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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Kosten erforderte. Es wurden so eine Menge hübscher Zimmerverziernngen her¬
vorgebracht, wobei man nur die Bemerkung machte, daß sie den Besitzern nach
einiger Zeit gleichgiltig und vielleicht gar in die Rumpelkammer geworfen wurden.
Man sah daran, wie leicht Geschöpfe der Mode abgenutzt werden. Dies forderte
zur vorsichtigen Auswahl der Gegenstände auf; und in der That lehrt die Ver^
gleichnng der in den früheren Jahren ausgegebenen Vcreinsblätter mit den neueren
und neuesten, daß dieselben meistens nicht blos einen höheren Grad technischer
Ausführung, sondern auch einen höheren Compositivnswerth an den Tag legen.
Allein das wahre Ziel der ganzen Maßregel, Verbreitung der besten, an Geist
und Gefühl reichsten künstlerischen Composttionen unserer Zeit ist noch lange nicht
erreicht, weil man bei schwankenden eigenen Grundsätzen viel zu sehr den Ach's!
und O's! flüchtiger Bewunderung aus dem Munde der neugierigen Besucher der
Ausstellungen nachgab. Gerade bei dieser Maßregel sollte man weniger mit dem
Strom schwimmen und bedenken, daß wenn man eben das Mittelmäßige als das
Bequemste durch die vorhandenen Mittel vervielfältigt, man eben auch dem Sinn
für die Mittelmäßigkeit in immer weiteren Kreisen Vorschub leistet. Geistvolle
Compositionen sollte man in Umrissen, aber diese in der gediegensten Weise
verbreiten, dies würde den FormsiuN verbreiten, wecken und nähren, während
man durch leidliche Wiedergebung des pittoresken Effects nur das Urtheil besticht
und von dem Inhalte ablenkt. Andererseits würde die durch die Rivalität ver¬
schiedener Manieren jetzt so sehr beeinträchtigte Kupferstechkunst, deren Blüthe in
den alten Meisterschulen wohl den Neid unserer Zeit erwecken sollte, ihren beson¬
dern Schutz fordern. Die Ueberschwemmung mit kalten marklosen Stahlstichen ist
doch einmal kein ächter Gewinn für die Kunst.

Noch mancher.Zweig der Thätigkeit der Kunstvereine, als die hier und da
mit Erfolg betriebene Erhaltung vaterländischer Knnstalterthümer, die Bildung
von Stipendien für angehende Talente und Anderes wäre hier zu nennen, wenn
nicht diese Richtungen der Thätigkeit vereinzelt dastünden, und nicht vorzüglich
die allen Vereinen gemeinsamen unsere Aufmerksamkeit verdienten. Es wird aus
dem in gedrängter Uebersicht bisher gegebenen Stoffe austchtlich geworden sein,
daß die Gesammtwirksamkeit der Vereine ein bedeutendes culturhistorisches Moment
bildet. Gesetzt, alle Vereine stellten plötzlich ihre Wirksamkeit ein, es würde dar¬
aus der jetzt lebenden und schaffenden Künstlerschaft ein durch nichts zu ersetzender
Nachtheil erwachsen; mithin ist der in unzähligen Recensionen stets wiederkehrende
Spott und Tadel, der über die Kunstvereine oft von talentlosen oder faulen Künst¬
lern, oft vou federfertigen Leuten, denen es nur um Schreiberei, nicht um Errei¬
chung und Begründung eines sachgemäßen Urtheils zu thun ist, ausgegossen wird,
es ist derselbe, sagen wir, mindestens ein Zeichen von Unkenntniß der kunstge-
schichtlichen Zustände. So viele Mißgriffe vorliegen mögen, den Sinn für bil¬
dende Kunst haben die Vereine unleugbar allgemeiner gemacht, als er es noch


Kosten erforderte. Es wurden so eine Menge hübscher Zimmerverziernngen her¬
vorgebracht, wobei man nur die Bemerkung machte, daß sie den Besitzern nach
einiger Zeit gleichgiltig und vielleicht gar in die Rumpelkammer geworfen wurden.
Man sah daran, wie leicht Geschöpfe der Mode abgenutzt werden. Dies forderte
zur vorsichtigen Auswahl der Gegenstände auf; und in der That lehrt die Ver^
gleichnng der in den früheren Jahren ausgegebenen Vcreinsblätter mit den neueren
und neuesten, daß dieselben meistens nicht blos einen höheren Grad technischer
Ausführung, sondern auch einen höheren Compositivnswerth an den Tag legen.
Allein das wahre Ziel der ganzen Maßregel, Verbreitung der besten, an Geist
und Gefühl reichsten künstlerischen Composttionen unserer Zeit ist noch lange nicht
erreicht, weil man bei schwankenden eigenen Grundsätzen viel zu sehr den Ach's!
und O's! flüchtiger Bewunderung aus dem Munde der neugierigen Besucher der
Ausstellungen nachgab. Gerade bei dieser Maßregel sollte man weniger mit dem
Strom schwimmen und bedenken, daß wenn man eben das Mittelmäßige als das
Bequemste durch die vorhandenen Mittel vervielfältigt, man eben auch dem Sinn
für die Mittelmäßigkeit in immer weiteren Kreisen Vorschub leistet. Geistvolle
Compositionen sollte man in Umrissen, aber diese in der gediegensten Weise
verbreiten, dies würde den FormsiuN verbreiten, wecken und nähren, während
man durch leidliche Wiedergebung des pittoresken Effects nur das Urtheil besticht
und von dem Inhalte ablenkt. Andererseits würde die durch die Rivalität ver¬
schiedener Manieren jetzt so sehr beeinträchtigte Kupferstechkunst, deren Blüthe in
den alten Meisterschulen wohl den Neid unserer Zeit erwecken sollte, ihren beson¬
dern Schutz fordern. Die Ueberschwemmung mit kalten marklosen Stahlstichen ist
doch einmal kein ächter Gewinn für die Kunst.

Noch mancher.Zweig der Thätigkeit der Kunstvereine, als die hier und da
mit Erfolg betriebene Erhaltung vaterländischer Knnstalterthümer, die Bildung
von Stipendien für angehende Talente und Anderes wäre hier zu nennen, wenn
nicht diese Richtungen der Thätigkeit vereinzelt dastünden, und nicht vorzüglich
die allen Vereinen gemeinsamen unsere Aufmerksamkeit verdienten. Es wird aus
dem in gedrängter Uebersicht bisher gegebenen Stoffe austchtlich geworden sein,
daß die Gesammtwirksamkeit der Vereine ein bedeutendes culturhistorisches Moment
bildet. Gesetzt, alle Vereine stellten plötzlich ihre Wirksamkeit ein, es würde dar¬
aus der jetzt lebenden und schaffenden Künstlerschaft ein durch nichts zu ersetzender
Nachtheil erwachsen; mithin ist der in unzähligen Recensionen stets wiederkehrende
Spott und Tadel, der über die Kunstvereine oft von talentlosen oder faulen Künst¬
lern, oft vou federfertigen Leuten, denen es nur um Schreiberei, nicht um Errei¬
chung und Begründung eines sachgemäßen Urtheils zu thun ist, ausgegossen wird,
es ist derselbe, sagen wir, mindestens ein Zeichen von Unkenntniß der kunstge-
schichtlichen Zustände. So viele Mißgriffe vorliegen mögen, den Sinn für bil¬
dende Kunst haben die Vereine unleugbar allgemeiner gemacht, als er es noch


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[0374] Kosten erforderte. Es wurden so eine Menge hübscher Zimmerverziernngen her¬ vorgebracht, wobei man nur die Bemerkung machte, daß sie den Besitzern nach einiger Zeit gleichgiltig und vielleicht gar in die Rumpelkammer geworfen wurden. Man sah daran, wie leicht Geschöpfe der Mode abgenutzt werden. Dies forderte zur vorsichtigen Auswahl der Gegenstände auf; und in der That lehrt die Ver^ gleichnng der in den früheren Jahren ausgegebenen Vcreinsblätter mit den neueren und neuesten, daß dieselben meistens nicht blos einen höheren Grad technischer Ausführung, sondern auch einen höheren Compositivnswerth an den Tag legen. Allein das wahre Ziel der ganzen Maßregel, Verbreitung der besten, an Geist und Gefühl reichsten künstlerischen Composttionen unserer Zeit ist noch lange nicht erreicht, weil man bei schwankenden eigenen Grundsätzen viel zu sehr den Ach's! und O's! flüchtiger Bewunderung aus dem Munde der neugierigen Besucher der Ausstellungen nachgab. Gerade bei dieser Maßregel sollte man weniger mit dem Strom schwimmen und bedenken, daß wenn man eben das Mittelmäßige als das Bequemste durch die vorhandenen Mittel vervielfältigt, man eben auch dem Sinn für die Mittelmäßigkeit in immer weiteren Kreisen Vorschub leistet. Geistvolle Compositionen sollte man in Umrissen, aber diese in der gediegensten Weise verbreiten, dies würde den FormsiuN verbreiten, wecken und nähren, während man durch leidliche Wiedergebung des pittoresken Effects nur das Urtheil besticht und von dem Inhalte ablenkt. Andererseits würde die durch die Rivalität ver¬ schiedener Manieren jetzt so sehr beeinträchtigte Kupferstechkunst, deren Blüthe in den alten Meisterschulen wohl den Neid unserer Zeit erwecken sollte, ihren beson¬ dern Schutz fordern. Die Ueberschwemmung mit kalten marklosen Stahlstichen ist doch einmal kein ächter Gewinn für die Kunst. Noch mancher.Zweig der Thätigkeit der Kunstvereine, als die hier und da mit Erfolg betriebene Erhaltung vaterländischer Knnstalterthümer, die Bildung von Stipendien für angehende Talente und Anderes wäre hier zu nennen, wenn nicht diese Richtungen der Thätigkeit vereinzelt dastünden, und nicht vorzüglich die allen Vereinen gemeinsamen unsere Aufmerksamkeit verdienten. Es wird aus dem in gedrängter Uebersicht bisher gegebenen Stoffe austchtlich geworden sein, daß die Gesammtwirksamkeit der Vereine ein bedeutendes culturhistorisches Moment bildet. Gesetzt, alle Vereine stellten plötzlich ihre Wirksamkeit ein, es würde dar¬ aus der jetzt lebenden und schaffenden Künstlerschaft ein durch nichts zu ersetzender Nachtheil erwachsen; mithin ist der in unzähligen Recensionen stets wiederkehrende Spott und Tadel, der über die Kunstvereine oft von talentlosen oder faulen Künst¬ lern, oft vou federfertigen Leuten, denen es nur um Schreiberei, nicht um Errei¬ chung und Begründung eines sachgemäßen Urtheils zu thun ist, ausgegossen wird, es ist derselbe, sagen wir, mindestens ein Zeichen von Unkenntniß der kunstge- schichtlichen Zustände. So viele Mißgriffe vorliegen mögen, den Sinn für bil¬ dende Kunst haben die Vereine unleugbar allgemeiner gemacht, als er es noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/374>, abgerufen am 15.06.2024.