Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

u. s. w. unmöglich wäre, ist ihnen besonders zuträglich, und die polnischen Schweine
besitzen deshalb eine Lebenslust, welche den Deutschen in Verwunderung versetzt.
Man muß eine Heerde sich in den Brüchen und Morasten des Landes tummeln
sehen. Welch grotesker Humor in diesen für dumm und melancholisch gehaltenen
Thieren!

Es macht keine Freude, die übrigen Theile des Edelhofs aufzusuchen und zu
betrachten. Dort enthält eine erbärmliche hölzerne Hütte eine Art von Branntwein¬
brennerei, hier ein eben solches Gebäude eine schlechte Brauerei. Ein gutgefngtes
Bohlengcbände in der Nähe des Palais umschließt die Naturalieuvorräthe und mit
ihm in Verbindung steht in der Regel ein ebenso dicht und fest gebautes Ställ-
chen, in welchem die Füchse aufbewahrt werden.

Denn der polnische Edelherr ist ein überaus leidenschaftlicher Freund der
Fuchshetzen. Das ganze Jahr hindurch fängt er Füchse, kauft dieselben auch wol
ans, um im Herbst seine Hetzen zu halten. Dazu ladet er die ganze adelige Nach¬
barschaft ein. Zunächst wird ein splendides Mahl eingenommen, dann schwingt
sich Alles auf die Pferde. Der Grundherr dirigirt -- das ist sein Vorrecht --
die Hundekoppeln und reitet daher in einer wahren Wolke von Windhunden.
So geht es auf den Hetzplatz, gewöhnlich eine ebene vom Walde begränzte Fcld-
oder Wiesenfläche. Die Reiter außer dem Grundherrn und einigen Hetzgehilfen
besetzen den Wald. Nun werdeu die Füchse je zwei in großen Körben oder Säcken
gebracht und der erste Act beginnt, indem der Grundherr die Hunde ihre Feinde
wittern läßt und ihre Begierde reizt. Der erlauchte Festgeber geraes dabei zu¬
weilen in Balgerei mit seinen gierigen Hunden, und es mag nicht selten vor¬
kommen, daß er, wie einst Herr von Kozowski, der Besitzer der Stadt Lowiczt
von den Hunden an den Koppelleinen vom Pferde gezogen und mit gortgeschlcis,
wird. Endlich entläßt man zwei Füchse aus ihrem Gefängniß. Einen Augen¬
blick stehen die Thiere verdutzt, plötzlich ergreifen sie die Flucht, hinter ihnen toben
die wüthenden Hunde. Natürlich eilt der Fuchs dem Walde zu; aber noch ist
er demselben nicht nahe, da sprengt ihm ein Reiter in den Weg. Er läuft in eine
andere Richtung, allein er findet ein gleiches Hinderniß. So werden die von
Angst gequälten Thiere eine Zeitlang auf dem Platze umher getrieben, bis der
Grundherr das Ende einer Koppelleine seiner Hand entschlüpfen läßt. Sogleich
stürzen sechs bis acht Windhunde den Füchsen nach. Nun erreicht das Schau¬
spiel seinen Höhepunkt. Alles ist in gewaltigster Thätigkeit, die Füchse, um in
den Wald zu entkommen, die Hunde, um die Füchse zu packen, die Reiter, um
sie nicht durch ihre Linie kommen zu lassen, und der Grundherr, um die Ueber¬
sicht über die Wendungen des Schauspiels zu behalten und im schlimmsten Falle
eine zweite Koppel zu entsenden. Das gewöhnliche Ende ist, daß die Füchse
von den Hunden gesaßt und zerrissen werden. Doch geschieht es auch nicht selten,
daß ein Individuum des schlauen Geschlechtes entkommt. In der höchsten Noth


u. s. w. unmöglich wäre, ist ihnen besonders zuträglich, und die polnischen Schweine
besitzen deshalb eine Lebenslust, welche den Deutschen in Verwunderung versetzt.
Man muß eine Heerde sich in den Brüchen und Morasten des Landes tummeln
sehen. Welch grotesker Humor in diesen für dumm und melancholisch gehaltenen
Thieren!

Es macht keine Freude, die übrigen Theile des Edelhofs aufzusuchen und zu
betrachten. Dort enthält eine erbärmliche hölzerne Hütte eine Art von Branntwein¬
brennerei, hier ein eben solches Gebäude eine schlechte Brauerei. Ein gutgefngtes
Bohlengcbände in der Nähe des Palais umschließt die Naturalieuvorräthe und mit
ihm in Verbindung steht in der Regel ein ebenso dicht und fest gebautes Ställ-
chen, in welchem die Füchse aufbewahrt werden.

Denn der polnische Edelherr ist ein überaus leidenschaftlicher Freund der
Fuchshetzen. Das ganze Jahr hindurch fängt er Füchse, kauft dieselben auch wol
ans, um im Herbst seine Hetzen zu halten. Dazu ladet er die ganze adelige Nach¬
barschaft ein. Zunächst wird ein splendides Mahl eingenommen, dann schwingt
sich Alles auf die Pferde. Der Grundherr dirigirt — das ist sein Vorrecht —
die Hundekoppeln und reitet daher in einer wahren Wolke von Windhunden.
So geht es auf den Hetzplatz, gewöhnlich eine ebene vom Walde begränzte Fcld-
oder Wiesenfläche. Die Reiter außer dem Grundherrn und einigen Hetzgehilfen
besetzen den Wald. Nun werdeu die Füchse je zwei in großen Körben oder Säcken
gebracht und der erste Act beginnt, indem der Grundherr die Hunde ihre Feinde
wittern läßt und ihre Begierde reizt. Der erlauchte Festgeber geraes dabei zu¬
weilen in Balgerei mit seinen gierigen Hunden, und es mag nicht selten vor¬
kommen, daß er, wie einst Herr von Kozowski, der Besitzer der Stadt Lowiczt
von den Hunden an den Koppelleinen vom Pferde gezogen und mit gortgeschlcis,
wird. Endlich entläßt man zwei Füchse aus ihrem Gefängniß. Einen Augen¬
blick stehen die Thiere verdutzt, plötzlich ergreifen sie die Flucht, hinter ihnen toben
die wüthenden Hunde. Natürlich eilt der Fuchs dem Walde zu; aber noch ist
er demselben nicht nahe, da sprengt ihm ein Reiter in den Weg. Er läuft in eine
andere Richtung, allein er findet ein gleiches Hinderniß. So werden die von
Angst gequälten Thiere eine Zeitlang auf dem Platze umher getrieben, bis der
Grundherr das Ende einer Koppelleine seiner Hand entschlüpfen läßt. Sogleich
stürzen sechs bis acht Windhunde den Füchsen nach. Nun erreicht das Schau¬
spiel seinen Höhepunkt. Alles ist in gewaltigster Thätigkeit, die Füchse, um in
den Wald zu entkommen, die Hunde, um die Füchse zu packen, die Reiter, um
sie nicht durch ihre Linie kommen zu lassen, und der Grundherr, um die Ueber¬
sicht über die Wendungen des Schauspiels zu behalten und im schlimmsten Falle
eine zweite Koppel zu entsenden. Das gewöhnliche Ende ist, daß die Füchse
von den Hunden gesaßt und zerrissen werden. Doch geschieht es auch nicht selten,
daß ein Individuum des schlauen Geschlechtes entkommt. In der höchsten Noth


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91343"/>
          <p xml:id="ID_414" prev="#ID_413"> u. s. w. unmöglich wäre, ist ihnen besonders zuträglich, und die polnischen Schweine<lb/>
besitzen deshalb eine Lebenslust, welche den Deutschen in Verwunderung versetzt.<lb/>
Man muß eine Heerde sich in den Brüchen und Morasten des Landes tummeln<lb/>
sehen. Welch grotesker Humor in diesen für dumm und melancholisch gehaltenen<lb/>
Thieren!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_415"> Es macht keine Freude, die übrigen Theile des Edelhofs aufzusuchen und zu<lb/>
betrachten. Dort enthält eine erbärmliche hölzerne Hütte eine Art von Branntwein¬<lb/>
brennerei, hier ein eben solches Gebäude eine schlechte Brauerei. Ein gutgefngtes<lb/>
Bohlengcbände in der Nähe des Palais umschließt die Naturalieuvorräthe und mit<lb/>
ihm in Verbindung steht in der Regel ein ebenso dicht und fest gebautes Ställ-<lb/>
chen, in welchem die Füchse aufbewahrt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_416" next="#ID_417"> Denn der polnische Edelherr ist ein überaus leidenschaftlicher Freund der<lb/>
Fuchshetzen. Das ganze Jahr hindurch fängt er Füchse, kauft dieselben auch wol<lb/>
ans, um im Herbst seine Hetzen zu halten. Dazu ladet er die ganze adelige Nach¬<lb/>
barschaft ein. Zunächst wird ein splendides Mahl eingenommen, dann schwingt<lb/>
sich Alles auf die Pferde. Der Grundherr dirigirt &#x2014; das ist sein Vorrecht &#x2014;<lb/>
die Hundekoppeln und reitet daher in einer wahren Wolke von Windhunden.<lb/>
So geht es auf den Hetzplatz, gewöhnlich eine ebene vom Walde begränzte Fcld-<lb/>
oder Wiesenfläche. Die Reiter außer dem Grundherrn und einigen Hetzgehilfen<lb/>
besetzen den Wald. Nun werdeu die Füchse je zwei in großen Körben oder Säcken<lb/>
gebracht und der erste Act beginnt, indem der Grundherr die Hunde ihre Feinde<lb/>
wittern läßt und ihre Begierde reizt. Der erlauchte Festgeber geraes dabei zu¬<lb/>
weilen in Balgerei mit seinen gierigen Hunden, und es mag nicht selten vor¬<lb/>
kommen, daß er, wie einst Herr von Kozowski, der Besitzer der Stadt Lowiczt<lb/>
von den Hunden an den Koppelleinen vom Pferde gezogen und mit gortgeschlcis,<lb/>
wird. Endlich entläßt man zwei Füchse aus ihrem Gefängniß. Einen Augen¬<lb/>
blick stehen die Thiere verdutzt, plötzlich ergreifen sie die Flucht, hinter ihnen toben<lb/>
die wüthenden Hunde. Natürlich eilt der Fuchs dem Walde zu; aber noch ist<lb/>
er demselben nicht nahe, da sprengt ihm ein Reiter in den Weg. Er läuft in eine<lb/>
andere Richtung, allein er findet ein gleiches Hinderniß. So werden die von<lb/>
Angst gequälten Thiere eine Zeitlang auf dem Platze umher getrieben, bis der<lb/>
Grundherr das Ende einer Koppelleine seiner Hand entschlüpfen läßt. Sogleich<lb/>
stürzen sechs bis acht Windhunde den Füchsen nach. Nun erreicht das Schau¬<lb/>
spiel seinen Höhepunkt. Alles ist in gewaltigster Thätigkeit, die Füchse, um in<lb/>
den Wald zu entkommen, die Hunde, um die Füchse zu packen, die Reiter, um<lb/>
sie nicht durch ihre Linie kommen zu lassen, und der Grundherr, um die Ueber¬<lb/>
sicht über die Wendungen des Schauspiels zu behalten und im schlimmsten Falle<lb/>
eine zweite Koppel zu entsenden. Das gewöhnliche Ende ist, daß die Füchse<lb/>
von den Hunden gesaßt und zerrissen werden. Doch geschieht es auch nicht selten,<lb/>
daß ein Individuum des schlauen Geschlechtes entkommt. In der höchsten Noth</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0150] u. s. w. unmöglich wäre, ist ihnen besonders zuträglich, und die polnischen Schweine besitzen deshalb eine Lebenslust, welche den Deutschen in Verwunderung versetzt. Man muß eine Heerde sich in den Brüchen und Morasten des Landes tummeln sehen. Welch grotesker Humor in diesen für dumm und melancholisch gehaltenen Thieren! Es macht keine Freude, die übrigen Theile des Edelhofs aufzusuchen und zu betrachten. Dort enthält eine erbärmliche hölzerne Hütte eine Art von Branntwein¬ brennerei, hier ein eben solches Gebäude eine schlechte Brauerei. Ein gutgefngtes Bohlengcbände in der Nähe des Palais umschließt die Naturalieuvorräthe und mit ihm in Verbindung steht in der Regel ein ebenso dicht und fest gebautes Ställ- chen, in welchem die Füchse aufbewahrt werden. Denn der polnische Edelherr ist ein überaus leidenschaftlicher Freund der Fuchshetzen. Das ganze Jahr hindurch fängt er Füchse, kauft dieselben auch wol ans, um im Herbst seine Hetzen zu halten. Dazu ladet er die ganze adelige Nach¬ barschaft ein. Zunächst wird ein splendides Mahl eingenommen, dann schwingt sich Alles auf die Pferde. Der Grundherr dirigirt — das ist sein Vorrecht — die Hundekoppeln und reitet daher in einer wahren Wolke von Windhunden. So geht es auf den Hetzplatz, gewöhnlich eine ebene vom Walde begränzte Fcld- oder Wiesenfläche. Die Reiter außer dem Grundherrn und einigen Hetzgehilfen besetzen den Wald. Nun werdeu die Füchse je zwei in großen Körben oder Säcken gebracht und der erste Act beginnt, indem der Grundherr die Hunde ihre Feinde wittern läßt und ihre Begierde reizt. Der erlauchte Festgeber geraes dabei zu¬ weilen in Balgerei mit seinen gierigen Hunden, und es mag nicht selten vor¬ kommen, daß er, wie einst Herr von Kozowski, der Besitzer der Stadt Lowiczt von den Hunden an den Koppelleinen vom Pferde gezogen und mit gortgeschlcis, wird. Endlich entläßt man zwei Füchse aus ihrem Gefängniß. Einen Augen¬ blick stehen die Thiere verdutzt, plötzlich ergreifen sie die Flucht, hinter ihnen toben die wüthenden Hunde. Natürlich eilt der Fuchs dem Walde zu; aber noch ist er demselben nicht nahe, da sprengt ihm ein Reiter in den Weg. Er läuft in eine andere Richtung, allein er findet ein gleiches Hinderniß. So werden die von Angst gequälten Thiere eine Zeitlang auf dem Platze umher getrieben, bis der Grundherr das Ende einer Koppelleine seiner Hand entschlüpfen läßt. Sogleich stürzen sechs bis acht Windhunde den Füchsen nach. Nun erreicht das Schau¬ spiel seinen Höhepunkt. Alles ist in gewaltigster Thätigkeit, die Füchse, um in den Wald zu entkommen, die Hunde, um die Füchse zu packen, die Reiter, um sie nicht durch ihre Linie kommen zu lassen, und der Grundherr, um die Ueber¬ sicht über die Wendungen des Schauspiels zu behalten und im schlimmsten Falle eine zweite Koppel zu entsenden. Das gewöhnliche Ende ist, daß die Füchse von den Hunden gesaßt und zerrissen werden. Doch geschieht es auch nicht selten, daß ein Individuum des schlauen Geschlechtes entkommt. In der höchsten Noth

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/150
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/150>, abgerufen am 31.05.2024.