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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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gehen würden,^ entgegenzuwirken. Daß in den ersten Deutschen Nevvlntions-
jahren die darauf abzielenden Vereinsbestrebungen hänfig mit politischen und so¬
cialen Tendenzen sich verschwisterten, welche dem praktischen Zwecke durchaus fern
lagen, hat die gewerbliche Association überhaupt in gewissen Kreisen mit Unrecht
in Verruf gebracht. Die Association ist es, welche bei uus den im Verhältniß
zu andern Ländern, namentlich zu England, hervortretenden Mangel an Capita¬
lien ersetzen kann und muß, welche der technisch bereits so tüchtig entwickelten
Deutschen Industrie wie dem Deutschen Handel Selbstständigkeit nach Außen
verschaffen wird. In Berlin beginnt der Exporthandel seit Kurzem einen großen
Aufschwung zu nehmen. Je mehr sich gewerbliche Associationen mit kaufmänni¬
schen Kräften bilden, sei es für einzelne Handelsunternehmungen, sei es für
dauernde Gemeinsamkeit des Geschäfts, um so mehr wird jener lohnende Theil
des Großhandels an Ausdehnung gewinnen, wird Capitalien in das Land ziehen,
die, zuerst im Besitze von Gesellschaften, sich dann in weitere Kreise vertheilen,
und die Mittel zu neuen Unternehmungen bieten.

So wenig mir die Louis Blanc'schen und Proudhon'schen Theorien, die
übrigens trotz all ihrer socialistischen Phrasen im Sinne eines gewerblichen Ab¬
solutismus und staatlichen Mechanismus gedacht sind, eine praktische Handhabe
zeigen, so wenig nach meiner Ansicht von Oben herab in die lebendige Be¬
wegung der gewerblichen Betriebsamkeit und des Handels mit willkürlichen Or¬
ganisationen, mit Vorschriften und Schranken eingegriffen werden darf, so sehr
verdienen andererseis die aus praktische, industrielle und commerzielle Zwecke hin¬
auslaufenden Associationen, welche im Schooße des Volkes ans eigenem An¬
triebe sich bilden, die fördernde Theilnahme des Staates. Weniger Schutz
gegen Außen als Forderung nach Außen ist heilsam für die selbstständige
Erstarkung der nationalen Industrie und des daran sich knüpfenden Handels¬
zweiges, und ebenso weniger die künstliche Hervorrufung neuer Gewerbe durch
schützende oder prohibirende Eingangszölle, als umsichtige und bereitwillige Un¬
terstützung der natürlich entstehenden industriellen Unternehmungen. Kein Land
leuchtet neuerdings in dieser Beziehung so entschieden als Muster voran, wie
das kleine Belgien, dessen seit zwanzig Jahren verfassnugstren verwaltende Re¬
gierung gerade in den Tagen des Sturmes und uoch jetzt in den Händen eines
aufrichtig liberalen, zugleich aber einsichtsvoll gemäßigten Ministeriums liegt.
Während in Frankreich die hartnäckige" Anhänger des Alten auf der einen Seite
und die socialistischen Idealisten und Theoretiker auf der andern einander in
fruchtlosen Kämpfen ermüden, die kaum eine andere Aussicht, als die auf eine
neue gewaltsame Explosion gewähren, hat das Belgische Ministerium Rogier die
sogenannte sociale Frage praktisch angegriffen, und nach zahlreichen trefflichen
Einrichtungen auf dem Gebiete aller materiellen Interessen, der Landwirthschaft,
wie der Gewerbe und des Handels, im Credit- und Bankwesen, bei nnausge-


gehen würden,^ entgegenzuwirken. Daß in den ersten Deutschen Nevvlntions-
jahren die darauf abzielenden Vereinsbestrebungen hänfig mit politischen und so¬
cialen Tendenzen sich verschwisterten, welche dem praktischen Zwecke durchaus fern
lagen, hat die gewerbliche Association überhaupt in gewissen Kreisen mit Unrecht
in Verruf gebracht. Die Association ist es, welche bei uus den im Verhältniß
zu andern Ländern, namentlich zu England, hervortretenden Mangel an Capita¬
lien ersetzen kann und muß, welche der technisch bereits so tüchtig entwickelten
Deutschen Industrie wie dem Deutschen Handel Selbstständigkeit nach Außen
verschaffen wird. In Berlin beginnt der Exporthandel seit Kurzem einen großen
Aufschwung zu nehmen. Je mehr sich gewerbliche Associationen mit kaufmänni¬
schen Kräften bilden, sei es für einzelne Handelsunternehmungen, sei es für
dauernde Gemeinsamkeit des Geschäfts, um so mehr wird jener lohnende Theil
des Großhandels an Ausdehnung gewinnen, wird Capitalien in das Land ziehen,
die, zuerst im Besitze von Gesellschaften, sich dann in weitere Kreise vertheilen,
und die Mittel zu neuen Unternehmungen bieten.

So wenig mir die Louis Blanc'schen und Proudhon'schen Theorien, die
übrigens trotz all ihrer socialistischen Phrasen im Sinne eines gewerblichen Ab¬
solutismus und staatlichen Mechanismus gedacht sind, eine praktische Handhabe
zeigen, so wenig nach meiner Ansicht von Oben herab in die lebendige Be¬
wegung der gewerblichen Betriebsamkeit und des Handels mit willkürlichen Or¬
ganisationen, mit Vorschriften und Schranken eingegriffen werden darf, so sehr
verdienen andererseis die aus praktische, industrielle und commerzielle Zwecke hin¬
auslaufenden Associationen, welche im Schooße des Volkes ans eigenem An¬
triebe sich bilden, die fördernde Theilnahme des Staates. Weniger Schutz
gegen Außen als Forderung nach Außen ist heilsam für die selbstständige
Erstarkung der nationalen Industrie und des daran sich knüpfenden Handels¬
zweiges, und ebenso weniger die künstliche Hervorrufung neuer Gewerbe durch
schützende oder prohibirende Eingangszölle, als umsichtige und bereitwillige Un¬
terstützung der natürlich entstehenden industriellen Unternehmungen. Kein Land
leuchtet neuerdings in dieser Beziehung so entschieden als Muster voran, wie
das kleine Belgien, dessen seit zwanzig Jahren verfassnugstren verwaltende Re¬
gierung gerade in den Tagen des Sturmes und uoch jetzt in den Händen eines
aufrichtig liberalen, zugleich aber einsichtsvoll gemäßigten Ministeriums liegt.
Während in Frankreich die hartnäckige» Anhänger des Alten auf der einen Seite
und die socialistischen Idealisten und Theoretiker auf der andern einander in
fruchtlosen Kämpfen ermüden, die kaum eine andere Aussicht, als die auf eine
neue gewaltsame Explosion gewähren, hat das Belgische Ministerium Rogier die
sogenannte sociale Frage praktisch angegriffen, und nach zahlreichen trefflichen
Einrichtungen auf dem Gebiete aller materiellen Interessen, der Landwirthschaft,
wie der Gewerbe und des Handels, im Credit- und Bankwesen, bei nnausge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/294>, abgerufen am 21.05.2024.