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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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unsrer Annäherung zu warnen. Ein zweiter Matrose saß vorn in der Galliote, um nach
anderen Schiffen anSzuguckeu. Trvjz dieser Vorsichtsmaßregeln hätten um doch
um ein Haar einen Zusammenstoß mit einer englische" "Collieröbrigg" gehabt,
der für beide Fahrzeuge leicht verderblich hätte sein können. Mit der verwegenen
Sorglosigkeit, welche englische Kauffahrer so hänfig zeigen, hatte die Brigg
weder mit der Glocke geläutet, was bei starkem Nebel in einem viel befahrenen
Fahrwasser sonst von jedem Schiff geschieht, noch selbst einen Ausguck angestellt.
So tauchte plötzlich, kaum ein Paar Klaftern von uus, das große Gebäude dieses
Fahrzeuges wie ein Geisterschiff "us dem Nebel auf, gerade seinen Kiel auf uns
zurichtend. Nur die große Geistesgegenwart des ersten Lieutenants und die
rasche Befolgung seiner Befehle verhinderten den Zusammenstoß. Kaum eine
halbe Klafter weit schössen wir vor dem Engländer vorbei, dem dann von einen"
unsrer Officiere durch das Sprachrohr eine Menge von Flüchen und Verweisen
über seine Nachlässigkeit nachgerufen wurden.

Die Landung in Kopenhagen war gerade nicht angenehm, und flößte mir
wenig Vertrauen zu der gastlichen Ausnahme ein, die ich daselbst erwarten durfte. Ja>
hatte unter meinem Gepäck noch einen holsteinischen Officiersmantelsack, der den
dänischen Zollbeamten sehr unangenehm in die Augen fallen mußte, denn ans <^
meinen weiten Reisen sind meine Sachen nie so rücksichtslos visitirt worden, als
in der Zollbnde hier am Landungsplajz. Auch nicht d,as kleinste Fältchen in den
zusammengelegten Hemden blieb ununtersucht, und auch mein Mantel, an dem der
Offtcierskragen den dänischen Augen nicht angenehm sein mußte, ward nicht versah^
wogegen ich die edle Rache nahm, diesem gehässigen Eifer der Zöllner mit großer
Gemüthsruhe zuzuschauen. Nach der Untersuchung meiner Sachen kam denn a"et)
die meines Passes durch einen gleichfalls bösartigen Polizeibeamten an die
Reihe. Da mein übrigens sehr guter, und mit allen möglichen gesandtschaftliche"
Visas geschmückter deutscher Paß zufällig uicht mit auf Dänemark lautete, so hatte ich
mir in weiser Fürsorge einen nach Kopenhagen ausgestellten Paß von einem eugliiche"
Consulat geben lassen, den noch dazu ein dänischer Generalconsul visirt hatte.
Man macht im Auslande die für unsren deutschen Nationalstolz -- wenn über¬
haupt jetzt von einem solchen die Rede sein kann -- gerade nicht erfreuliche Er¬
fahrung, wie viel höher der geringste englische oder französische Consulatspaß
geachtet wird, als der beste deutsche, ja selbst preußische Paß. Noch in CaM
hatte ich vor wonig Wochen ansehen müssen, daß ein sächsischer Handlungsreisem
der von den spanischen Polizeibehörden auf gemeine Weise tnrbirt wurde, und sich
endlich nur durch eine Hand voll Realen von ihnen loskaufen konnte, weil se">
sächsischer Cabinetspaß zufällig nicht mit auf Cadix visirt war. Ein- Malteser I"^
dagegen, der nnr einen Paß von einem englischen Consulat batie, ward ohne die
mindeste Zögerung abgefertigt, obgleich auch sein Papier keine Spur von einem
Visnm nach Cadix besaß.


unsrer Annäherung zu warnen. Ein zweiter Matrose saß vorn in der Galliote, um nach
anderen Schiffen anSzuguckeu. Trvjz dieser Vorsichtsmaßregeln hätten um doch
um ein Haar einen Zusammenstoß mit einer englische« „Collieröbrigg" gehabt,
der für beide Fahrzeuge leicht verderblich hätte sein können. Mit der verwegenen
Sorglosigkeit, welche englische Kauffahrer so hänfig zeigen, hatte die Brigg
weder mit der Glocke geläutet, was bei starkem Nebel in einem viel befahrenen
Fahrwasser sonst von jedem Schiff geschieht, noch selbst einen Ausguck angestellt.
So tauchte plötzlich, kaum ein Paar Klaftern von uus, das große Gebäude dieses
Fahrzeuges wie ein Geisterschiff «us dem Nebel auf, gerade seinen Kiel auf uns
zurichtend. Nur die große Geistesgegenwart des ersten Lieutenants und die
rasche Befolgung seiner Befehle verhinderten den Zusammenstoß. Kaum eine
halbe Klafter weit schössen wir vor dem Engländer vorbei, dem dann von einen«
unsrer Officiere durch das Sprachrohr eine Menge von Flüchen und Verweisen
über seine Nachlässigkeit nachgerufen wurden.

Die Landung in Kopenhagen war gerade nicht angenehm, und flößte mir
wenig Vertrauen zu der gastlichen Ausnahme ein, die ich daselbst erwarten durfte. Ja>
hatte unter meinem Gepäck noch einen holsteinischen Officiersmantelsack, der den
dänischen Zollbeamten sehr unangenehm in die Augen fallen mußte, denn ans <^
meinen weiten Reisen sind meine Sachen nie so rücksichtslos visitirt worden, als
in der Zollbnde hier am Landungsplajz. Auch nicht d,as kleinste Fältchen in den
zusammengelegten Hemden blieb ununtersucht, und auch mein Mantel, an dem der
Offtcierskragen den dänischen Augen nicht angenehm sein mußte, ward nicht versah^
wogegen ich die edle Rache nahm, diesem gehässigen Eifer der Zöllner mit großer
Gemüthsruhe zuzuschauen. Nach der Untersuchung meiner Sachen kam denn a»et)
die meines Passes durch einen gleichfalls bösartigen Polizeibeamten an die
Reihe. Da mein übrigens sehr guter, und mit allen möglichen gesandtschaftliche»
Visas geschmückter deutscher Paß zufällig uicht mit auf Dänemark lautete, so hatte ich
mir in weiser Fürsorge einen nach Kopenhagen ausgestellten Paß von einem eugliiche»
Consulat geben lassen, den noch dazu ein dänischer Generalconsul visirt hatte.
Man macht im Auslande die für unsren deutschen Nationalstolz — wenn über¬
haupt jetzt von einem solchen die Rede sein kann — gerade nicht erfreuliche Er¬
fahrung, wie viel höher der geringste englische oder französische Consulatspaß
geachtet wird, als der beste deutsche, ja selbst preußische Paß. Noch in CaM
hatte ich vor wonig Wochen ansehen müssen, daß ein sächsischer Handlungsreisem
der von den spanischen Polizeibehörden auf gemeine Weise tnrbirt wurde, und sich
endlich nur durch eine Hand voll Realen von ihnen loskaufen konnte, weil se">
sächsischer Cabinetspaß zufällig nicht mit auf Cadix visirt war. Ein- Malteser I"^
dagegen, der nnr einen Paß von einem englischen Consulat batie, ward ohne die
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Visnm nach Cadix besaß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/262>, abgerufen am 10.06.2024.