Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

da, es fehlt dem Deutschen gar nicht an Lust, seine Capitalien gegen feine Cigarren
umzutauschen, und es ist deshalb allerdings bedauerlich, daß sie im Binnenland
nicht häufiger zu haben sind. Man kauft sie am Besten über Hamburg und
Bremen. Ju Hamburg namentlich giebt es einige sehr solide Häuser, welche
das Cigarrengeschäft als Liebhaberei neben anderem überseeischen Handel treiben.

Beim Ablagern der Cigarren gelte im Allgemeinen der Grundsatz: je fetter,
dunkler und gesättigter das Blatt, desto länger die Dauer und desto großer
die Verbesserung, welche durch die Aufbewahrung an einem trockenen luf¬
tige" Ort, wo kein starker Zugwind und keine Sonnenstrahlen eindringen,
erreicht wird. Im Sommer, welcher auf das Jahr der Wickelung folgt,
erlangen sie durch das leise Nachgähren und Arbeiten eine erträgliche Reise,
und Cigarren von leichterem Blatt werden dadurch vollständig genußfähig.
Doch dauert der Auflösungsproceß der Oele und Salze in denselben ununter-
brochen fort; er wird auf gefährliche Weise beschleunigt, wenn sie abwechselnd
feuchter und trockener Wärme ausgesetzt sind. Gut gehalten, bewahren die leich¬
teren Sorten ihre Bortrcfflichkeit bis zu einem Alter von etwa sechs Jahren, die
hellsten uicht einmal so lange, dann geht die Geschmeidigkeit des Blattes verloren;
die Cigarre wird blätterig, spröde, bekommt leicht Sprünge, das Aroma erhält
große Feinheit, aber es verliert an Kraft, der Geschmack wird schaal, zuletzt strohig.
Dagegen hat die schwere, vlreichere, dickblätterige Cigarre von edler Race das
Borrecht, mit jedem Jahre liebenswürdiger zu werden. Es giebt eine gewisse
altersgraue Farbe mit schwachem röthlichem Schimmer, wer eine solche Cigarre
erreichen kann, der rauche sie, aber allein, denn jede gesellschaftliche Zerstreuung
dabei ist ein Unrecht. Leider giebt es wenig Männer in Deutschland, welche mit
Selbstverläugnung in ihrer Jugend eine Privatsammlung dauerhafter, edler Ci¬
garre" anlegen, um ihr eigenes Alter zu verschönern, oder ihre Mitmenschen zu
^freuen. Einen gab es, dessen Name auch sonst in Deutschland bekannt ist, aber
er lebt nicht mehr; das war der preußische Seehandlnngsministcr Rother, ein
seiner Kopf und Kenner guter Cigarren. -- In neuerer Zeit hat sich bei einer
kleinen Anzahl gebildeter Raucher, auch in Deutschland, ein Ilmit KcM für frische
Cigarren, allerdings von edler Art, entwickelt. Es ist nicht zu wünschen, daß
er anhalte; denn auch in den edelsten Cigarren der puella (l'kb<>,o ist im ersten
^l>re nach der Ernte, auch in den ersten Wochen, nachdem die Kiste geöffnet
ist, außer dem jugendlichen Feuer und dem starken Geruch, uoch einige Wildheit
des Blattes merkbar, und eine kleine Dosis von gewissen unterirdischen Oelen
und Salzen, welche unter Anführung des Nicotin gegen die Nerven des Ge¬
nießenden zu Felde ziehn.




da, es fehlt dem Deutschen gar nicht an Lust, seine Capitalien gegen feine Cigarren
umzutauschen, und es ist deshalb allerdings bedauerlich, daß sie im Binnenland
nicht häufiger zu haben sind. Man kauft sie am Besten über Hamburg und
Bremen. Ju Hamburg namentlich giebt es einige sehr solide Häuser, welche
das Cigarrengeschäft als Liebhaberei neben anderem überseeischen Handel treiben.

Beim Ablagern der Cigarren gelte im Allgemeinen der Grundsatz: je fetter,
dunkler und gesättigter das Blatt, desto länger die Dauer und desto großer
die Verbesserung, welche durch die Aufbewahrung an einem trockenen luf¬
tige« Ort, wo kein starker Zugwind und keine Sonnenstrahlen eindringen,
erreicht wird. Im Sommer, welcher auf das Jahr der Wickelung folgt,
erlangen sie durch das leise Nachgähren und Arbeiten eine erträgliche Reise,
und Cigarren von leichterem Blatt werden dadurch vollständig genußfähig.
Doch dauert der Auflösungsproceß der Oele und Salze in denselben ununter-
brochen fort; er wird auf gefährliche Weise beschleunigt, wenn sie abwechselnd
feuchter und trockener Wärme ausgesetzt sind. Gut gehalten, bewahren die leich¬
teren Sorten ihre Bortrcfflichkeit bis zu einem Alter von etwa sechs Jahren, die
hellsten uicht einmal so lange, dann geht die Geschmeidigkeit des Blattes verloren;
die Cigarre wird blätterig, spröde, bekommt leicht Sprünge, das Aroma erhält
große Feinheit, aber es verliert an Kraft, der Geschmack wird schaal, zuletzt strohig.
Dagegen hat die schwere, vlreichere, dickblätterige Cigarre von edler Race das
Borrecht, mit jedem Jahre liebenswürdiger zu werden. Es giebt eine gewisse
altersgraue Farbe mit schwachem röthlichem Schimmer, wer eine solche Cigarre
erreichen kann, der rauche sie, aber allein, denn jede gesellschaftliche Zerstreuung
dabei ist ein Unrecht. Leider giebt es wenig Männer in Deutschland, welche mit
Selbstverläugnung in ihrer Jugend eine Privatsammlung dauerhafter, edler Ci¬
garre» anlegen, um ihr eigenes Alter zu verschönern, oder ihre Mitmenschen zu
^freuen. Einen gab es, dessen Name auch sonst in Deutschland bekannt ist, aber
er lebt nicht mehr; das war der preußische Seehandlnngsministcr Rother, ein
seiner Kopf und Kenner guter Cigarren. — In neuerer Zeit hat sich bei einer
kleinen Anzahl gebildeter Raucher, auch in Deutschland, ein Ilmit KcM für frische
Cigarren, allerdings von edler Art, entwickelt. Es ist nicht zu wünschen, daß
er anhalte; denn auch in den edelsten Cigarren der puella (l'kb<>,o ist im ersten
^l>re nach der Ernte, auch in den ersten Wochen, nachdem die Kiste geöffnet
ist, außer dem jugendlichen Feuer und dem starken Geruch, uoch einige Wildheit
des Blattes merkbar, und eine kleine Dosis von gewissen unterirdischen Oelen
und Salzen, welche unter Anführung des Nicotin gegen die Nerven des Ge¬
nießenden zu Felde ziehn.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280716"/>
          <p xml:id="ID_315" prev="#ID_314"> da, es fehlt dem Deutschen gar nicht an Lust, seine Capitalien gegen feine Cigarren<lb/>
umzutauschen, und es ist deshalb allerdings bedauerlich, daß sie im Binnenland<lb/>
nicht häufiger zu haben sind. Man kauft sie am Besten über Hamburg und<lb/>
Bremen. Ju Hamburg namentlich giebt es einige sehr solide Häuser, welche<lb/>
das Cigarrengeschäft als Liebhaberei neben anderem überseeischen Handel treiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_316"> Beim Ablagern der Cigarren gelte im Allgemeinen der Grundsatz: je fetter,<lb/>
dunkler und gesättigter das Blatt, desto länger die Dauer und desto großer<lb/>
die Verbesserung, welche durch die Aufbewahrung an einem trockenen luf¬<lb/>
tige« Ort, wo kein starker Zugwind und keine Sonnenstrahlen eindringen,<lb/>
erreicht wird. Im Sommer, welcher auf das Jahr der Wickelung folgt,<lb/>
erlangen sie durch das leise Nachgähren und Arbeiten eine erträgliche Reise,<lb/>
und Cigarren von leichterem Blatt werden dadurch vollständig genußfähig.<lb/>
Doch dauert der Auflösungsproceß der Oele und Salze in denselben ununter-<lb/>
brochen fort; er wird auf gefährliche Weise beschleunigt, wenn sie abwechselnd<lb/>
feuchter und trockener Wärme ausgesetzt sind. Gut gehalten, bewahren die leich¬<lb/>
teren Sorten ihre Bortrcfflichkeit bis zu einem Alter von etwa sechs Jahren, die<lb/>
hellsten uicht einmal so lange, dann geht die Geschmeidigkeit des Blattes verloren;<lb/>
die Cigarre wird blätterig, spröde, bekommt leicht Sprünge, das Aroma erhält<lb/>
große Feinheit, aber es verliert an Kraft, der Geschmack wird schaal, zuletzt strohig.<lb/>
Dagegen hat die schwere, vlreichere, dickblätterige Cigarre von edler Race das<lb/>
Borrecht, mit jedem Jahre liebenswürdiger zu werden. Es giebt eine gewisse<lb/>
altersgraue Farbe mit schwachem röthlichem Schimmer, wer eine solche Cigarre<lb/>
erreichen kann, der rauche sie, aber allein, denn jede gesellschaftliche Zerstreuung<lb/>
dabei ist ein Unrecht. Leider giebt es wenig Männer in Deutschland, welche mit<lb/>
Selbstverläugnung in ihrer Jugend eine Privatsammlung dauerhafter, edler Ci¬<lb/>
garre» anlegen, um ihr eigenes Alter zu verschönern, oder ihre Mitmenschen zu<lb/>
^freuen. Einen gab es, dessen Name auch sonst in Deutschland bekannt ist, aber<lb/>
er lebt nicht mehr; das war der preußische Seehandlnngsministcr Rother, ein<lb/>
seiner Kopf und Kenner guter Cigarren. &#x2014; In neuerer Zeit hat sich bei einer<lb/>
kleinen Anzahl gebildeter Raucher, auch in Deutschland, ein Ilmit KcM für frische<lb/>
Cigarren, allerdings von edler Art, entwickelt. Es ist nicht zu wünschen, daß<lb/>
er anhalte; denn auch in den edelsten Cigarren der puella (l'kb&lt;&gt;,o ist im ersten<lb/>
^l&gt;re nach der Ernte, auch in den ersten Wochen, nachdem die Kiste geöffnet<lb/>
ist, außer dem jugendlichen Feuer und dem starken Geruch, uoch einige Wildheit<lb/>
des Blattes merkbar, und eine kleine Dosis von gewissen unterirdischen Oelen<lb/>
und Salzen, welche unter Anführung des Nicotin gegen die Nerven des Ge¬<lb/>
nießenden zu Felde ziehn.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0099] da, es fehlt dem Deutschen gar nicht an Lust, seine Capitalien gegen feine Cigarren umzutauschen, und es ist deshalb allerdings bedauerlich, daß sie im Binnenland nicht häufiger zu haben sind. Man kauft sie am Besten über Hamburg und Bremen. Ju Hamburg namentlich giebt es einige sehr solide Häuser, welche das Cigarrengeschäft als Liebhaberei neben anderem überseeischen Handel treiben. Beim Ablagern der Cigarren gelte im Allgemeinen der Grundsatz: je fetter, dunkler und gesättigter das Blatt, desto länger die Dauer und desto großer die Verbesserung, welche durch die Aufbewahrung an einem trockenen luf¬ tige« Ort, wo kein starker Zugwind und keine Sonnenstrahlen eindringen, erreicht wird. Im Sommer, welcher auf das Jahr der Wickelung folgt, erlangen sie durch das leise Nachgähren und Arbeiten eine erträgliche Reise, und Cigarren von leichterem Blatt werden dadurch vollständig genußfähig. Doch dauert der Auflösungsproceß der Oele und Salze in denselben ununter- brochen fort; er wird auf gefährliche Weise beschleunigt, wenn sie abwechselnd feuchter und trockener Wärme ausgesetzt sind. Gut gehalten, bewahren die leich¬ teren Sorten ihre Bortrcfflichkeit bis zu einem Alter von etwa sechs Jahren, die hellsten uicht einmal so lange, dann geht die Geschmeidigkeit des Blattes verloren; die Cigarre wird blätterig, spröde, bekommt leicht Sprünge, das Aroma erhält große Feinheit, aber es verliert an Kraft, der Geschmack wird schaal, zuletzt strohig. Dagegen hat die schwere, vlreichere, dickblätterige Cigarre von edler Race das Borrecht, mit jedem Jahre liebenswürdiger zu werden. Es giebt eine gewisse altersgraue Farbe mit schwachem röthlichem Schimmer, wer eine solche Cigarre erreichen kann, der rauche sie, aber allein, denn jede gesellschaftliche Zerstreuung dabei ist ein Unrecht. Leider giebt es wenig Männer in Deutschland, welche mit Selbstverläugnung in ihrer Jugend eine Privatsammlung dauerhafter, edler Ci¬ garre» anlegen, um ihr eigenes Alter zu verschönern, oder ihre Mitmenschen zu ^freuen. Einen gab es, dessen Name auch sonst in Deutschland bekannt ist, aber er lebt nicht mehr; das war der preußische Seehandlnngsministcr Rother, ein seiner Kopf und Kenner guter Cigarren. — In neuerer Zeit hat sich bei einer kleinen Anzahl gebildeter Raucher, auch in Deutschland, ein Ilmit KcM für frische Cigarren, allerdings von edler Art, entwickelt. Es ist nicht zu wünschen, daß er anhalte; denn auch in den edelsten Cigarren der puella (l'kb<>,o ist im ersten ^l>re nach der Ernte, auch in den ersten Wochen, nachdem die Kiste geöffnet ist, außer dem jugendlichen Feuer und dem starken Geruch, uoch einige Wildheit des Blattes merkbar, und eine kleine Dosis von gewissen unterirdischen Oelen und Salzen, welche unter Anführung des Nicotin gegen die Nerven des Ge¬ nießenden zu Felde ziehn.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/99
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/99>, abgerufen am 28.04.2024.