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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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lichkeit entwachsene Charaktere darzustellen, auf unsren Dichter seinen Einfluß
geübt hat. Ein anderes Stück heißt Tordenskiold (1831) und behandelt den
Tod des berühmten Dänischen Admirals dieses Namens. Es hat vollständig den
Zuschnitt eines possenhaften JntrigueustückS, und mau wird uicht wenig überrascht,
als plötzlich der Held in einem Duell mit einem Spieler umkommt, nud das ganze
Vergnügen sich in Jackmer und Elend verkehrt. Was die äußere Form betrifft,
so wetteifert es in bunter Mannichfaltigkeit des Styls und des Verses mit Zacha-
rias Werner. ' Der patriotische Gedanke von der neuen scandinavischen Union
ist auch hier angebracht. Ein drittes Stück, die Italienischen Räuber (183!>),
enthält das vollständige Walten des blinden Zufalls. Eine Reihe komischer Cha¬
raktermasken, "ngesähr in der Art, wie sie in den Englischen Lustspielen vorkom¬
men, zum großen Theil aus Oehlenschlägcr's wirklichen Erfahrungen copirt: ein
Schullehrer mit philanthropischen Absichten, ein engherziger Kaufmann aus Rostock,
ein wunderlicher Antiquar, ein verschrobener Poet u. f. w. fliehen sich in Italien
zusammen, und kommen mit den dortigen Räubern in Berührung,- woraus sich
eine Reihe theils komischer, theils tragischer Scenen ergeben. Die Räuber selbst
übrigens, namentlich die Hauptfiguren Massaroui und Marielisa, siud in ihrer Wild¬
heit recht gut charakteristrt, und es finden sich einzelne Züge von großem poetischem
Werth. - In dieselbe Reihe gehört das Gespenst von Herlofshull (18^),
und eine dramatische Idylle, der kleine Hirtenknabe (1816). Die Haupt¬
person des Letztern ist ein melancholischer Wanderer, der überall wider seinen
Willen Unheil anrichtet, und daher zur Verzweiflung geneigt ist. Die Pointe
beruht in der Auffindung eines todten Knaben am Fuße eines Bergabhanges, von
dem ein Ehepaar, durch die Aehnlichkeit verleitet, glaubt, es sei sein Kind, bis
es sich ergiebt, daß es die Mumie eines vor vielen Jahren herabgestürzte"
Kindes ist. Die Moral ist die Anempfehlung der christlichen Resignation und
Geduld. Die Helden sprechen in diesem Stück etwas zu geziert und philosophisch,
doch ist im Ganzen die Sprache schön. Ich theile eine Probe mit, in welcher der
Gegensatz der protestantischen Ehe und des Römischen Cölibats ausgedrückt wird!


Weißt Du in Deiner Zelle
Bei 'Deinem Todtenkopf und Crucifixen
Matt in der Einsamkeit der stillen Trauer.
Was Leben ist?.....
Du starrst nur finster auf das schwarze Kreuz,
Denkst um an Sünd' und Tod. In der Versuchung
Kniest Du nur im Gethsemane und blutest
Ans Golgatha, Dir ist das Leben stets
Ein neblichter und trauriger Charfreitag.
Wo Kinder sind, o da ist co'ge Weihnacht,
Da blühet immer neu das Fest der Unschuld,
Da sijzt die Mutter mit dem Sohn am Busen,

lichkeit entwachsene Charaktere darzustellen, auf unsren Dichter seinen Einfluß
geübt hat. Ein anderes Stück heißt Tordenskiold (1831) und behandelt den
Tod des berühmten Dänischen Admirals dieses Namens. Es hat vollständig den
Zuschnitt eines possenhaften JntrigueustückS, und mau wird uicht wenig überrascht,
als plötzlich der Held in einem Duell mit einem Spieler umkommt, nud das ganze
Vergnügen sich in Jackmer und Elend verkehrt. Was die äußere Form betrifft,
so wetteifert es in bunter Mannichfaltigkeit des Styls und des Verses mit Zacha-
rias Werner. ' Der patriotische Gedanke von der neuen scandinavischen Union
ist auch hier angebracht. Ein drittes Stück, die Italienischen Räuber (183!>),
enthält das vollständige Walten des blinden Zufalls. Eine Reihe komischer Cha¬
raktermasken, »ngesähr in der Art, wie sie in den Englischen Lustspielen vorkom¬
men, zum großen Theil aus Oehlenschlägcr's wirklichen Erfahrungen copirt: ein
Schullehrer mit philanthropischen Absichten, ein engherziger Kaufmann aus Rostock,
ein wunderlicher Antiquar, ein verschrobener Poet u. f. w. fliehen sich in Italien
zusammen, und kommen mit den dortigen Räubern in Berührung,- woraus sich
eine Reihe theils komischer, theils tragischer Scenen ergeben. Die Räuber selbst
übrigens, namentlich die Hauptfiguren Massaroui und Marielisa, siud in ihrer Wild¬
heit recht gut charakteristrt, und es finden sich einzelne Züge von großem poetischem
Werth. - In dieselbe Reihe gehört das Gespenst von Herlofshull (18^),
und eine dramatische Idylle, der kleine Hirtenknabe (1816). Die Haupt¬
person des Letztern ist ein melancholischer Wanderer, der überall wider seinen
Willen Unheil anrichtet, und daher zur Verzweiflung geneigt ist. Die Pointe
beruht in der Auffindung eines todten Knaben am Fuße eines Bergabhanges, von
dem ein Ehepaar, durch die Aehnlichkeit verleitet, glaubt, es sei sein Kind, bis
es sich ergiebt, daß es die Mumie eines vor vielen Jahren herabgestürzte»
Kindes ist. Die Moral ist die Anempfehlung der christlichen Resignation und
Geduld. Die Helden sprechen in diesem Stück etwas zu geziert und philosophisch,
doch ist im Ganzen die Sprache schön. Ich theile eine Probe mit, in welcher der
Gegensatz der protestantischen Ehe und des Römischen Cölibats ausgedrückt wird!


Weißt Du in Deiner Zelle
Bei 'Deinem Todtenkopf und Crucifixen
Matt in der Einsamkeit der stillen Trauer.
Was Leben ist?.....
Du starrst nur finster auf das schwarze Kreuz,
Denkst um an Sünd' und Tod. In der Versuchung
Kniest Du nur im Gethsemane und blutest
Ans Golgatha, Dir ist das Leben stets
Ein neblichter und trauriger Charfreitag.
Wo Kinder sind, o da ist co'ge Weihnacht,
Da blühet immer neu das Fest der Unschuld,
Da sijzt die Mutter mit dem Sohn am Busen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/346>, abgerufen am 15.06.2024.