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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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sind die furchtsamen Thiere wol auch einer Art von Heldenmut!) fähig, sie wenden
sich dann um und stürzen auf die Hunde, bisweilen sogar auf die Pferde. Bei
einer Fuchshetze unweit Szczebrzeszyn geschah es, daß ein Fuchs ein Pferd biß.
Das Pferd bäumte und überschlug sich mit dem Reiter, Reiter und Pferd wälzten
sich am Erdboden, die Windhunde in der Blindheit ihrer Begierde stürzten auf
Beide und zerfleischten sie gräßlich. Das Pferd kam besser weg als der Reiter,
der fast zerrissen wurde. Der Fuchs aber, den die Hunde bei dein Ereignis; aus
den Augen verloren hatten, entkam glücklich.

Man sieht daraus, daß Fuchshetzeu auch ihre kleinen Gefahren haben. Ueber¬
haupt sind die Windhunde nicht ungefährliche Jagdgehilfen. Sie sind sehr dumm,
sobald ihre Begierde, Etwas zu packen, erregt worden ist. Wehe dem lebendigen
Wesen, welches zufällig zwischen sie und das Ziel, auf welches sie losschießen, ge¬
räth, denn sie unterscheiden in ihrer Wuth sehr schlecht. Ich bin mehrere Male
bei den Fuchshetzen Augenzeuge von gefährlichen Angriffen der Windhunde auf
Menschen gewesen.

Der patriarchalische Zustand des polnischen EdelhofeS wird auch an den
Wirthschaftsgeräthen sichtbar. Sie sind ganz von der unvollkommnen Art wie
die des Bauers, und bestehen auch nur in Wagen, Pflug und Egge. Die
Wagen entbehren nicht so gänzlich des eisernen Beschlags, wenigstens haben die
Pferdewagen zwei Spanneisen, welche die Zngwage mit den äußersten Enden der
Vorderachsen verbinden. Ans vielen Edelhösen findet man Pflüge und Eggen
gar nicht, weil die Feldarbeit von den Bauern verrichtet werden muß. Die Edel
Herren halten es sogar bisweilen unter der Würde ihres Hofes, dieselben Ge-
räthe zu besitzen, mit denen ihnen der Bauer zum Dienst verpflichtet ist. Da¬
gegen setzen sie einen Stolz darein, Geräthe von ungewöhnlicher ausländischer
Construction als Schaustücke zu besitzen.

Seit die Maschinenfabrik von Evans in Warschau eine Menge fremdländischer
Acker- und Wirthschaftsgeräthe producirt und ans die Gewerbe- und Industrie¬
ausstellung des Landes, deren erste im Jahre 1839 stattfand, gebracht hat, hat
sich bei den Landedellenten eine wahre Wuth entwickelt, mit dergleichen fremden,
Dingen zu coquettiren. Manchmal kennt der Edelherr nicht einmal den Gebrauch
oder er weiß, daß sich das Geräth in seiner Wirthschaft nicht anwenden läßt,
allein er kauft es und stellt es unter seinem Fenster aus, denn es ist doch immer
ein Ding, welches Staunen erregt. So habe ich oft ans den Edelhofeu die besten
deutschen Pserdepflüge mit Rädern und mit Oelfarbe schon überstrichen gefunden,
während in der Wirthschaft der polnische Ochsenpflng herrschte; selbst kostbare
Säemaschinen, zum Theil mit farbigen Bildern bemalt -- denn die Fabrikanten
verstehen die polnischen Herren bei ihrer schwachen Seite zu fassen -- findet man,
und kann sich des Lachens nicht enthalten, wenn man auf die Felder und ihre
schmalen füuffurchigm Rücken blickt, welche den Gebrauch solcher Maschinen geradezu


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sind die furchtsamen Thiere wol auch einer Art von Heldenmut!) fähig, sie wenden
sich dann um und stürzen auf die Hunde, bisweilen sogar auf die Pferde. Bei
einer Fuchshetze unweit Szczebrzeszyn geschah es, daß ein Fuchs ein Pferd biß.
Das Pferd bäumte und überschlug sich mit dem Reiter, Reiter und Pferd wälzten
sich am Erdboden, die Windhunde in der Blindheit ihrer Begierde stürzten auf
Beide und zerfleischten sie gräßlich. Das Pferd kam besser weg als der Reiter,
der fast zerrissen wurde. Der Fuchs aber, den die Hunde bei dein Ereignis; aus
den Augen verloren hatten, entkam glücklich.

Man sieht daraus, daß Fuchshetzeu auch ihre kleinen Gefahren haben. Ueber¬
haupt sind die Windhunde nicht ungefährliche Jagdgehilfen. Sie sind sehr dumm,
sobald ihre Begierde, Etwas zu packen, erregt worden ist. Wehe dem lebendigen
Wesen, welches zufällig zwischen sie und das Ziel, auf welches sie losschießen, ge¬
räth, denn sie unterscheiden in ihrer Wuth sehr schlecht. Ich bin mehrere Male
bei den Fuchshetzen Augenzeuge von gefährlichen Angriffen der Windhunde auf
Menschen gewesen.

Der patriarchalische Zustand des polnischen EdelhofeS wird auch an den
Wirthschaftsgeräthen sichtbar. Sie sind ganz von der unvollkommnen Art wie
die des Bauers, und bestehen auch nur in Wagen, Pflug und Egge. Die
Wagen entbehren nicht so gänzlich des eisernen Beschlags, wenigstens haben die
Pferdewagen zwei Spanneisen, welche die Zngwage mit den äußersten Enden der
Vorderachsen verbinden. Ans vielen Edelhösen findet man Pflüge und Eggen
gar nicht, weil die Feldarbeit von den Bauern verrichtet werden muß. Die Edel
Herren halten es sogar bisweilen unter der Würde ihres Hofes, dieselben Ge-
räthe zu besitzen, mit denen ihnen der Bauer zum Dienst verpflichtet ist. Da¬
gegen setzen sie einen Stolz darein, Geräthe von ungewöhnlicher ausländischer
Construction als Schaustücke zu besitzen.

Seit die Maschinenfabrik von Evans in Warschau eine Menge fremdländischer
Acker- und Wirthschaftsgeräthe producirt und ans die Gewerbe- und Industrie¬
ausstellung des Landes, deren erste im Jahre 1839 stattfand, gebracht hat, hat
sich bei den Landedellenten eine wahre Wuth entwickelt, mit dergleichen fremden,
Dingen zu coquettiren. Manchmal kennt der Edelherr nicht einmal den Gebrauch
oder er weiß, daß sich das Geräth in seiner Wirthschaft nicht anwenden läßt,
allein er kauft es und stellt es unter seinem Fenster aus, denn es ist doch immer
ein Ding, welches Staunen erregt. So habe ich oft ans den Edelhofeu die besten
deutschen Pserdepflüge mit Rädern und mit Oelfarbe schon überstrichen gefunden,
während in der Wirthschaft der polnische Ochsenpflng herrschte; selbst kostbare
Säemaschinen, zum Theil mit farbigen Bildern bemalt — denn die Fabrikanten
verstehen die polnischen Herren bei ihrer schwachen Seite zu fassen — findet man,
und kann sich des Lachens nicht enthalten, wenn man auf die Felder und ihre
schmalen füuffurchigm Rücken blickt, welche den Gebrauch solcher Maschinen geradezu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/151>, abgerufen am 29.05.2024.