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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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ebenfalls, um irgend eine hohe Person zu befördern, im Swinemünder Hafen lag.
Da die russischen Ofstciere und Matrosen das Privilegium, daß die Kriegsschiffe zu
Kronstäbe von den Zollbeamten nicht untersucht werden, benutzten, um große
Quantitäten von Waaren aller Art dort einzuschmuggeln, so hatte der Stirner
anch viele Kaffee-, Zucker- und Nnmsässer für dieselben von Stettin nach Swine-
münde mitgebracht. Bei der Ausladung dieser Waaren, durch die dazu cvmmau-
dirten 40--30 russischen Matrosen zeigten diese körperliche Schwäche und see¬
männische Ungeschicklichkeit. Zwei dänische Matrosen Verrichteteil so viel wie vier
russische, und ich sah, wie ein Däne ein großes Zuckerfaß, das drei Russen
nicht fortbewege" konnten, anscheinend ohne viele Anstrengung fortschob. Auch
schienen die Dänen gerade nicht viel Vorliebe für ihre russischen Kameraden vom
letzten Kriege zu zeigen, und Matrose" und Ofstciere machten sich vielfach über
dieselben lustig. Der russische Einfluß, wenn auch jetzt noch mächtig in Kopen¬
hagen, wird bei den Däne" auf die Länge große Opposition finden, denn der
ganze schroff ausgeprägte dänische Nationalcharakter widersteht dem russischen Wesen
zu sehr. -- Die russischen Waaren waren endlich ausgeladen. Der Capitain trat auf
die Brücke oberhalb des Radkastens, der Stirner setzte sich in Bewegung, und
war bald an den großartigen Swinemünder Molen, die -- nebenbei bemerkt
zu-den bedeutendsten derartigen Bauten des europäischen-Festlandes gehören, vor¬
bei, in das Meer hiuausgebraust. Ungefähr ein Dutzend der kleinen Kanonen¬
boote der preußischen Marine manövrirte auf der Swinemünder Rhede im Feuer.
Mit aufmerksamen Blicken verfolgten die Scevfficiere unsres Dampfers alle Be¬
wegungen der Boote durch ihre Fernröhre, und theilten sich laut in dänischer
Sprache ihre Bemerkungen über dieselben mit; anch die Matrosen sam¬
melten sich in Haufen auf dem Verdecke, diese schwachen Anfänge der preußischen
Flotte zu beurtheile". Die Kauoneubvote ruderten und feuerten übrigens schnell
und geschickt, was anch die dänische" Seeleute im Allgemeinen anerkannten. N"es
lange trug uns der Wind den Schall ihrer schweren Geschütze auf das Meer
nach, gleichsam als wollte man den Dänen zeigen, daß Preußen auch bis zu"i
Meer reiche. Zum Meer! Es ist nur das "ja^u' ü In um-.", Denn wie
kläglich schwach ist diese Vertheidigung noch! Man weiß, mit welchem bornirten
Haß in manchen höheren Kreisen Alles, was für die Heranbildung einer tüchtigen
Flotte von Wichtigkeit sein konnte, mißfällt, weil mau dadurch an das Jahr -I8i8
erinnert werden dürste. Man muß sich aber an deu deutschen Ostseeküsten die Ein¬
zelheiten von dem kläglichen Zustand, in dem alle Vertheidigungsanstalten der¬
selben bisher waren, ja theilweise noch sind, darstellen lassen, um unsre erbärm¬
liche Schwäche aufs Neue zu empfinden. Was man im Auslande über uns spricht,
davon schweige ich lieber. Ein Preuße oder Deutscher, der jetzt im Auslande
reift, muß leider nur zu viel Anekdoten, Spott und Vorwürfe über unsre
Schwäche und klägliche Abhängigkeit von Rußland vernehmen.


ebenfalls, um irgend eine hohe Person zu befördern, im Swinemünder Hafen lag.
Da die russischen Ofstciere und Matrosen das Privilegium, daß die Kriegsschiffe zu
Kronstäbe von den Zollbeamten nicht untersucht werden, benutzten, um große
Quantitäten von Waaren aller Art dort einzuschmuggeln, so hatte der Stirner
anch viele Kaffee-, Zucker- und Nnmsässer für dieselben von Stettin nach Swine-
münde mitgebracht. Bei der Ausladung dieser Waaren, durch die dazu cvmmau-
dirten 40—30 russischen Matrosen zeigten diese körperliche Schwäche und see¬
männische Ungeschicklichkeit. Zwei dänische Matrosen Verrichteteil so viel wie vier
russische, und ich sah, wie ein Däne ein großes Zuckerfaß, das drei Russen
nicht fortbewege» konnten, anscheinend ohne viele Anstrengung fortschob. Auch
schienen die Dänen gerade nicht viel Vorliebe für ihre russischen Kameraden vom
letzten Kriege zu zeigen, und Matrose» und Ofstciere machten sich vielfach über
dieselben lustig. Der russische Einfluß, wenn auch jetzt noch mächtig in Kopen¬
hagen, wird bei den Däne» auf die Länge große Opposition finden, denn der
ganze schroff ausgeprägte dänische Nationalcharakter widersteht dem russischen Wesen
zu sehr. — Die russischen Waaren waren endlich ausgeladen. Der Capitain trat auf
die Brücke oberhalb des Radkastens, der Stirner setzte sich in Bewegung, und
war bald an den großartigen Swinemünder Molen, die — nebenbei bemerkt
zu-den bedeutendsten derartigen Bauten des europäischen-Festlandes gehören, vor¬
bei, in das Meer hiuausgebraust. Ungefähr ein Dutzend der kleinen Kanonen¬
boote der preußischen Marine manövrirte auf der Swinemünder Rhede im Feuer.
Mit aufmerksamen Blicken verfolgten die Scevfficiere unsres Dampfers alle Be¬
wegungen der Boote durch ihre Fernröhre, und theilten sich laut in dänischer
Sprache ihre Bemerkungen über dieselben mit; anch die Matrosen sam¬
melten sich in Haufen auf dem Verdecke, diese schwachen Anfänge der preußischen
Flotte zu beurtheile». Die Kauoneubvote ruderten und feuerten übrigens schnell
und geschickt, was anch die dänische» Seeleute im Allgemeinen anerkannten. N»es
lange trug uns der Wind den Schall ihrer schweren Geschütze auf das Meer
nach, gleichsam als wollte man den Dänen zeigen, daß Preußen auch bis zu»i
Meer reiche. Zum Meer! Es ist nur das „ja^u' ü In um-.", Denn wie
kläglich schwach ist diese Vertheidigung noch! Man weiß, mit welchem bornirten
Haß in manchen höheren Kreisen Alles, was für die Heranbildung einer tüchtigen
Flotte von Wichtigkeit sein konnte, mißfällt, weil mau dadurch an das Jahr -I8i8
erinnert werden dürste. Man muß sich aber an deu deutschen Ostseeküsten die Ein¬
zelheiten von dem kläglichen Zustand, in dem alle Vertheidigungsanstalten der¬
selben bisher waren, ja theilweise noch sind, darstellen lassen, um unsre erbärm¬
liche Schwäche aufs Neue zu empfinden. Was man im Auslande über uns spricht,
davon schweige ich lieber. Ein Preuße oder Deutscher, der jetzt im Auslande
reift, muß leider nur zu viel Anekdoten, Spott und Vorwürfe über unsre
Schwäche und klägliche Abhängigkeit von Rußland vernehmen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/260>, abgerufen am 07.05.2024.