganz, wie sie war, mit ihrer naiven Unwissenheit, ihren gemüthlichen Illu¬
sionen und ihren klangvollen Zwanzigern! So lang' Euch das nicht gelungen,
mögt Ihr im Herzen an den Sieg Eurer Restauration glauben; wir glauben
nicht daran!

Wenn der Reisende in die Berge flieht, um die Noth der schweren Zeit zu.
vergessen, was frommt es ihm? So oft er ein Glas Milch oder Wein bezahlen
will, erinnert ihn die künstliche Rechnerei an die Verwirrung, die in Wien herrscht;
er sieht dann im Geiste die langen Gesichter, mit denen die Priester des goldnen
Kalbes in der Grünangergasse die Wand im Börsenkaffeehaus anstarren oder die
Rückseite des Zeitungsblattes, wo in täglich wechselnden Chiffern die grimme
BelsalM-Schrift: Gold 27Z-, Silber 22z u. s> w. erscheint. Der harmloseste
Wanderer in den fernsten Gebirgsthälern fühlt jeden Ruck und Stoß der mühse¬
ligen Finanzbewegung Oestreichs nach, und es ist schlimm, daß die allgemeine
Klemme den ärmeren Theil der Gesellschaft härter trifft, als den reichern.

In den meisten Gegenden des Oberlandes, an der tyrolischen Grenze so gut,
wie an der bairischen, im Weichbilde von Salzburg, wie im Badeort Gastein, ist
nur bairisches Geld im Umlauf; stellenweise bekommt man keinen östreichischen
Groschen zu sehen und die Leute betrachten die „Zips"*) mit sehr übelgesinnten
Augen. ,,S' is a Ruh — s' is a Ruh, Schreibens, und doch lauter Zipf!" hörte
ich Viele murren. So kommt es^ daß man in Oestreich selbst am östreichischen
Papiergelde gegen die umlaufenden bairischen Kreuzerstücke verliert. Es gibt aber
sogar ein östreichisches Baargeld, welches hie und da kaum vom Bettler angenom¬
men wird; große, schwere, blanke Kupfermünzen, mit ehrwürdigen vormärzlichen
Jahreszahlen darauf, mit dem vielnamigen Titel des Dei Kiati-t Kaisers, Königs,
Erzherzogs, Markgrafen ze. sämmtlicher Erdtaube, rund um den Rand geprägt
und dem Bildniß des Kaisers Franz auf der Rückseite; — in Böhmen, Mähren,
Polen, Ungarn, Oestreich u. s. w. zahlt man oft anständige kleine Summen in
diesem Gelde aus, hier in vielen Winkeln des Oberlandes könnt Ihr alle Taschen
damit beschwert haben und Ihr kauft keinen Apfel dafür.

Es send Denkmünze», an die sich eine traurige historische Erinnerung knüpft.
Der Nennwerth ist ans den größeren Stücken mit: 30, auf den kleineren mit:
15 angegeben. Vor dem Erscheinen des Finanzpatents im Jahre 1811 galten
jene dreißig, diese fünfzehn Kupferkreuzer; sie waren vom Staate zu diesem Preis
ausgegeben worden. Er bezahlte aber seitdem nur sechs und drei dafür.
Ueber Nacht wurden ». 1811 Hunderttausende zu Bettlern; wer seine Baarschaft
nicht in Gold oder Silber besaß, sondern in Banknoten, behielt nicht mehr als



*) Zipfel; das abgerissene Biertheil eines östreichischen Guldenzettels, 15 Kr. im Werth,
Grenzboten. >. 1350. 14
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/113>, abgerufen am 22.05.2024.