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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Friedrich trägt in dein Bilde von Bronze die Gardeuniform mit Degen,
breiter Schärpe und langen Handschuhen. Die Linke führt den Zügel, von der
auf den Schenkel gestemmten Rechten hängt der Krückstock herab. Er selber sitzt
im Bügel mit eben so viel Sicherheit als Eleganz, die Gestalt, namentlich der
Nacken, ein wenig vorn übergebeugt, das Haupt, welches der bekannte dreieckige
Hut bedeckt, mit dem Hinterkopf leicht nach der rechten Schulter gebogen, so daß
das Antlitz aufwärts schaut. Im Ausdruck der Gestalt wie der Züge verbinden
sich in bewundernswerther Weise königlicher Ernst mit freier, weltmännischer
Haltung: das große Auge, dessen bezaubernden Blick die Zeitgenossen rühmen,
ist aufgeschlagen und verräth in angeregter, wenn auch ruhiger Beobachtung den
lebhaften und festen Geist. Innere Klarheit spricht aus ihm und bildet im Verein
mit der feinen Bewegung des Sarkasmus, welche die geschlossenen Lippen um¬
spielt, den Ausdruck jenes thatträstigeiuHumors, der den König kaum in der un¬
glücklichsten Lage seines Lebens jemals ganz verließ, der ihn zum liebenswürdigsten
Gesellschafter machte und seinein Charakter eine elastische Widerstandskraft verlieh
gegen jeden Ansturm des Schicksals. Eine unbeschreiblich fesselnde Gewalt liegt
in dieser klaren und doch so belebten Ruhe des ungemein ähnlichen Antlitzes, und
vor keinem neueren Werke der Sculptur hat mich der Geist der Antike so lebens¬
kräftig berührt, wie vor diesen Zügen, vor dieser Gestalt, die doch treu und wahr
der Wirklichkeit entnommen sind.

Das Roß schreitet unter seinem edlen Reiter im langsamen Paradeschritt;
die Ohren sind aufhorchend gespitzt, die Mähne flattert im Winde. Das Thier
ist hoch und kräftig gebant; dnrch die Haut spielt, in seiner bildnerischer Ausar¬
beitung, das viel verzweigte Geäder, und stellt ihm einen natürlichen, unverkenn¬
baren Adelsbrief aus.

Ich würde nun, indem der betrachtende Blick sich senkt, die allegorischen Ge¬
stalten des obern Piedestals zu schildern haben. Erlauben Sie mir jedoch einen
Sprung, der mich, uuter Vorbehalt einer spätern Rückkehr, zunächst zu der mittlern
Abtheilung des Postamentes führt. Diese trägt an sich denselben historisch-charak¬
teristischen Styl, welcher die künstlerische Behandlung der eben geschilderten Haupt¬
statue auszeichnet, den eigentlichen Styl der Berliner Schule in seiner vollendetsten
Erscheinung. Es ist ein reiches Gemälde voll interessanter Gestalten, das durch
die Anordnung in mit einander verkehrende Gruppen ein mannigfaltiges Leben
gewinnt. Die Komposition verbindet das Malerische in einer bisher unerreichten
Weise mit dem Plastischen, ohne den Eindruck des Letztern im Geringsten abzu¬
schwächen oder zu verfälschen. Durch die mannigfaltige Bewegtheit des belebten
Verkehrs zieht sich dennoch ein symmetrisches Maß, das dem Leben der Gruppen
Nichts von seiner Wahrheit raubt, dem Ganzen aber jene plastische Stimmung
verleiht, welche das Gefühl beruhigt, ohne demselben auszufallen.

Die Mitte der Vorderansicht nimmt Friedrichs Bruder, August Wilhelm,
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Friedrich trägt in dein Bilde von Bronze die Gardeuniform mit Degen,
breiter Schärpe und langen Handschuhen. Die Linke führt den Zügel, von der
auf den Schenkel gestemmten Rechten hängt der Krückstock herab. Er selber sitzt
im Bügel mit eben so viel Sicherheit als Eleganz, die Gestalt, namentlich der
Nacken, ein wenig vorn übergebeugt, das Haupt, welches der bekannte dreieckige
Hut bedeckt, mit dem Hinterkopf leicht nach der rechten Schulter gebogen, so daß
das Antlitz aufwärts schaut. Im Ausdruck der Gestalt wie der Züge verbinden
sich in bewundernswerther Weise königlicher Ernst mit freier, weltmännischer
Haltung: das große Auge, dessen bezaubernden Blick die Zeitgenossen rühmen,
ist aufgeschlagen und verräth in angeregter, wenn auch ruhiger Beobachtung den
lebhaften und festen Geist. Innere Klarheit spricht aus ihm und bildet im Verein
mit der feinen Bewegung des Sarkasmus, welche die geschlossenen Lippen um¬
spielt, den Ausdruck jenes thatträstigeiuHumors, der den König kaum in der un¬
glücklichsten Lage seines Lebens jemals ganz verließ, der ihn zum liebenswürdigsten
Gesellschafter machte und seinein Charakter eine elastische Widerstandskraft verlieh
gegen jeden Ansturm des Schicksals. Eine unbeschreiblich fesselnde Gewalt liegt
in dieser klaren und doch so belebten Ruhe des ungemein ähnlichen Antlitzes, und
vor keinem neueren Werke der Sculptur hat mich der Geist der Antike so lebens¬
kräftig berührt, wie vor diesen Zügen, vor dieser Gestalt, die doch treu und wahr
der Wirklichkeit entnommen sind.

Das Roß schreitet unter seinem edlen Reiter im langsamen Paradeschritt;
die Ohren sind aufhorchend gespitzt, die Mähne flattert im Winde. Das Thier
ist hoch und kräftig gebant; dnrch die Haut spielt, in seiner bildnerischer Ausar¬
beitung, das viel verzweigte Geäder, und stellt ihm einen natürlichen, unverkenn¬
baren Adelsbrief aus.

Ich würde nun, indem der betrachtende Blick sich senkt, die allegorischen Ge¬
stalten des obern Piedestals zu schildern haben. Erlauben Sie mir jedoch einen
Sprung, der mich, uuter Vorbehalt einer spätern Rückkehr, zunächst zu der mittlern
Abtheilung des Postamentes führt. Diese trägt an sich denselben historisch-charak¬
teristischen Styl, welcher die künstlerische Behandlung der eben geschilderten Haupt¬
statue auszeichnet, den eigentlichen Styl der Berliner Schule in seiner vollendetsten
Erscheinung. Es ist ein reiches Gemälde voll interessanter Gestalten, das durch
die Anordnung in mit einander verkehrende Gruppen ein mannigfaltiges Leben
gewinnt. Die Komposition verbindet das Malerische in einer bisher unerreichten
Weise mit dem Plastischen, ohne den Eindruck des Letztern im Geringsten abzu¬
schwächen oder zu verfälschen. Durch die mannigfaltige Bewegtheit des belebten
Verkehrs zieht sich dennoch ein symmetrisches Maß, das dem Leben der Gruppen
Nichts von seiner Wahrheit raubt, dem Ganzen aber jene plastische Stimmung
verleiht, welche das Gefühl beruhigt, ohne demselben auszufallen.

Die Mitte der Vorderansicht nimmt Friedrichs Bruder, August Wilhelm,
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[0295] Friedrich trägt in dein Bilde von Bronze die Gardeuniform mit Degen, breiter Schärpe und langen Handschuhen. Die Linke führt den Zügel, von der auf den Schenkel gestemmten Rechten hängt der Krückstock herab. Er selber sitzt im Bügel mit eben so viel Sicherheit als Eleganz, die Gestalt, namentlich der Nacken, ein wenig vorn übergebeugt, das Haupt, welches der bekannte dreieckige Hut bedeckt, mit dem Hinterkopf leicht nach der rechten Schulter gebogen, so daß das Antlitz aufwärts schaut. Im Ausdruck der Gestalt wie der Züge verbinden sich in bewundernswerther Weise königlicher Ernst mit freier, weltmännischer Haltung: das große Auge, dessen bezaubernden Blick die Zeitgenossen rühmen, ist aufgeschlagen und verräth in angeregter, wenn auch ruhiger Beobachtung den lebhaften und festen Geist. Innere Klarheit spricht aus ihm und bildet im Verein mit der feinen Bewegung des Sarkasmus, welche die geschlossenen Lippen um¬ spielt, den Ausdruck jenes thatträstigeiuHumors, der den König kaum in der un¬ glücklichsten Lage seines Lebens jemals ganz verließ, der ihn zum liebenswürdigsten Gesellschafter machte und seinein Charakter eine elastische Widerstandskraft verlieh gegen jeden Ansturm des Schicksals. Eine unbeschreiblich fesselnde Gewalt liegt in dieser klaren und doch so belebten Ruhe des ungemein ähnlichen Antlitzes, und vor keinem neueren Werke der Sculptur hat mich der Geist der Antike so lebens¬ kräftig berührt, wie vor diesen Zügen, vor dieser Gestalt, die doch treu und wahr der Wirklichkeit entnommen sind. Das Roß schreitet unter seinem edlen Reiter im langsamen Paradeschritt; die Ohren sind aufhorchend gespitzt, die Mähne flattert im Winde. Das Thier ist hoch und kräftig gebant; dnrch die Haut spielt, in seiner bildnerischer Ausar¬ beitung, das viel verzweigte Geäder, und stellt ihm einen natürlichen, unverkenn¬ baren Adelsbrief aus. Ich würde nun, indem der betrachtende Blick sich senkt, die allegorischen Ge¬ stalten des obern Piedestals zu schildern haben. Erlauben Sie mir jedoch einen Sprung, der mich, uuter Vorbehalt einer spätern Rückkehr, zunächst zu der mittlern Abtheilung des Postamentes führt. Diese trägt an sich denselben historisch-charak¬ teristischen Styl, welcher die künstlerische Behandlung der eben geschilderten Haupt¬ statue auszeichnet, den eigentlichen Styl der Berliner Schule in seiner vollendetsten Erscheinung. Es ist ein reiches Gemälde voll interessanter Gestalten, das durch die Anordnung in mit einander verkehrende Gruppen ein mannigfaltiges Leben gewinnt. Die Komposition verbindet das Malerische in einer bisher unerreichten Weise mit dem Plastischen, ohne den Eindruck des Letztern im Geringsten abzu¬ schwächen oder zu verfälschen. Durch die mannigfaltige Bewegtheit des belebten Verkehrs zieht sich dennoch ein symmetrisches Maß, das dem Leben der Gruppen Nichts von seiner Wahrheit raubt, dem Ganzen aber jene plastische Stimmung verleiht, welche das Gefühl beruhigt, ohne demselben auszufallen. Die Mitte der Vorderansicht nimmt Friedrichs Bruder, August Wilhelm, "''' 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/295>, abgerufen am 29.05.2024.