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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Die ungarische Regierung konnte natürlich solchen Frevel nicht ungeahndet
lassen, sie schickte den Grafen von Tenno-Cscrnvwics, als Regierungscommissär
nach Kikinda; die Ranzen machten Anstalten zum Widerstande, aber eine vom
General Hrabowöki ans Peterwardein sicher beorderte Truppenabtheilung mit
3 Kanonen trieb die Mörderschaar so in die Enge, daß sie die Waffen strecken
und die Hauptschuldigen ausliefern mußten. Diese wurden, wie oben gemeldet,
dem Henker überliefert, während der größte Theil der Kikindaer Ranzen sich in
die benachbarten Ortschaften begab, um dort einen AuZrottungskrieg gegen Ma¬
gyaren und Deutsche aufzuregen.

In der Slowakei waren es die^ evangelischen Prediger Hvdzsa und Hurban,
welche mit den Waffen der Gütertheilnng für das legitime Oestreich zu Felde zo¬
gen. Ersterer hatte sich schon vor einigen Jahren durch seine Mäßigkeitspredigten
berühmt gemacht, in welchen er den Bauern als Präservativmittel gegen das
Brandweintrinken anrieth, die Destillationsapparate zu zerstören und die Brand¬
weinbrenner todtzuschlagen, (buchstäblich wahr); der zweite fand in den Berg¬
schluchten des nordwestlichen Theiles der Nentraer Gespannschaft, in den sogenannten
Kopaniczen, einzelnen zerstreuten Weilern der Gebirge und in dem Grenzstädtchen
Miava, welches von den verwegensten Schmugglern und Bravo's bewohnt ist, sehr
eifrige Zuhörer und Schüler. Ich hatte Gelegenheit, zwei "Volksversammlungen"
dieses Apostels beizuwohnen, der sich später rühmte, zum k. k. Obristen avaucirt
zu sein -- die eine in Waagneustadtl und die andere in Szobotich -- und ich
bekam den nöthigen Respect von der riesenfesten Logik dieses Mannes. Sein
Lieblingsthema war: "Der gütige Kaiser hat Euch von dem Joche der Herren
(?"ni) befreit; nun aber haben sich die Herren mit den Juden vereinigt, den
König abzusetzen und Euch wieder in das alte Joch zu spannen: wir müssen also
gegen diese Hochverräther ausziehen; ihre Habe ist Euch, den treuen Unterthanen
seiner geheiligten Majestät, als rechtlich erworbenes Eigenthum, und ihr Leben
dem Henker verfallen." Daß er nicht tauben Ohren und unwilligen Herzen
predigte, haben die Judeuplünderungeu in Neustadt!, N-idas, Szered u. a. O.
bewiesen und beweisen noch heule die vielen Geldstrafen, welche jetzt den Einwoh¬
nern dieser Gegend von der k. k. Negierung wegen der in dieser Zeit verübten
Wald- und Weidefrevel auferlegt werden*). Die Urtheile, welche den zwei
oben erwähnten Delinquenten bei der Festung Leopoldstadt vorgelesen wurden,
lauteten auch in ihren Hauptpunkten ans Plünderung, Schändung und Mord¬
brennerei, und das Verbrechendes Hochverraths gegen die Landescoustitutivn war
so kurz als möglich erwähnt. --



*) Dem Dorf Jablomcz z. B. welches 190 Häuser zählt, ist als Straft für die Ver¬
letzungen fremden Eigenthums jetzt von den Regierungsbeamten die Summe von 16,580 Gul¬
den Münze auferlegt worden.

Die ungarische Regierung konnte natürlich solchen Frevel nicht ungeahndet
lassen, sie schickte den Grafen von Tenno-Cscrnvwics, als Regierungscommissär
nach Kikinda; die Ranzen machten Anstalten zum Widerstande, aber eine vom
General Hrabowöki ans Peterwardein sicher beorderte Truppenabtheilung mit
3 Kanonen trieb die Mörderschaar so in die Enge, daß sie die Waffen strecken
und die Hauptschuldigen ausliefern mußten. Diese wurden, wie oben gemeldet,
dem Henker überliefert, während der größte Theil der Kikindaer Ranzen sich in
die benachbarten Ortschaften begab, um dort einen AuZrottungskrieg gegen Ma¬
gyaren und Deutsche aufzuregen.

In der Slowakei waren es die^ evangelischen Prediger Hvdzsa und Hurban,
welche mit den Waffen der Gütertheilnng für das legitime Oestreich zu Felde zo¬
gen. Ersterer hatte sich schon vor einigen Jahren durch seine Mäßigkeitspredigten
berühmt gemacht, in welchen er den Bauern als Präservativmittel gegen das
Brandweintrinken anrieth, die Destillationsapparate zu zerstören und die Brand¬
weinbrenner todtzuschlagen, (buchstäblich wahr); der zweite fand in den Berg¬
schluchten des nordwestlichen Theiles der Nentraer Gespannschaft, in den sogenannten
Kopaniczen, einzelnen zerstreuten Weilern der Gebirge und in dem Grenzstädtchen
Miava, welches von den verwegensten Schmugglern und Bravo's bewohnt ist, sehr
eifrige Zuhörer und Schüler. Ich hatte Gelegenheit, zwei „Volksversammlungen"
dieses Apostels beizuwohnen, der sich später rühmte, zum k. k. Obristen avaucirt
zu sein — die eine in Waagneustadtl und die andere in Szobotich — und ich
bekam den nöthigen Respect von der riesenfesten Logik dieses Mannes. Sein
Lieblingsthema war: „Der gütige Kaiser hat Euch von dem Joche der Herren
(?»ni) befreit; nun aber haben sich die Herren mit den Juden vereinigt, den
König abzusetzen und Euch wieder in das alte Joch zu spannen: wir müssen also
gegen diese Hochverräther ausziehen; ihre Habe ist Euch, den treuen Unterthanen
seiner geheiligten Majestät, als rechtlich erworbenes Eigenthum, und ihr Leben
dem Henker verfallen." Daß er nicht tauben Ohren und unwilligen Herzen
predigte, haben die Judeuplünderungeu in Neustadt!, N-idas, Szered u. a. O.
bewiesen und beweisen noch heule die vielen Geldstrafen, welche jetzt den Einwoh¬
nern dieser Gegend von der k. k. Negierung wegen der in dieser Zeit verübten
Wald- und Weidefrevel auferlegt werden*). Die Urtheile, welche den zwei
oben erwähnten Delinquenten bei der Festung Leopoldstadt vorgelesen wurden,
lauteten auch in ihren Hauptpunkten ans Plünderung, Schändung und Mord¬
brennerei, und das Verbrechendes Hochverraths gegen die Landescoustitutivn war
so kurz als möglich erwähnt. —



*) Dem Dorf Jablomcz z. B. welches 190 Häuser zählt, ist als Straft für die Ver¬
letzungen fremden Eigenthums jetzt von den Regierungsbeamten die Summe von 16,580 Gul¬
den Münze auferlegt worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/519>, abgerufen am 15.06.2024.