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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Wir sehen den ältern Brutus als Richter seines Sohnes, der flehend und gefes¬
selt gleich seinem strafbaren Genossen ans den Knien liegt. Der Scharfrichter
klettert schon mit dem Beile über die Arabeske. Mucius Scävola, ein gar furcht¬
barer kleiner Kerl, die Schlachthanbe ans dem Kops, ein hölzernes Schwert an
der Seite, streckt seine Faust in das aus einem Blumenkelch hervorbrechende
Feuer. Am Boden liegt ein Erschlagener, dem der hölzerne Degen entfällt. Ver¬
muthlich hat ihn ein tüchtiger Puff weinend niedergeworfen. Ein kindlich naiver
Porsenna schaut in höchst komischer Verwunderung mit weit aufgerissenen Augen
und verschränkten Armen auf die That des Mucius. An diese Verherrlichung
römischer Abhärtung und Verachtung gegen die Gefahr schließt sich der Triumph-
zug eines römischen Feldherrn. Der Trinmphirende sitzt im Wagen, um das
Haupt einen dicken Lorbeerkranz, in der Rechten das Scepter, aus der Linken
die Statue der capitolinischen Juno, welche ihm mit jeder Hand einen Lorbeer¬
kranz darbietet. Vor ihm liegt ein Bündel. Fasans, zwei andere in der Schvß-
kelle des Wagens, an den die unterjochte Erde gefesselt ist, das arme Kind rei¬
tet auf einem Löwen, hat als Städtetragendc die Mauerkrone ans dem Haupte,
'n der Hand den Erdball und zwei dicke Thränen auf der Wange. Der rö¬
mische Adler fliegt hinter dem Wagen her, und dieser wird von zwei wunder¬
baren Thieren gezogen: dem fabelhaften Einhorn und einem noch fabelhafteren
Seeungeheuer, halb Roß halb Fisch mit gräulichen Schwimmkrallen. Das Ge-
,spMn deutet auf die Weltherrschaft über Laud und Meer. Auf einem der Thiere
steht ein kecker Wagenlenker, und bläst in die Tuba des römischen Ruhmes. Aber
^ tönt nichts daraus hervor als: Varus, Varus, gieb mir meine Legionen wie¬
der! Der kleine Varus hat sich auch bereits in sein Schwert geworfen, und
Boden liegt erschlagen ein anderer Römer, zwischen dessen Schenkeln ein Zweig
der ' deutschen Eiche auswärts strebt. Ein kindlicher Deutscher mit Haarzops und
Speer schaut über die Arabeske recht naiv verwundert in das schöne Land herein,
dem auch wir die vollen Trauben hängen sehen. Der Bürgerkrieg in Rom
bricht ans. Zwei wilde Rangen balgen, kratzen und beißen einander: Cäsar und
Po'npejus, Beide mit Lorbeerkränzen geschmückt. Ueber ihnen' hängen Krone,
Scepter, Schwert, wonach der Eine langt, während der Andere sie als ein ihm
^'stehendes Eigenthum vertheidigt. Neben ihnen wirft sich die weinende Noma,
der beiden ringenden Knaben gemeinsame Flamme, jammernd rücküber und geräth
^U'ni in eine Lage, in der ihr die Krone nothwendig von dem Lockenköpfchen
^!kam muß. Nun erscheint das Kreuz mit dem Dornenkranzc, der in einem
Nimbus strahlenden Sonnenglanz ausströmt. Zwei heidnische Krieger decken sich
geblendet mit ihren Schilden gegen des Lichtes Wirkung. ES sind die befreiten
Nationen, die wir vorher unter römischem Joche weinen s^den. Vom Kreuze
Angell die Schlange herab, und beißt in den Todtenkopf, welcher des Kreuzes
Unterlage bildet. So erhebt sich das Kreuz über dem Märthrthum der Glan-


Wir sehen den ältern Brutus als Richter seines Sohnes, der flehend und gefes¬
selt gleich seinem strafbaren Genossen ans den Knien liegt. Der Scharfrichter
klettert schon mit dem Beile über die Arabeske. Mucius Scävola, ein gar furcht¬
barer kleiner Kerl, die Schlachthanbe ans dem Kops, ein hölzernes Schwert an
der Seite, streckt seine Faust in das aus einem Blumenkelch hervorbrechende
Feuer. Am Boden liegt ein Erschlagener, dem der hölzerne Degen entfällt. Ver¬
muthlich hat ihn ein tüchtiger Puff weinend niedergeworfen. Ein kindlich naiver
Porsenna schaut in höchst komischer Verwunderung mit weit aufgerissenen Augen
und verschränkten Armen auf die That des Mucius. An diese Verherrlichung
römischer Abhärtung und Verachtung gegen die Gefahr schließt sich der Triumph-
zug eines römischen Feldherrn. Der Trinmphirende sitzt im Wagen, um das
Haupt einen dicken Lorbeerkranz, in der Rechten das Scepter, aus der Linken
die Statue der capitolinischen Juno, welche ihm mit jeder Hand einen Lorbeer¬
kranz darbietet. Vor ihm liegt ein Bündel. Fasans, zwei andere in der Schvß-
kelle des Wagens, an den die unterjochte Erde gefesselt ist, das arme Kind rei¬
tet auf einem Löwen, hat als Städtetragendc die Mauerkrone ans dem Haupte,
'n der Hand den Erdball und zwei dicke Thränen auf der Wange. Der rö¬
mische Adler fliegt hinter dem Wagen her, und dieser wird von zwei wunder¬
baren Thieren gezogen: dem fabelhaften Einhorn und einem noch fabelhafteren
Seeungeheuer, halb Roß halb Fisch mit gräulichen Schwimmkrallen. Das Ge-
,spMn deutet auf die Weltherrschaft über Laud und Meer. Auf einem der Thiere
steht ein kecker Wagenlenker, und bläst in die Tuba des römischen Ruhmes. Aber
^ tönt nichts daraus hervor als: Varus, Varus, gieb mir meine Legionen wie¬
der! Der kleine Varus hat sich auch bereits in sein Schwert geworfen, und
Boden liegt erschlagen ein anderer Römer, zwischen dessen Schenkeln ein Zweig
der ' deutschen Eiche auswärts strebt. Ein kindlicher Deutscher mit Haarzops und
Speer schaut über die Arabeske recht naiv verwundert in das schöne Land herein,
dem auch wir die vollen Trauben hängen sehen. Der Bürgerkrieg in Rom
bricht ans. Zwei wilde Rangen balgen, kratzen und beißen einander: Cäsar und
Po'npejus, Beide mit Lorbeerkränzen geschmückt. Ueber ihnen' hängen Krone,
Scepter, Schwert, wonach der Eine langt, während der Andere sie als ein ihm
^'stehendes Eigenthum vertheidigt. Neben ihnen wirft sich die weinende Noma,
der beiden ringenden Knaben gemeinsame Flamme, jammernd rücküber und geräth
^U'ni in eine Lage, in der ihr die Krone nothwendig von dem Lockenköpfchen
^!kam muß. Nun erscheint das Kreuz mit dem Dornenkranzc, der in einem
Nimbus strahlenden Sonnenglanz ausströmt. Zwei heidnische Krieger decken sich
geblendet mit ihren Schilden gegen des Lichtes Wirkung. ES sind die befreiten
Nationen, die wir vorher unter römischem Joche weinen s^den. Vom Kreuze
Angell die Schlange herab, und beißt in den Todtenkopf, welcher des Kreuzes
Unterlage bildet. So erhebt sich das Kreuz über dem Märthrthum der Glan-


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[0257] Wir sehen den ältern Brutus als Richter seines Sohnes, der flehend und gefes¬ selt gleich seinem strafbaren Genossen ans den Knien liegt. Der Scharfrichter klettert schon mit dem Beile über die Arabeske. Mucius Scävola, ein gar furcht¬ barer kleiner Kerl, die Schlachthanbe ans dem Kops, ein hölzernes Schwert an der Seite, streckt seine Faust in das aus einem Blumenkelch hervorbrechende Feuer. Am Boden liegt ein Erschlagener, dem der hölzerne Degen entfällt. Ver¬ muthlich hat ihn ein tüchtiger Puff weinend niedergeworfen. Ein kindlich naiver Porsenna schaut in höchst komischer Verwunderung mit weit aufgerissenen Augen und verschränkten Armen auf die That des Mucius. An diese Verherrlichung römischer Abhärtung und Verachtung gegen die Gefahr schließt sich der Triumph- zug eines römischen Feldherrn. Der Trinmphirende sitzt im Wagen, um das Haupt einen dicken Lorbeerkranz, in der Rechten das Scepter, aus der Linken die Statue der capitolinischen Juno, welche ihm mit jeder Hand einen Lorbeer¬ kranz darbietet. Vor ihm liegt ein Bündel. Fasans, zwei andere in der Schvß- kelle des Wagens, an den die unterjochte Erde gefesselt ist, das arme Kind rei¬ tet auf einem Löwen, hat als Städtetragendc die Mauerkrone ans dem Haupte, 'n der Hand den Erdball und zwei dicke Thränen auf der Wange. Der rö¬ mische Adler fliegt hinter dem Wagen her, und dieser wird von zwei wunder¬ baren Thieren gezogen: dem fabelhaften Einhorn und einem noch fabelhafteren Seeungeheuer, halb Roß halb Fisch mit gräulichen Schwimmkrallen. Das Ge- ,spMn deutet auf die Weltherrschaft über Laud und Meer. Auf einem der Thiere steht ein kecker Wagenlenker, und bläst in die Tuba des römischen Ruhmes. Aber ^ tönt nichts daraus hervor als: Varus, Varus, gieb mir meine Legionen wie¬ der! Der kleine Varus hat sich auch bereits in sein Schwert geworfen, und Boden liegt erschlagen ein anderer Römer, zwischen dessen Schenkeln ein Zweig der ' deutschen Eiche auswärts strebt. Ein kindlicher Deutscher mit Haarzops und Speer schaut über die Arabeske recht naiv verwundert in das schöne Land herein, dem auch wir die vollen Trauben hängen sehen. Der Bürgerkrieg in Rom bricht ans. Zwei wilde Rangen balgen, kratzen und beißen einander: Cäsar und Po'npejus, Beide mit Lorbeerkränzen geschmückt. Ueber ihnen' hängen Krone, Scepter, Schwert, wonach der Eine langt, während der Andere sie als ein ihm ^'stehendes Eigenthum vertheidigt. Neben ihnen wirft sich die weinende Noma, der beiden ringenden Knaben gemeinsame Flamme, jammernd rücküber und geräth ^U'ni in eine Lage, in der ihr die Krone nothwendig von dem Lockenköpfchen ^!kam muß. Nun erscheint das Kreuz mit dem Dornenkranzc, der in einem Nimbus strahlenden Sonnenglanz ausströmt. Zwei heidnische Krieger decken sich geblendet mit ihren Schilden gegen des Lichtes Wirkung. ES sind die befreiten Nationen, die wir vorher unter römischem Joche weinen s^den. Vom Kreuze Angell die Schlange herab, und beißt in den Todtenkopf, welcher des Kreuzes Unterlage bildet. So erhebt sich das Kreuz über dem Märthrthum der Glan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/257>, abgerufen am 19.05.2024.