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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Dasselbe war auch mit den in Siebenbürgen standrechtlich Hingerichteten Wa¬
lachei! der Fall. Die Leser dieser Blätter werden sich noch der Gräuelthaten erin¬
nern, welche diese Halbmenschen in den Städten Zalathna und N. Enyed, die sie
vom Grunde aus zerstörten, verübt- haben, und an das Schicksal des edlen Gra¬
fen Torsk, dem diese Kannibalen lebendig die Haut abzogen und ihn langsam am
Feuer brieten.

Und so wird sich bei den Meisten der 40 -- 50 Unglücklichen, welche dnrch
die ungarische Regierung gerichtet worden sind, beweisen lassen, daß sie durch die
schändlichsten Verbrechen, welche an sich politischer Natur waren, den Tod in einer
Zeit verdient haben, wo nicht nur die Bestimmungen des Staatsrechts, sondern
die Gebote jedes Rechts und aller Sitte in Gefahr waren unterzugehen, und jede
Negierung -- wie mau auch ihre politische Berechtigung ansehen mag -- die Pflicht
hatte, mit Strenge für Sicherheit des Eigenthums und Privatlebens aufzutreten.
-- Bei der kleineren Anzahl der Hingerichteten, etwa bei 10 Menschen, worunter
jene 6 in Pesth Verurtheilten sind, wird man je nach dem individuellen politi¬
schen Standpunkt das Urtheil entweder höchst gerecht oder höchst beklagenswert!)
finden; man wird aber jedenfalls zugeben müssen, daß ein Krieg in offenen Schlach¬
ten stattfand zwischen Ungarn und den Kaiserstaaten, und daß der unleugbare
Kriegszustand auch die Folge haben mußte, daß die Gebräuche des Krieges, welche
unter allen Nationen herrschen, von den Magyaren wie von den Kaiserlichen be¬
obachtet wurden. Zu diesen Gewohnheiten der Kriege gehört aber überall, daß
man überwiesene Spione der Feinde durch das Gesetz tödtet.

Außer diesen Fällen ist nur ein einziger Fall bekannt, wo im Namen
der ungarischen Regierung ein wirklicher höchst bedaueruswerther Justizmord
begangen wurde, und zwar an dem Pastor Roth in Siebenbürgen. Bem hat
zwar eine strenge Untersuchung gegen die Mörder dieses edlen Priesters eingelei¬
tet, und wir können von der strengen Gerechtigkeitsliebe dieses Mannes voraus¬
setzen, daß er diese ebenso schnöde als unpolitische That strenge geahndet hat, aber
der Tod kann die Sünden nicht tilgen, und Männer wie Noth, die in ihrem Le¬
ben einem ganzen Volke angehörten, Pflegen in ihrem Tode von einem Volke ge¬
rächt zu werden.

Uebrigens will nicht ich, und wird kein wahrbeitsliebender Ungar behaupten,
daß unter der revolutionären Regierung nicht manche einzelne Commissäre aus
Parteihaß, oder aus Härte ihres Gemüths in einer Ecke des Landes einzelne
Thaten verübt haben, die nicht zu beschönigen sind, so viel aber ist gewiß, daß die
ungarische Regierung von solchen Thaten nichts wußte, am wenigsten aber sie
anbefohlen hat. Und doch war damals eine Zeit, wo die furchtbarsten Leidenschaf¬
ten entflammt waren, und doch hatte die ungarische Regierung, während sich ihre
Heere nach Außen in offenen Schlachten schlugen, vou Innen gegen schleichenden
Verrath und gegen den Fluch des markverzehrenden Bürgerkrieges zu kämpfen,


Dasselbe war auch mit den in Siebenbürgen standrechtlich Hingerichteten Wa¬
lachei! der Fall. Die Leser dieser Blätter werden sich noch der Gräuelthaten erin¬
nern, welche diese Halbmenschen in den Städten Zalathna und N. Enyed, die sie
vom Grunde aus zerstörten, verübt- haben, und an das Schicksal des edlen Gra¬
fen Torsk, dem diese Kannibalen lebendig die Haut abzogen und ihn langsam am
Feuer brieten.

Und so wird sich bei den Meisten der 40 — 50 Unglücklichen, welche dnrch
die ungarische Regierung gerichtet worden sind, beweisen lassen, daß sie durch die
schändlichsten Verbrechen, welche an sich politischer Natur waren, den Tod in einer
Zeit verdient haben, wo nicht nur die Bestimmungen des Staatsrechts, sondern
die Gebote jedes Rechts und aller Sitte in Gefahr waren unterzugehen, und jede
Negierung — wie mau auch ihre politische Berechtigung ansehen mag — die Pflicht
hatte, mit Strenge für Sicherheit des Eigenthums und Privatlebens aufzutreten.
— Bei der kleineren Anzahl der Hingerichteten, etwa bei 10 Menschen, worunter
jene 6 in Pesth Verurtheilten sind, wird man je nach dem individuellen politi¬
schen Standpunkt das Urtheil entweder höchst gerecht oder höchst beklagenswert!)
finden; man wird aber jedenfalls zugeben müssen, daß ein Krieg in offenen Schlach¬
ten stattfand zwischen Ungarn und den Kaiserstaaten, und daß der unleugbare
Kriegszustand auch die Folge haben mußte, daß die Gebräuche des Krieges, welche
unter allen Nationen herrschen, von den Magyaren wie von den Kaiserlichen be¬
obachtet wurden. Zu diesen Gewohnheiten der Kriege gehört aber überall, daß
man überwiesene Spione der Feinde durch das Gesetz tödtet.

Außer diesen Fällen ist nur ein einziger Fall bekannt, wo im Namen
der ungarischen Regierung ein wirklicher höchst bedaueruswerther Justizmord
begangen wurde, und zwar an dem Pastor Roth in Siebenbürgen. Bem hat
zwar eine strenge Untersuchung gegen die Mörder dieses edlen Priesters eingelei¬
tet, und wir können von der strengen Gerechtigkeitsliebe dieses Mannes voraus¬
setzen, daß er diese ebenso schnöde als unpolitische That strenge geahndet hat, aber
der Tod kann die Sünden nicht tilgen, und Männer wie Noth, die in ihrem Le¬
ben einem ganzen Volke angehörten, Pflegen in ihrem Tode von einem Volke ge¬
rächt zu werden.

Uebrigens will nicht ich, und wird kein wahrbeitsliebender Ungar behaupten,
daß unter der revolutionären Regierung nicht manche einzelne Commissäre aus
Parteihaß, oder aus Härte ihres Gemüths in einer Ecke des Landes einzelne
Thaten verübt haben, die nicht zu beschönigen sind, so viel aber ist gewiß, daß die
ungarische Regierung von solchen Thaten nichts wußte, am wenigsten aber sie
anbefohlen hat. Und doch war damals eine Zeit, wo die furchtbarsten Leidenschaf¬
ten entflammt waren, und doch hatte die ungarische Regierung, während sich ihre
Heere nach Außen in offenen Schlachten schlugen, vou Innen gegen schleichenden
Verrath und gegen den Fluch des markverzehrenden Bürgerkrieges zu kämpfen,


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[0520] Dasselbe war auch mit den in Siebenbürgen standrechtlich Hingerichteten Wa¬ lachei! der Fall. Die Leser dieser Blätter werden sich noch der Gräuelthaten erin¬ nern, welche diese Halbmenschen in den Städten Zalathna und N. Enyed, die sie vom Grunde aus zerstörten, verübt- haben, und an das Schicksal des edlen Gra¬ fen Torsk, dem diese Kannibalen lebendig die Haut abzogen und ihn langsam am Feuer brieten. Und so wird sich bei den Meisten der 40 — 50 Unglücklichen, welche dnrch die ungarische Regierung gerichtet worden sind, beweisen lassen, daß sie durch die schändlichsten Verbrechen, welche an sich politischer Natur waren, den Tod in einer Zeit verdient haben, wo nicht nur die Bestimmungen des Staatsrechts, sondern die Gebote jedes Rechts und aller Sitte in Gefahr waren unterzugehen, und jede Negierung — wie mau auch ihre politische Berechtigung ansehen mag — die Pflicht hatte, mit Strenge für Sicherheit des Eigenthums und Privatlebens aufzutreten. — Bei der kleineren Anzahl der Hingerichteten, etwa bei 10 Menschen, worunter jene 6 in Pesth Verurtheilten sind, wird man je nach dem individuellen politi¬ schen Standpunkt das Urtheil entweder höchst gerecht oder höchst beklagenswert!) finden; man wird aber jedenfalls zugeben müssen, daß ein Krieg in offenen Schlach¬ ten stattfand zwischen Ungarn und den Kaiserstaaten, und daß der unleugbare Kriegszustand auch die Folge haben mußte, daß die Gebräuche des Krieges, welche unter allen Nationen herrschen, von den Magyaren wie von den Kaiserlichen be¬ obachtet wurden. Zu diesen Gewohnheiten der Kriege gehört aber überall, daß man überwiesene Spione der Feinde durch das Gesetz tödtet. Außer diesen Fällen ist nur ein einziger Fall bekannt, wo im Namen der ungarischen Regierung ein wirklicher höchst bedaueruswerther Justizmord begangen wurde, und zwar an dem Pastor Roth in Siebenbürgen. Bem hat zwar eine strenge Untersuchung gegen die Mörder dieses edlen Priesters eingelei¬ tet, und wir können von der strengen Gerechtigkeitsliebe dieses Mannes voraus¬ setzen, daß er diese ebenso schnöde als unpolitische That strenge geahndet hat, aber der Tod kann die Sünden nicht tilgen, und Männer wie Noth, die in ihrem Le¬ ben einem ganzen Volke angehörten, Pflegen in ihrem Tode von einem Volke ge¬ rächt zu werden. Uebrigens will nicht ich, und wird kein wahrbeitsliebender Ungar behaupten, daß unter der revolutionären Regierung nicht manche einzelne Commissäre aus Parteihaß, oder aus Härte ihres Gemüths in einer Ecke des Landes einzelne Thaten verübt haben, die nicht zu beschönigen sind, so viel aber ist gewiß, daß die ungarische Regierung von solchen Thaten nichts wußte, am wenigsten aber sie anbefohlen hat. Und doch war damals eine Zeit, wo die furchtbarsten Leidenschaf¬ ten entflammt waren, und doch hatte die ungarische Regierung, während sich ihre Heere nach Außen in offenen Schlachten schlugen, vou Innen gegen schleichenden Verrath und gegen den Fluch des markverzehrenden Bürgerkrieges zu kämpfen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/520>, abgerufen am 16.06.2024.