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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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die ihr diese Freisprechung gestattete, freudig benutzen, um sie der Universität zu
erhalten.

Da hier auch nicht wol von einem Nachtheil die Rede sein kann, den man
ihnen zufügen wollte, da mit Bestimmtheit vorauszusehen ist, daß in kürzester
Frist andere Universitäten sich diesen Fehler zu Nutze macheu werden, so konnte
das einzige zu rechtfertigende Motiv der Regierung die Erwägung sein, ob nicht
der Nachtheil des politischen Einflusses, den jene Männer dnrch ihre amtliche
Stellung auf die Studirenden ausübten, den Gewinn, den die Universität in
wissenschaftlicher Beziehung von ihnen hatte, überwog. Das Recht zu dieser
Erwägung kann der Regierung nicht bestritten werden. Es kommt nicht selten
in Deutschland vor, daß akademische Docenten ihre Stellung dazu mißbrauchen,
durch frivoles politisches Geschwätz den Dünkel, die Unklarheit und die Begriffs¬
verwirrung in den Köpfen der jungen Leute zu nähren, die ihrer Erziehung an¬
vertraut sind. In diesem Fall wird Niemand ein Einschreiten der Negierung
befremden.

Aber auch dann muß der Strafe eine Untersuchung vorhergehen. Diese
würde ergeben haben, daß sich Niemand in seinen Vorträgen strenger in den
Schranken einer energischen und gewissenhaften Gelehrsamkeit hält, als die ge¬
nannten Lehrer, daß also vou einem nachtheiligen Einfluß ihrer amtlichen Stellung
ans die Jugend in politischen Dingen nicht die Rede sein kann.

Sollte es aber die Regierung so verstanden haben, daß ein Einfluß schon
dadurch begründet wird, wenn die Jugend auf andere Weise von der politischen
Gesinnung eiues verehrten Lehrers unterrichtet wird, und sollte sie es also folge¬
recht für nöthig erachten, alle diejenigen Professoren, die nicht mit ihrem politi¬
schen Systeme übereinstimmen, zu entfernen, so würde das einerseits kaum aus¬
zuführen sein, denn es würde dann in der nächsten Zeit der studirenden Jngend
überlassen bleiben müssen, sich selbst Unterricht zu ertheilen. Freilich würde dann
allmälig die Habsucht und der Servilismus Männer genug herbeiführen, die, so
gut oder so schlecht es sein mag, den Studenten Vortrüge halten; aber dieser
Servilismus würde zugleich dem Staat alle Stüjzen entziehen, denn Leute, die
blos nach Brod gehen, und denen es einerlei ist, von wem und für welche Dienste
sie es erhalten, verlassen das Schiff, dem sie sich anvertraut habe", in jeder Ge¬
fahr. Daß aber der Staat in den gegenwärtigen Augenblicken nicht blos des
passiven Gehorsams, der sich heute vor Hassenvflng niederwirft und morgen vor
Bayrhoffer, sondern der thätigen Anstrengung aller Derer bedarf, die ihm ange¬
hören, um den Gefahren einer Revolution zu entgehen, davou könnten sich nach
gerade alle deutschen Regierungen überzeugt haben.

Da diese Angelegenheit noch nicht alle Instanzen durchgemacht hat, so können
wir zum Schluß uns die Hoffnung nicht versagen, daß die Regierung die auch
für sie sehr ernste Sache noch einmal sehr ernst in Erwägung ziehen, daß sie


die ihr diese Freisprechung gestattete, freudig benutzen, um sie der Universität zu
erhalten.

Da hier auch nicht wol von einem Nachtheil die Rede sein kann, den man
ihnen zufügen wollte, da mit Bestimmtheit vorauszusehen ist, daß in kürzester
Frist andere Universitäten sich diesen Fehler zu Nutze macheu werden, so konnte
das einzige zu rechtfertigende Motiv der Regierung die Erwägung sein, ob nicht
der Nachtheil des politischen Einflusses, den jene Männer dnrch ihre amtliche
Stellung auf die Studirenden ausübten, den Gewinn, den die Universität in
wissenschaftlicher Beziehung von ihnen hatte, überwog. Das Recht zu dieser
Erwägung kann der Regierung nicht bestritten werden. Es kommt nicht selten
in Deutschland vor, daß akademische Docenten ihre Stellung dazu mißbrauchen,
durch frivoles politisches Geschwätz den Dünkel, die Unklarheit und die Begriffs¬
verwirrung in den Köpfen der jungen Leute zu nähren, die ihrer Erziehung an¬
vertraut sind. In diesem Fall wird Niemand ein Einschreiten der Negierung
befremden.

Aber auch dann muß der Strafe eine Untersuchung vorhergehen. Diese
würde ergeben haben, daß sich Niemand in seinen Vorträgen strenger in den
Schranken einer energischen und gewissenhaften Gelehrsamkeit hält, als die ge¬
nannten Lehrer, daß also vou einem nachtheiligen Einfluß ihrer amtlichen Stellung
ans die Jugend in politischen Dingen nicht die Rede sein kann.

Sollte es aber die Regierung so verstanden haben, daß ein Einfluß schon
dadurch begründet wird, wenn die Jugend auf andere Weise von der politischen
Gesinnung eiues verehrten Lehrers unterrichtet wird, und sollte sie es also folge¬
recht für nöthig erachten, alle diejenigen Professoren, die nicht mit ihrem politi¬
schen Systeme übereinstimmen, zu entfernen, so würde das einerseits kaum aus¬
zuführen sein, denn es würde dann in der nächsten Zeit der studirenden Jngend
überlassen bleiben müssen, sich selbst Unterricht zu ertheilen. Freilich würde dann
allmälig die Habsucht und der Servilismus Männer genug herbeiführen, die, so
gut oder so schlecht es sein mag, den Studenten Vortrüge halten; aber dieser
Servilismus würde zugleich dem Staat alle Stüjzen entziehen, denn Leute, die
blos nach Brod gehen, und denen es einerlei ist, von wem und für welche Dienste
sie es erhalten, verlassen das Schiff, dem sie sich anvertraut habe», in jeder Ge¬
fahr. Daß aber der Staat in den gegenwärtigen Augenblicken nicht blos des
passiven Gehorsams, der sich heute vor Hassenvflng niederwirft und morgen vor
Bayrhoffer, sondern der thätigen Anstrengung aller Derer bedarf, die ihm ange¬
hören, um den Gefahren einer Revolution zu entgehen, davou könnten sich nach
gerade alle deutschen Regierungen überzeugt haben.

Da diese Angelegenheit noch nicht alle Instanzen durchgemacht hat, so können
wir zum Schluß uns die Hoffnung nicht versagen, daß die Regierung die auch
für sie sehr ernste Sache noch einmal sehr ernst in Erwägung ziehen, daß sie


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[0204] die ihr diese Freisprechung gestattete, freudig benutzen, um sie der Universität zu erhalten. Da hier auch nicht wol von einem Nachtheil die Rede sein kann, den man ihnen zufügen wollte, da mit Bestimmtheit vorauszusehen ist, daß in kürzester Frist andere Universitäten sich diesen Fehler zu Nutze macheu werden, so konnte das einzige zu rechtfertigende Motiv der Regierung die Erwägung sein, ob nicht der Nachtheil des politischen Einflusses, den jene Männer dnrch ihre amtliche Stellung auf die Studirenden ausübten, den Gewinn, den die Universität in wissenschaftlicher Beziehung von ihnen hatte, überwog. Das Recht zu dieser Erwägung kann der Regierung nicht bestritten werden. Es kommt nicht selten in Deutschland vor, daß akademische Docenten ihre Stellung dazu mißbrauchen, durch frivoles politisches Geschwätz den Dünkel, die Unklarheit und die Begriffs¬ verwirrung in den Köpfen der jungen Leute zu nähren, die ihrer Erziehung an¬ vertraut sind. In diesem Fall wird Niemand ein Einschreiten der Negierung befremden. Aber auch dann muß der Strafe eine Untersuchung vorhergehen. Diese würde ergeben haben, daß sich Niemand in seinen Vorträgen strenger in den Schranken einer energischen und gewissenhaften Gelehrsamkeit hält, als die ge¬ nannten Lehrer, daß also vou einem nachtheiligen Einfluß ihrer amtlichen Stellung ans die Jugend in politischen Dingen nicht die Rede sein kann. Sollte es aber die Regierung so verstanden haben, daß ein Einfluß schon dadurch begründet wird, wenn die Jugend auf andere Weise von der politischen Gesinnung eiues verehrten Lehrers unterrichtet wird, und sollte sie es also folge¬ recht für nöthig erachten, alle diejenigen Professoren, die nicht mit ihrem politi¬ schen Systeme übereinstimmen, zu entfernen, so würde das einerseits kaum aus¬ zuführen sein, denn es würde dann in der nächsten Zeit der studirenden Jngend überlassen bleiben müssen, sich selbst Unterricht zu ertheilen. Freilich würde dann allmälig die Habsucht und der Servilismus Männer genug herbeiführen, die, so gut oder so schlecht es sein mag, den Studenten Vortrüge halten; aber dieser Servilismus würde zugleich dem Staat alle Stüjzen entziehen, denn Leute, die blos nach Brod gehen, und denen es einerlei ist, von wem und für welche Dienste sie es erhalten, verlassen das Schiff, dem sie sich anvertraut habe», in jeder Ge¬ fahr. Daß aber der Staat in den gegenwärtigen Augenblicken nicht blos des passiven Gehorsams, der sich heute vor Hassenvflng niederwirft und morgen vor Bayrhoffer, sondern der thätigen Anstrengung aller Derer bedarf, die ihm ange¬ hören, um den Gefahren einer Revolution zu entgehen, davou könnten sich nach gerade alle deutschen Regierungen überzeugt haben. Da diese Angelegenheit noch nicht alle Instanzen durchgemacht hat, so können wir zum Schluß uns die Hoffnung nicht versagen, daß die Regierung die auch für sie sehr ernste Sache noch einmal sehr ernst in Erwägung ziehen, daß sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/204>, abgerufen am 14.05.2024.