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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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vor zwanzig Jahren war. Schon der bessere Geschmack der zahlreichen Illustra¬
tionen so vieler Kalender und Zeitschriften gibt Zeugniß davon, und wenn wir
auch zugeben, daß die zum Schaden der Jdealistit jetzt vorwaltende Vorliebe für
charakteristische Form, z. B. in den Düsseldorfer Monatsheften, in den Münchner
illustrirten Blättern mit der Neigung unserer Zeit zur Carricatur, d. i. der bild¬
lichen Satyre zusammenhängt, so sind selbst jene in allen Kaffeehäusern aufliegen¬
den Sachen geeignet, dem Volke seine an Verzeichnungen so reichen Bilder der
früheren Epoche zu verleiden. Man hat aber gewiß etwas für die menschliche
Bildung erreicht, wenn man den Samen des Geschmacks ausbreitet, denu auch
das Auge verlangt seine besondere Erziehung.

Mängel und Schwächen, die sich in der Verwaltung der deutschen Kunstver¬
eine nachweisen lassen, sind oben mehrfach angedeutet worden; wenn es nun dar¬
auf ankommt, deren Wiederholung vorzubeugen, so können wir nur auf den all¬
gemeinen, in so vielen Zweigen 'deutscher Cultur nachtheilig fühlbaren Umstand
verweisen, daß der Partikularismus auch auf dem Knnstgebiete national-deutschen
Leistungen hemmend in den Weg tritt. Der Geschmack nimmt in den einzelnen
deutschen Ländern seine besondere Färbung an. Ist es denn in der dramatischen
Literatur, selbst in der Musik viel anders? Wir meinen, darin mehr den Aus¬
druck geistigen Reichthums als der Armuth zu finden. Allein für alle die vielen
größeren und kleineren deutschen Kunstvereine wäre gewiß allmälige stärkere Eini¬
gung in ihren sämmtliche" Maßregeln vorzugsweise zu empfehlen. Wenn sich jeder
Einzelne für den einsichtigsten hält, jeder Einzelne nur sein kleines lokales Ge¬
biet bedenkt, so wird der national-deutschen Kunst, die in so unzählige Richtungen
zerfahren ist, nicht geholfen. Was uns also für das fernere Gedeihen sowohl der
Künstler als deren Gönner am Ersprießlichsten scheinen würde, dies sind jährliche
Conferenzen von einsichtigen Abgeordneten aller Vereine, mit der Verpflichtung,
gemeinsame Zwecke nicht aus den Augen zu verlieren und betreffende Beschlüsse
jeglicher nach seinen Mitteln und Kräften zu befördern. Einstweilen ist das "denk-,
sche Kunstblatt," redigirt von Eggers in Berlin, als ein Versuch für die deutschen
Kunstvereine ein gemeinsames Organ zu schaffen, schon freudig und beifällig zu
begrüßen.




vor zwanzig Jahren war. Schon der bessere Geschmack der zahlreichen Illustra¬
tionen so vieler Kalender und Zeitschriften gibt Zeugniß davon, und wenn wir
auch zugeben, daß die zum Schaden der Jdealistit jetzt vorwaltende Vorliebe für
charakteristische Form, z. B. in den Düsseldorfer Monatsheften, in den Münchner
illustrirten Blättern mit der Neigung unserer Zeit zur Carricatur, d. i. der bild¬
lichen Satyre zusammenhängt, so sind selbst jene in allen Kaffeehäusern aufliegen¬
den Sachen geeignet, dem Volke seine an Verzeichnungen so reichen Bilder der
früheren Epoche zu verleiden. Man hat aber gewiß etwas für die menschliche
Bildung erreicht, wenn man den Samen des Geschmacks ausbreitet, denu auch
das Auge verlangt seine besondere Erziehung.

Mängel und Schwächen, die sich in der Verwaltung der deutschen Kunstver¬
eine nachweisen lassen, sind oben mehrfach angedeutet worden; wenn es nun dar¬
auf ankommt, deren Wiederholung vorzubeugen, so können wir nur auf den all¬
gemeinen, in so vielen Zweigen 'deutscher Cultur nachtheilig fühlbaren Umstand
verweisen, daß der Partikularismus auch auf dem Knnstgebiete national-deutschen
Leistungen hemmend in den Weg tritt. Der Geschmack nimmt in den einzelnen
deutschen Ländern seine besondere Färbung an. Ist es denn in der dramatischen
Literatur, selbst in der Musik viel anders? Wir meinen, darin mehr den Aus¬
druck geistigen Reichthums als der Armuth zu finden. Allein für alle die vielen
größeren und kleineren deutschen Kunstvereine wäre gewiß allmälige stärkere Eini¬
gung in ihren sämmtliche« Maßregeln vorzugsweise zu empfehlen. Wenn sich jeder
Einzelne für den einsichtigsten hält, jeder Einzelne nur sein kleines lokales Ge¬
biet bedenkt, so wird der national-deutschen Kunst, die in so unzählige Richtungen
zerfahren ist, nicht geholfen. Was uns also für das fernere Gedeihen sowohl der
Künstler als deren Gönner am Ersprießlichsten scheinen würde, dies sind jährliche
Conferenzen von einsichtigen Abgeordneten aller Vereine, mit der Verpflichtung,
gemeinsame Zwecke nicht aus den Augen zu verlieren und betreffende Beschlüsse
jeglicher nach seinen Mitteln und Kräften zu befördern. Einstweilen ist das „denk-,
sche Kunstblatt," redigirt von Eggers in Berlin, als ein Versuch für die deutschen
Kunstvereine ein gemeinsames Organ zu schaffen, schon freudig und beifällig zu
begrüßen.




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[0375] vor zwanzig Jahren war. Schon der bessere Geschmack der zahlreichen Illustra¬ tionen so vieler Kalender und Zeitschriften gibt Zeugniß davon, und wenn wir auch zugeben, daß die zum Schaden der Jdealistit jetzt vorwaltende Vorliebe für charakteristische Form, z. B. in den Düsseldorfer Monatsheften, in den Münchner illustrirten Blättern mit der Neigung unserer Zeit zur Carricatur, d. i. der bild¬ lichen Satyre zusammenhängt, so sind selbst jene in allen Kaffeehäusern aufliegen¬ den Sachen geeignet, dem Volke seine an Verzeichnungen so reichen Bilder der früheren Epoche zu verleiden. Man hat aber gewiß etwas für die menschliche Bildung erreicht, wenn man den Samen des Geschmacks ausbreitet, denu auch das Auge verlangt seine besondere Erziehung. Mängel und Schwächen, die sich in der Verwaltung der deutschen Kunstver¬ eine nachweisen lassen, sind oben mehrfach angedeutet worden; wenn es nun dar¬ auf ankommt, deren Wiederholung vorzubeugen, so können wir nur auf den all¬ gemeinen, in so vielen Zweigen 'deutscher Cultur nachtheilig fühlbaren Umstand verweisen, daß der Partikularismus auch auf dem Knnstgebiete national-deutschen Leistungen hemmend in den Weg tritt. Der Geschmack nimmt in den einzelnen deutschen Ländern seine besondere Färbung an. Ist es denn in der dramatischen Literatur, selbst in der Musik viel anders? Wir meinen, darin mehr den Aus¬ druck geistigen Reichthums als der Armuth zu finden. Allein für alle die vielen größeren und kleineren deutschen Kunstvereine wäre gewiß allmälige stärkere Eini¬ gung in ihren sämmtliche« Maßregeln vorzugsweise zu empfehlen. Wenn sich jeder Einzelne für den einsichtigsten hält, jeder Einzelne nur sein kleines lokales Ge¬ biet bedenkt, so wird der national-deutschen Kunst, die in so unzählige Richtungen zerfahren ist, nicht geholfen. Was uns also für das fernere Gedeihen sowohl der Künstler als deren Gönner am Ersprießlichsten scheinen würde, dies sind jährliche Conferenzen von einsichtigen Abgeordneten aller Vereine, mit der Verpflichtung, gemeinsame Zwecke nicht aus den Augen zu verlieren und betreffende Beschlüsse jeglicher nach seinen Mitteln und Kräften zu befördern. Einstweilen ist das „denk-, sche Kunstblatt," redigirt von Eggers in Berlin, als ein Versuch für die deutschen Kunstvereine ein gemeinsames Organ zu schaffen, schon freudig und beifällig zu begrüßen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/375>, abgerufen am 22.05.2024.