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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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er hat gerade in der Zeit, wo er als Arbeiter am nützlichsten wäre und den
höchsten Lohn verdienen würde, mit seinem eigenen Ackerfleck zu thun, und kann,
da er im Gespann von seinen Nachbarn abhängt, die er außerdem bezahlen muß,
selten sein Land gut zurichten, noch bei Saat und Ernte den richtigen Augenblick
benutzen, macht deshalb höchstens mittelmäßige, in der Regel schlechte Ernten;
und der Reinertrag, welcher ihm nach Abzug aller baaren Kosten nud des ver¬
säumten Tagelohus übrig bleibt, ist weniger als Null. Das läßt sich sehr leicht
in allen Gegenden Thüringens durch Zahlen beweisen, und es ist eine falsche
Menschenliebe, welche trotz solcher Beweise das Ackerbauproletariat zu erhalten
und zu vermehren sucht. Alles, was den Tagelöhner des Dorfes in die Ver-
suchung führt, selbst Ackerbauer zu werden, demoralistrt ihn; es verwandelt einen
gesunden nützlichen Meuscheu, der bei Fleiß und einigem Geschick nicht Noth
leiden wird, -- denn es fehlt in Thüringen, wie fast überall in Deutschland,
an brauchbaren Tagearbeiteru -- in einen schwachen, anmaßenden, unzufriedenen
Landwirth, in einen Schreier, Demagogen und fleißigen Besucher der scheute.
Dagegen denkt man in Thüringen noch wenig daran, dem ländlichen Tagearbeitcr
die Art von Bodenbesitz zu vermitteln, welche ihm allein segensreich werden und
sein Leben verschönern kann: ein Stück Gartenland bei seinem Hause, welches
er nicht mit Pflug und Egge zu Feldfrüchten, sondern mit dem Spaten zurichtet, auf
dein er mit Weib und Kind seine Freistunden vortheilhaft benutzen, und in stiller
Nebenarbeit Handclögewächse und Gartcncrzeugnisse zum Verkauf ziehen kann.
Ans solchem Grund vermag der ämsige liebevolle Fleiß des Kleinen zu erziehen,
U'as der größere Landwirt!) auf dem Ackerfeld uur selten oder gar nicht pro-
duciren kann. Durch den Verkauf des Gezogenen kann er sich einen Neben¬
verdienst verschaffen, um den ihn die meisten Besitzer einer einzelnen Hufe und
eines einzelnen Ackerpferdes beneide" werden.

Man braucht uicht nach Belgien zu reisen, oder in die deutschen Landstriche,
Tabak und Krapp gebaut wird, um zu hören, wie weit der kleine Maun
ö"res gartenmäßige Cultur seines Bodens kommen kann. Denn jede Gegend
^ einzelne Handelsgewächse, für welche ein sicherer Absatz auch dem Kleinen
'""glich wird. Er hat nicht nöthig, halbe und ganze Arbeitstage zu opfern, um
""es seinem Felde am Ende der Dorfflur zu sehen, oder gar um seiner Geis
^"s zu holen, und mit einem unheimlichen Aufwand von Zeit, Kraft und Geld
'U seinem Acker irgend etwas zu schaffe", anzuordnen, oder machen zu lassen, was
^ größere Grundeigenthümer mit seiner concentrirten Arbeitskraft in fast keiner
Zeit abmacht. Aber freilich, sein Garten muß bei seiner Wohnung liegen, damit
^ ihm deu Feierabend verwerthe und sein kleines Familienleben verschönere. Ein
kleines Wohnhaus mit einem lustigen Baum- oder Naukeugewächs daran, daneben
en> kleiner Stall mit einem rundlichen kleinen Schiveiu, und in vielen Gegenden Thu-
^"gens mit der geliebten Ziege, und dahinter ein Stück Land von V" bis '/s Mor-


er hat gerade in der Zeit, wo er als Arbeiter am nützlichsten wäre und den
höchsten Lohn verdienen würde, mit seinem eigenen Ackerfleck zu thun, und kann,
da er im Gespann von seinen Nachbarn abhängt, die er außerdem bezahlen muß,
selten sein Land gut zurichten, noch bei Saat und Ernte den richtigen Augenblick
benutzen, macht deshalb höchstens mittelmäßige, in der Regel schlechte Ernten;
und der Reinertrag, welcher ihm nach Abzug aller baaren Kosten nud des ver¬
säumten Tagelohus übrig bleibt, ist weniger als Null. Das läßt sich sehr leicht
in allen Gegenden Thüringens durch Zahlen beweisen, und es ist eine falsche
Menschenliebe, welche trotz solcher Beweise das Ackerbauproletariat zu erhalten
und zu vermehren sucht. Alles, was den Tagelöhner des Dorfes in die Ver-
suchung führt, selbst Ackerbauer zu werden, demoralistrt ihn; es verwandelt einen
gesunden nützlichen Meuscheu, der bei Fleiß und einigem Geschick nicht Noth
leiden wird, — denn es fehlt in Thüringen, wie fast überall in Deutschland,
an brauchbaren Tagearbeiteru — in einen schwachen, anmaßenden, unzufriedenen
Landwirth, in einen Schreier, Demagogen und fleißigen Besucher der scheute.
Dagegen denkt man in Thüringen noch wenig daran, dem ländlichen Tagearbeitcr
die Art von Bodenbesitz zu vermitteln, welche ihm allein segensreich werden und
sein Leben verschönern kann: ein Stück Gartenland bei seinem Hause, welches
er nicht mit Pflug und Egge zu Feldfrüchten, sondern mit dem Spaten zurichtet, auf
dein er mit Weib und Kind seine Freistunden vortheilhaft benutzen, und in stiller
Nebenarbeit Handclögewächse und Gartcncrzeugnisse zum Verkauf ziehen kann.
Ans solchem Grund vermag der ämsige liebevolle Fleiß des Kleinen zu erziehen,
U'as der größere Landwirt!) auf dem Ackerfeld uur selten oder gar nicht pro-
duciren kann. Durch den Verkauf des Gezogenen kann er sich einen Neben¬
verdienst verschaffen, um den ihn die meisten Besitzer einer einzelnen Hufe und
eines einzelnen Ackerpferdes beneide» werden.

Man braucht uicht nach Belgien zu reisen, oder in die deutschen Landstriche,
Tabak und Krapp gebaut wird, um zu hören, wie weit der kleine Maun
ö"res gartenmäßige Cultur seines Bodens kommen kann. Denn jede Gegend
^ einzelne Handelsgewächse, für welche ein sicherer Absatz auch dem Kleinen
'""glich wird. Er hat nicht nöthig, halbe und ganze Arbeitstage zu opfern, um
""es seinem Felde am Ende der Dorfflur zu sehen, oder gar um seiner Geis
^"s zu holen, und mit einem unheimlichen Aufwand von Zeit, Kraft und Geld
'U seinem Acker irgend etwas zu schaffe», anzuordnen, oder machen zu lassen, was
^ größere Grundeigenthümer mit seiner concentrirten Arbeitskraft in fast keiner
Zeit abmacht. Aber freilich, sein Garten muß bei seiner Wohnung liegen, damit
^ ihm deu Feierabend verwerthe und sein kleines Familienleben verschönere. Ein
kleines Wohnhaus mit einem lustigen Baum- oder Naukeugewächs daran, daneben
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/291>, abgerufen am 14.05.2024.