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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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von manchen früheren Schleswig-Holsteinischen Soldaten; brave Menschen ans
der Campagne von 49 und ü<> fand ich hier wieder, besonders ans dem südlichen
Schleswig.

Weit hoher hinsichtlich ihrer miltitairischen Tüchtigkeit, als die Compagnien
ein vcinlro. stehen die Compagnien ü'vMv, die 3 Grenadier- und 3 Voltigeur-
compagnien jedes Regimentes der Fremdenlegion. Es giebt vielleicht keine In¬
fanterie der Welt, die so viel alte, erprobte, durch und durch abgehärtete und
kriegserfahrene Soldaten enthält, wie diese 12 Compagnien. Diese Grenadiere
und Voltigeurs sind meistens Soldaten von Handwerk, wie die alten Landsknechte
des Mittelalters, vielfach erprobt in den wildesten Kämpfen. Zehn, zwanzig,
dreißig Jahre, ja selbst oft noch länger haben diese oft schon graubärtigen Män¬
ner die Muskete geführt, theilweise auf allen Schlachtfeldern der neuem Zeit
mitgefochten. In Südamerika wie in Griechenland, in Spanien, in Polen und
Ungarn haben sie den Waffentanz durchgemacht, erprobt in allen Zonen, abge¬
härtet gegen jegliches Ungemach, selbst des beschwerlichsten Krieges. Diese Grenadiere
und Voltigeurs müssen Jeder mindestens ein Jahr tadellos in der Legion gedient habe".
Sie haben keine Familie, keine Verwandten, ja kein Vaterland mehr; Nichts, gar
Nichts mehr in der ganzen weiten Welt lieben sie noch -- nur den Wem. Der
ist ihnen Alles geworden, Heimath, Bruder, Geliebte, und um sich dem geliebten
Vertrauten hingeben zu können, scheuen viele dieser Kriegsknechte weder Mühe
noch Gefahr. Die Trunkenheit ist das Hauptlaster dieser Soldaten der Com¬
pagnien it'LMe, ist der Feind, der ihre Reihen am Meisten lichtet, und sie den Hos¬
pitälern oder anch dem Bagno zuführt. Der starke feurige Wein Spaniens oder
der Provence ist wohlfeil in Algerien, das geliebte vio-c^-vo anch nicht theuer,
und jedes Ersparnis an der Löhnung, jeder Erlös für die gemachte Beute fließt
gewiß durch die ewig durstigen Kehlen. Wenn Verbrechen und besonders I"-
snbvrdinationSvergchen bei diesen Grenadieren oder Voltigeurs vorkommen, unter
hundert Fällen soll neunzig Mal "ur die Trunkenheit daran Schuld sei". Vollends
die Deutschen, Schweizer und Polen unter Denselben sind diesem Laster unter¬
worfen, weniger die Spanier, Italiener und Franzosen. Man glaubt kaum,
welche ungeheure Quantitäten des stärksten Getränkes die alten Kricgsgnrgel"
hinuntergießen können, ohne trunken zu werden. Mir ward ein alter, grauer
sergent-Major der Voltigeurs, ein geborener Bayer, gezeigt, der seit 1"20 in
Griechenland, Aegypten, Spanien und Algerien fortwährend mit Auszeichnung
gefochten hatte, und der einst zwei Flaschen Cognac innerhalb einer halben Stunde
getrunken haben soll. Kurz darauf ward er mit seinem Detachement von zwanzig
Vvlrigcurs durch eine Schaar Bcdninischcr Reiterei hart angegriffen, wußte sich
aber mit kaltblütigen Muth in mehrstündigem Kämpfe so gut zu vertheidigen, daß
er endlich von einer Schwadron Chasseurs d'Afrique erlöst werden konnte. Von seinen
Voltigeurs war freilich die Hälfte in diesem ungleiche" Kampfe gefallen oder verwundet.


von manchen früheren Schleswig-Holsteinischen Soldaten; brave Menschen ans
der Campagne von 49 und ü<> fand ich hier wieder, besonders ans dem südlichen
Schleswig.

Weit hoher hinsichtlich ihrer miltitairischen Tüchtigkeit, als die Compagnien
ein vcinlro. stehen die Compagnien ü'vMv, die 3 Grenadier- und 3 Voltigeur-
compagnien jedes Regimentes der Fremdenlegion. Es giebt vielleicht keine In¬
fanterie der Welt, die so viel alte, erprobte, durch und durch abgehärtete und
kriegserfahrene Soldaten enthält, wie diese 12 Compagnien. Diese Grenadiere
und Voltigeurs sind meistens Soldaten von Handwerk, wie die alten Landsknechte
des Mittelalters, vielfach erprobt in den wildesten Kämpfen. Zehn, zwanzig,
dreißig Jahre, ja selbst oft noch länger haben diese oft schon graubärtigen Män¬
ner die Muskete geführt, theilweise auf allen Schlachtfeldern der neuem Zeit
mitgefochten. In Südamerika wie in Griechenland, in Spanien, in Polen und
Ungarn haben sie den Waffentanz durchgemacht, erprobt in allen Zonen, abge¬
härtet gegen jegliches Ungemach, selbst des beschwerlichsten Krieges. Diese Grenadiere
und Voltigeurs müssen Jeder mindestens ein Jahr tadellos in der Legion gedient habe».
Sie haben keine Familie, keine Verwandten, ja kein Vaterland mehr; Nichts, gar
Nichts mehr in der ganzen weiten Welt lieben sie noch — nur den Wem. Der
ist ihnen Alles geworden, Heimath, Bruder, Geliebte, und um sich dem geliebten
Vertrauten hingeben zu können, scheuen viele dieser Kriegsknechte weder Mühe
noch Gefahr. Die Trunkenheit ist das Hauptlaster dieser Soldaten der Com¬
pagnien it'LMe, ist der Feind, der ihre Reihen am Meisten lichtet, und sie den Hos¬
pitälern oder anch dem Bagno zuführt. Der starke feurige Wein Spaniens oder
der Provence ist wohlfeil in Algerien, das geliebte vio-c^-vo anch nicht theuer,
und jedes Ersparnis an der Löhnung, jeder Erlös für die gemachte Beute fließt
gewiß durch die ewig durstigen Kehlen. Wenn Verbrechen und besonders I"-
snbvrdinationSvergchen bei diesen Grenadieren oder Voltigeurs vorkommen, unter
hundert Fällen soll neunzig Mal »ur die Trunkenheit daran Schuld sei». Vollends
die Deutschen, Schweizer und Polen unter Denselben sind diesem Laster unter¬
worfen, weniger die Spanier, Italiener und Franzosen. Man glaubt kaum,
welche ungeheure Quantitäten des stärksten Getränkes die alten Kricgsgnrgel"
hinuntergießen können, ohne trunken zu werden. Mir ward ein alter, grauer
sergent-Major der Voltigeurs, ein geborener Bayer, gezeigt, der seit 1«20 in
Griechenland, Aegypten, Spanien und Algerien fortwährend mit Auszeichnung
gefochten hatte, und der einst zwei Flaschen Cognac innerhalb einer halben Stunde
getrunken haben soll. Kurz darauf ward er mit seinem Detachement von zwanzig
Vvlrigcurs durch eine Schaar Bcdninischcr Reiterei hart angegriffen, wußte sich
aber mit kaltblütigen Muth in mehrstündigem Kämpfe so gut zu vertheidigen, daß
er endlich von einer Schwadron Chasseurs d'Afrique erlöst werden konnte. Von seinen
Voltigeurs war freilich die Hälfte in diesem ungleiche» Kampfe gefallen oder verwundet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/118>, abgerufen am 17.06.2024.