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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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schlechter aus. Wehe dem Bauer oder Aufseher, der es wagen wollte, das Haus
des Herrn anders zu nennen, als MnsKi palae, eine unmäßige Tracht von Prü¬
geln würde die uuverzögerte Folge sein. Das Sprichwort des Edelmanns ist:
"Mu Krot na noiMn ssrunüis" ich bin König auf meinem Grund und Boden.
Aber sein Palast ist doch nicht viel besser als eine Hütte ohne Stockwerke
nur mit Schindeln gedeckt, und wie ein Bauernhaus ans Holzbohlen zusammen¬
gesetzt, aber durch weißen Kalkanstrich geschmückt. Auch der Umfang des Palastes
ist bedeutender als der der Chalupa, zum Wenigsten enthält er einen Küchenraum,
eine große Parcelle, welche Speisesaal genannt wird und der Familie zum Em¬
pfang der Gäste und geselligen Verkehr dient; außerdem noch zwei Stuben des
Herrn, die andern der gnädigen Frau. Alle diese Zimmer sind gedielt, auch sind die
Bohlenwände bisweilen mit Kalk übertüncht und geebnet. Allein der Kalk ist der
ganze Farbenschmuck, denn ein gemaltes Zimmer ist sehr selten zu finden. Gar¬
dinen, Bilder und andere Bedürfnisse des europäischen Westens fehlen sehr oft, und
die Möbel sind dann die rohen Producte axtgeschickter Bauern, gewöhnlich mit schwarzer
Oelfarbe überstrichen. Secretaire, Commodeu, Spiegel und Sopha findet man
in der Regel nicht; Stühle, Tische und plumpe in die Holzbohlenwand gearbeitete
Schränke, welche ebenso wie die Wände mit Kalk bestrichen sind, bilden den Haus¬
rath, dazu einige große hölzerne Kasten, welche den Dienst des Kleiderspindes
verrichten. Kammern sind selten vorhanden; man schläft in den Stuben, die
Gäste im Speisesaale ans einer Streu, die am Tage wieder weggeräumt wird.
Jeder Pole ist, da ihm die Gebräuche seines Landes heilig sind, mit derartigen
Gastbetten vollkommen zufrieden. Auf der Besitzung eines Grafen Skarbek war
ich ein Mal der Schlafgenosse eines jungen Fürsten Lnbecki, eines ungewöhnlich
stolzen Burschen, aber weder die Streu noch ihre kleinen Insassen befremdeten ihn.
Natürlich gibt es viele Ausnahmen. So besitzt der Graf Potocki in Wilanow ein ganz
hübsches Wohnhaus, und aus dem ehemalig Czartoryiskischen, wie auch ans den
fürstlich Zamoiskischen und Jablonowskischen Herrschaften findet man einige Ge¬
bäude, die den Titel Palais zu führen berechtigt sind. Aber solche sind so große
Seltenheiten, daß die Polen sie für Sehenswürdigkeiten halten und zum Ziel¬
punkte ihrer Vergnügungsreisen machen.

Seltsamer Weise befinden sich in der Regel nahe beim Palast die Schweine¬
ställe. Sie zeichnen sich durch Tüchtigkeit und Eleganz des Baues vor allen an¬
dern Wirtschaftsgebäuden ans. Es ist dies sonderbar, da der polnische Edel¬
mann nie etwas vom Schwein genießt, ausgenommen das wenige Fett, welches
die Zubereitung der Speise" erfordert. Das Fleisch der Schweine wird dem
Gesinde zu Theil. Und doch ist ihre Zucht die einzige Branche der polnischen
Landwirthschaft, welche den deutschen Viehzüchtern zum Beispiel dienen könnte.
Die Race ist ungleich kräftiger als in Deutschland. Die fortwährende Weide
während des Sommers, welche freilich in Deutschland, außer etwa in Westphalen


Grenzvotcn. II. 1851. 18

schlechter aus. Wehe dem Bauer oder Aufseher, der es wagen wollte, das Haus
des Herrn anders zu nennen, als MnsKi palae, eine unmäßige Tracht von Prü¬
geln würde die uuverzögerte Folge sein. Das Sprichwort des Edelmanns ist:
„Mu Krot na noiMn ssrunüis" ich bin König auf meinem Grund und Boden.
Aber sein Palast ist doch nicht viel besser als eine Hütte ohne Stockwerke
nur mit Schindeln gedeckt, und wie ein Bauernhaus ans Holzbohlen zusammen¬
gesetzt, aber durch weißen Kalkanstrich geschmückt. Auch der Umfang des Palastes
ist bedeutender als der der Chalupa, zum Wenigsten enthält er einen Küchenraum,
eine große Parcelle, welche Speisesaal genannt wird und der Familie zum Em¬
pfang der Gäste und geselligen Verkehr dient; außerdem noch zwei Stuben des
Herrn, die andern der gnädigen Frau. Alle diese Zimmer sind gedielt, auch sind die
Bohlenwände bisweilen mit Kalk übertüncht und geebnet. Allein der Kalk ist der
ganze Farbenschmuck, denn ein gemaltes Zimmer ist sehr selten zu finden. Gar¬
dinen, Bilder und andere Bedürfnisse des europäischen Westens fehlen sehr oft, und
die Möbel sind dann die rohen Producte axtgeschickter Bauern, gewöhnlich mit schwarzer
Oelfarbe überstrichen. Secretaire, Commodeu, Spiegel und Sopha findet man
in der Regel nicht; Stühle, Tische und plumpe in die Holzbohlenwand gearbeitete
Schränke, welche ebenso wie die Wände mit Kalk bestrichen sind, bilden den Haus¬
rath, dazu einige große hölzerne Kasten, welche den Dienst des Kleiderspindes
verrichten. Kammern sind selten vorhanden; man schläft in den Stuben, die
Gäste im Speisesaale ans einer Streu, die am Tage wieder weggeräumt wird.
Jeder Pole ist, da ihm die Gebräuche seines Landes heilig sind, mit derartigen
Gastbetten vollkommen zufrieden. Auf der Besitzung eines Grafen Skarbek war
ich ein Mal der Schlafgenosse eines jungen Fürsten Lnbecki, eines ungewöhnlich
stolzen Burschen, aber weder die Streu noch ihre kleinen Insassen befremdeten ihn.
Natürlich gibt es viele Ausnahmen. So besitzt der Graf Potocki in Wilanow ein ganz
hübsches Wohnhaus, und aus dem ehemalig Czartoryiskischen, wie auch ans den
fürstlich Zamoiskischen und Jablonowskischen Herrschaften findet man einige Ge¬
bäude, die den Titel Palais zu führen berechtigt sind. Aber solche sind so große
Seltenheiten, daß die Polen sie für Sehenswürdigkeiten halten und zum Ziel¬
punkte ihrer Vergnügungsreisen machen.

Seltsamer Weise befinden sich in der Regel nahe beim Palast die Schweine¬
ställe. Sie zeichnen sich durch Tüchtigkeit und Eleganz des Baues vor allen an¬
dern Wirtschaftsgebäuden ans. Es ist dies sonderbar, da der polnische Edel¬
mann nie etwas vom Schwein genießt, ausgenommen das wenige Fett, welches
die Zubereitung der Speise» erfordert. Das Fleisch der Schweine wird dem
Gesinde zu Theil. Und doch ist ihre Zucht die einzige Branche der polnischen
Landwirthschaft, welche den deutschen Viehzüchtern zum Beispiel dienen könnte.
Die Race ist ungleich kräftiger als in Deutschland. Die fortwährende Weide
während des Sommers, welche freilich in Deutschland, außer etwa in Westphalen


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[0149] schlechter aus. Wehe dem Bauer oder Aufseher, der es wagen wollte, das Haus des Herrn anders zu nennen, als MnsKi palae, eine unmäßige Tracht von Prü¬ geln würde die uuverzögerte Folge sein. Das Sprichwort des Edelmanns ist: „Mu Krot na noiMn ssrunüis" ich bin König auf meinem Grund und Boden. Aber sein Palast ist doch nicht viel besser als eine Hütte ohne Stockwerke nur mit Schindeln gedeckt, und wie ein Bauernhaus ans Holzbohlen zusammen¬ gesetzt, aber durch weißen Kalkanstrich geschmückt. Auch der Umfang des Palastes ist bedeutender als der der Chalupa, zum Wenigsten enthält er einen Küchenraum, eine große Parcelle, welche Speisesaal genannt wird und der Familie zum Em¬ pfang der Gäste und geselligen Verkehr dient; außerdem noch zwei Stuben des Herrn, die andern der gnädigen Frau. Alle diese Zimmer sind gedielt, auch sind die Bohlenwände bisweilen mit Kalk übertüncht und geebnet. Allein der Kalk ist der ganze Farbenschmuck, denn ein gemaltes Zimmer ist sehr selten zu finden. Gar¬ dinen, Bilder und andere Bedürfnisse des europäischen Westens fehlen sehr oft, und die Möbel sind dann die rohen Producte axtgeschickter Bauern, gewöhnlich mit schwarzer Oelfarbe überstrichen. Secretaire, Commodeu, Spiegel und Sopha findet man in der Regel nicht; Stühle, Tische und plumpe in die Holzbohlenwand gearbeitete Schränke, welche ebenso wie die Wände mit Kalk bestrichen sind, bilden den Haus¬ rath, dazu einige große hölzerne Kasten, welche den Dienst des Kleiderspindes verrichten. Kammern sind selten vorhanden; man schläft in den Stuben, die Gäste im Speisesaale ans einer Streu, die am Tage wieder weggeräumt wird. Jeder Pole ist, da ihm die Gebräuche seines Landes heilig sind, mit derartigen Gastbetten vollkommen zufrieden. Auf der Besitzung eines Grafen Skarbek war ich ein Mal der Schlafgenosse eines jungen Fürsten Lnbecki, eines ungewöhnlich stolzen Burschen, aber weder die Streu noch ihre kleinen Insassen befremdeten ihn. Natürlich gibt es viele Ausnahmen. So besitzt der Graf Potocki in Wilanow ein ganz hübsches Wohnhaus, und aus dem ehemalig Czartoryiskischen, wie auch ans den fürstlich Zamoiskischen und Jablonowskischen Herrschaften findet man einige Ge¬ bäude, die den Titel Palais zu führen berechtigt sind. Aber solche sind so große Seltenheiten, daß die Polen sie für Sehenswürdigkeiten halten und zum Ziel¬ punkte ihrer Vergnügungsreisen machen. Seltsamer Weise befinden sich in der Regel nahe beim Palast die Schweine¬ ställe. Sie zeichnen sich durch Tüchtigkeit und Eleganz des Baues vor allen an¬ dern Wirtschaftsgebäuden ans. Es ist dies sonderbar, da der polnische Edel¬ mann nie etwas vom Schwein genießt, ausgenommen das wenige Fett, welches die Zubereitung der Speise» erfordert. Das Fleisch der Schweine wird dem Gesinde zu Theil. Und doch ist ihre Zucht die einzige Branche der polnischen Landwirthschaft, welche den deutschen Viehzüchtern zum Beispiel dienen könnte. Die Race ist ungleich kräftiger als in Deutschland. Die fortwährende Weide während des Sommers, welche freilich in Deutschland, außer etwa in Westphalen Grenzvotcn. II. 1851. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/149>, abgerufen am 15.05.2024.