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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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gen, oder im guten Fall noch etwas mehr, und dies Land mit einer Frucht be¬
stellt, die gut bezahlt wird, vielleicht gar mit ein Paar feinen Obstbäumen an den
Ecken, und in dem Hause eine fleißige, reinliche Frau und etwa ein Viertel-
dntzend gesunder Kinder; das ist ein deutsches Tagelöhncrglück, welches für den
fleißigen und geschickten Arbeiter durchaus nicht unerreichbar ist, und welches dem
sparsamen möglich zu machen, Aufgabe jedes braven Mannes, vor Allem jedes
guten Fürsten sein soll. Fast jeder Mensch kann dazu auf seine Weise helfen.

Diemeisten Thüringer Regierungen haben eingesehen, wie schädlich für ihre Staaten
die gegenwärtigen Ackerbauverhältnisse sind, und gerade jetzt wird die Arrondirung deS
Grundbesitzes in mehreren derselben energisch betrieben. Leider ist ein großer Wider¬
wille der Betheiligten zu überwinden, zumal der kleinen Leute, die als Proletarier des
Ackerbaues in den Gemeindeversammlungen sehr aufgeregt und sehr unverständig
dagegen lärmen. Die thüringischen Regierungen haben'zwar manchmal zu viel
und bis ins Kleine regiert, aber sie sind doch gewohnt, die Gefühle ihrer Bür¬
ger zu achten und zu schonen, und deshalb zuweilen in Gefahr, dem falsch ver¬
standenen egoistischen Interesse einzelner Klassen zum Schaden des Ganzen nach¬
zugeben. Die jetzt herrschende politische Lethargie macht es den Fürsten verhält¬
nißmäßig leicht, die Majoritäten ihrer Volksvertretung für entschiedene organisatorische
Gesetze zu gewinnen. Sie können keinen edlern Gebrauch von dieser augenblicklichen
Omnipotenz machen, als wenn sie dieselbe dazu benutzen, krankhafte Zustände
ihrer schönen Länder, selbst halb gegen den Willen der Leidenden zu heilen.

Es ist aber, nicht genug, das Zusammenlege" der Grundstücke zu befördern,
ja in gewissen Fällen die Widerstrebenden durch das Gesetz zu zwingen, denn bei
der herrschenden Volkssitte und der alten Hypothetenordnnng wird auch geschlos¬
sener Grundbesitz sehr bald wieder zerfallen. Es ist nöthig, daß auch die
Hypothekenbücher eine Einrichtung erhalten, wodurch die zusammengelegte"
Ackerstücke durch el" Folium, durch gemeinsame Schulden und gemeinsame
Abgabe" an einander gebunden werden. Eine Regulirung deö Hypotheken-
weseuö sowol als der gesammten Gruudabgaben muß mit dem neuen Aqrargcsetz
verbunden sein, wenn seine segensreiche" Folgen "icht illusorisch werden sollen-
Das ist eine edle Rege"te"aufgäbe für alle jetzt lebe"deu Fürsten Thüringens;
es ist jetzt in ihre Hände gegeben, die Lajidescnltur in ausgezeichneter Weise zu
heben, einen gesunden und starken Bauernstand zu schaffen, und ihre Länder,
für welche Natur und Schönheitssinn bereits so viel gethan habe", in eine"
Garde" zu verwandeln, wo die schöne nud reiche Landschaft, Schlösser und Wäl¬
der, Berge und Thäler geschmückt und umgeben sind mit den zahllosen kleine"
Gütercvmplexen tüchtiger und deshalb glücklicher Menschen.




gen, oder im guten Fall noch etwas mehr, und dies Land mit einer Frucht be¬
stellt, die gut bezahlt wird, vielleicht gar mit ein Paar feinen Obstbäumen an den
Ecken, und in dem Hause eine fleißige, reinliche Frau und etwa ein Viertel-
dntzend gesunder Kinder; das ist ein deutsches Tagelöhncrglück, welches für den
fleißigen und geschickten Arbeiter durchaus nicht unerreichbar ist, und welches dem
sparsamen möglich zu machen, Aufgabe jedes braven Mannes, vor Allem jedes
guten Fürsten sein soll. Fast jeder Mensch kann dazu auf seine Weise helfen.

Diemeisten Thüringer Regierungen haben eingesehen, wie schädlich für ihre Staaten
die gegenwärtigen Ackerbauverhältnisse sind, und gerade jetzt wird die Arrondirung deS
Grundbesitzes in mehreren derselben energisch betrieben. Leider ist ein großer Wider¬
wille der Betheiligten zu überwinden, zumal der kleinen Leute, die als Proletarier des
Ackerbaues in den Gemeindeversammlungen sehr aufgeregt und sehr unverständig
dagegen lärmen. Die thüringischen Regierungen haben'zwar manchmal zu viel
und bis ins Kleine regiert, aber sie sind doch gewohnt, die Gefühle ihrer Bür¬
ger zu achten und zu schonen, und deshalb zuweilen in Gefahr, dem falsch ver¬
standenen egoistischen Interesse einzelner Klassen zum Schaden des Ganzen nach¬
zugeben. Die jetzt herrschende politische Lethargie macht es den Fürsten verhält¬
nißmäßig leicht, die Majoritäten ihrer Volksvertretung für entschiedene organisatorische
Gesetze zu gewinnen. Sie können keinen edlern Gebrauch von dieser augenblicklichen
Omnipotenz machen, als wenn sie dieselbe dazu benutzen, krankhafte Zustände
ihrer schönen Länder, selbst halb gegen den Willen der Leidenden zu heilen.

Es ist aber, nicht genug, das Zusammenlege» der Grundstücke zu befördern,
ja in gewissen Fällen die Widerstrebenden durch das Gesetz zu zwingen, denn bei
der herrschenden Volkssitte und der alten Hypothetenordnnng wird auch geschlos¬
sener Grundbesitz sehr bald wieder zerfallen. Es ist nöthig, daß auch die
Hypothekenbücher eine Einrichtung erhalten, wodurch die zusammengelegte»
Ackerstücke durch el» Folium, durch gemeinsame Schulden und gemeinsame
Abgabe» an einander gebunden werden. Eine Regulirung deö Hypotheken-
weseuö sowol als der gesammten Gruudabgaben muß mit dem neuen Aqrargcsetz
verbunden sein, wenn seine segensreiche» Folgen »icht illusorisch werden sollen-
Das ist eine edle Rege»te»aufgäbe für alle jetzt lebe»deu Fürsten Thüringens;
es ist jetzt in ihre Hände gegeben, die Lajidescnltur in ausgezeichneter Weise zu
heben, einen gesunden und starken Bauernstand zu schaffen, und ihre Länder,
für welche Natur und Schönheitssinn bereits so viel gethan habe», in eine»
Garde» zu verwandeln, wo die schöne nud reiche Landschaft, Schlösser und Wäl¬
der, Berge und Thäler geschmückt und umgeben sind mit den zahllosen kleine»
Gütercvmplexen tüchtiger und deshalb glücklicher Menschen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/292>, abgerufen am 28.04.2024.