Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Jllyrismus zu seinem kroatischen Ausdrucke der serbischen Sprache be¬
dürfte. Es ist daher sehr begreiflich, daß der Jllyrismus, sobald er über die
Gaj'sche Zeitung hinauszutreten wagte und in der Politik zu experimentiren an¬
fing, sich bedenklich compromittirte und mit dem Traumgebilde seiner Existenz zu¬
gleich auch die Träumer begrub. Er verschwand vom Antlitze der Erde und nur
wenige seiner Apostel wandeln noch als lebende Ruinen eines bewußtlosen Stre-
bens und als Dupes eines falschen Apostels^in Agram herum.

Die gebildeten Classen in Kroatien bestanden, und bestehen zum Theile noch,
einzig aus Advocaten und Geistlichen. Da man behufs einer Anstellung Advocat
sein mußte, drängte sich alles zur Advocatur, deren Mitglieder in einem Lande
von kaum Menschen über fünfhundert an der Zahl waren. Die wissen¬
schaftliche Bildung dieser Juristen ist schon aus dem Umstände erkennbar, daß die¬
selben außer dem Unsinne, den man in Oestreich Philosophie nannte, nur un¬
garisches Recht und nichts weiter studierten. Die Bildung der Geistlichen war
wo möglich noch armseliger. Diese wurden in einer Spelunke, die man Priester-
semiuar nennt, von einigen alten, bornirten und rohen Pfaffen im Geiste des
Mittelalters gezogen. Wohl gelang es einzelnen Talenten trotz dieser unwürdigen
Geistesfesseln sich über das gewöhnliche Niveau der Unwissenheit zu erheben, aber
von einem soliden Wissen konnte keine Rede sein, so lauge jede Quelle desselben
von Staats wegen verschlossen war.
'

Die Anhänger Gajs waren also vor allem junge Advocaten und Geistliche,
welche wenigstens die Ahnung eines bessern Zustandes und Liebe zu ihrem Volke
hatten. Der Kampf welcher mit dem Magyarismus dnrch die Journalistik ge¬
führt wurde, erhitzte die junge Welt so sehr, daß jeder Bub^, der einen Aussatz
für die Gaj'sche Zeitung geschrieben, sich für einen Vorkämpfer der kroatischen
Nationalität, für einen fertigen Publicisten und Staatsmann hielt. Gaj konnte
solchen Leuten leicht einreden, daß er in alle europäischen Staatsgeheimniße durch
irgend eine Gottheit eingeweiht sei; er geberdete sich, Strolz der Unterstützung, die
er aus der Staatskanzlei genoß,) als ein Opfer östreichischer Politik, mit welcher
er, wenn man mit ihm unter vier Augen sprach, Höchst unzufrieden war, obwohl
ihm bald ein Erzherzog, bald irgend ein Minister über die "illyrischen Angelegen¬
heiten" die tröstlichsten Hoffnungen gab -- kurz, alle Charlatanstückchen wußte
der Mann zu gebrauchen, um seine "lieben Brüder" zu täuschen. Alle seine
"Staatsmänner" gaben sich ein so diplomatisches Air, daß man sich fragen mußte,
ob deun diese Leute für sich oder für's P.Mienen Komödie spielten? Da einige
sür mehr, andere für minder eingeweiht aalten, bildete sich alsbald eine Art von
Aristokratie, welche sich komisch genug arsuahm.

Sie gaben sich den Anschein, da,Z sie von der ganzen Welt verfolgt seien,
obwohl sie, außer einigen ans Unwmtniß der kroatischen Verhältnisse ängstlichen
und überall Gefahr witternden Magyaren und den kroatischen Altgläubigen, in der


der Jllyrismus zu seinem kroatischen Ausdrucke der serbischen Sprache be¬
dürfte. Es ist daher sehr begreiflich, daß der Jllyrismus, sobald er über die
Gaj'sche Zeitung hinauszutreten wagte und in der Politik zu experimentiren an¬
fing, sich bedenklich compromittirte und mit dem Traumgebilde seiner Existenz zu¬
gleich auch die Träumer begrub. Er verschwand vom Antlitze der Erde und nur
wenige seiner Apostel wandeln noch als lebende Ruinen eines bewußtlosen Stre-
bens und als Dupes eines falschen Apostels^in Agram herum.

Die gebildeten Classen in Kroatien bestanden, und bestehen zum Theile noch,
einzig aus Advocaten und Geistlichen. Da man behufs einer Anstellung Advocat
sein mußte, drängte sich alles zur Advocatur, deren Mitglieder in einem Lande
von kaum Menschen über fünfhundert an der Zahl waren. Die wissen¬
schaftliche Bildung dieser Juristen ist schon aus dem Umstände erkennbar, daß die¬
selben außer dem Unsinne, den man in Oestreich Philosophie nannte, nur un¬
garisches Recht und nichts weiter studierten. Die Bildung der Geistlichen war
wo möglich noch armseliger. Diese wurden in einer Spelunke, die man Priester-
semiuar nennt, von einigen alten, bornirten und rohen Pfaffen im Geiste des
Mittelalters gezogen. Wohl gelang es einzelnen Talenten trotz dieser unwürdigen
Geistesfesseln sich über das gewöhnliche Niveau der Unwissenheit zu erheben, aber
von einem soliden Wissen konnte keine Rede sein, so lauge jede Quelle desselben
von Staats wegen verschlossen war.
'

Die Anhänger Gajs waren also vor allem junge Advocaten und Geistliche,
welche wenigstens die Ahnung eines bessern Zustandes und Liebe zu ihrem Volke
hatten. Der Kampf welcher mit dem Magyarismus dnrch die Journalistik ge¬
führt wurde, erhitzte die junge Welt so sehr, daß jeder Bub^, der einen Aussatz
für die Gaj'sche Zeitung geschrieben, sich für einen Vorkämpfer der kroatischen
Nationalität, für einen fertigen Publicisten und Staatsmann hielt. Gaj konnte
solchen Leuten leicht einreden, daß er in alle europäischen Staatsgeheimniße durch
irgend eine Gottheit eingeweiht sei; er geberdete sich, Strolz der Unterstützung, die
er aus der Staatskanzlei genoß,) als ein Opfer östreichischer Politik, mit welcher
er, wenn man mit ihm unter vier Augen sprach, Höchst unzufrieden war, obwohl
ihm bald ein Erzherzog, bald irgend ein Minister über die „illyrischen Angelegen¬
heiten" die tröstlichsten Hoffnungen gab — kurz, alle Charlatanstückchen wußte
der Mann zu gebrauchen, um seine „lieben Brüder" zu täuschen. Alle seine
„Staatsmänner" gaben sich ein so diplomatisches Air, daß man sich fragen mußte,
ob deun diese Leute für sich oder für's P.Mienen Komödie spielten? Da einige
sür mehr, andere für minder eingeweiht aalten, bildete sich alsbald eine Art von
Aristokratie, welche sich komisch genug arsuahm.

Sie gaben sich den Anschein, da,Z sie von der ganzen Welt verfolgt seien,
obwohl sie, außer einigen ans Unwmtniß der kroatischen Verhältnisse ängstlichen
und überall Gefahr witternden Magyaren und den kroatischen Altgläubigen, in der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91225"/>
          <p xml:id="ID_57" prev="#ID_56"> der Jllyrismus zu seinem kroatischen Ausdrucke der serbischen Sprache be¬<lb/>
dürfte. Es ist daher sehr begreiflich, daß der Jllyrismus, sobald er über die<lb/>
Gaj'sche Zeitung hinauszutreten wagte und in der Politik zu experimentiren an¬<lb/>
fing, sich bedenklich compromittirte und mit dem Traumgebilde seiner Existenz zu¬<lb/>
gleich auch die Träumer begrub. Er verschwand vom Antlitze der Erde und nur<lb/>
wenige seiner Apostel wandeln noch als lebende Ruinen eines bewußtlosen Stre-<lb/>
bens und als Dupes eines falschen Apostels^in Agram herum.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_58"> Die gebildeten Classen in Kroatien bestanden, und bestehen zum Theile noch,<lb/>
einzig aus Advocaten und Geistlichen. Da man behufs einer Anstellung Advocat<lb/>
sein mußte, drängte sich alles zur Advocatur, deren Mitglieder in einem Lande<lb/>
von kaum Menschen über fünfhundert an der Zahl waren. Die wissen¬<lb/>
schaftliche Bildung dieser Juristen ist schon aus dem Umstände erkennbar, daß die¬<lb/>
selben außer dem Unsinne, den man in Oestreich Philosophie nannte, nur un¬<lb/>
garisches Recht und nichts weiter studierten. Die Bildung der Geistlichen war<lb/>
wo möglich noch armseliger. Diese wurden in einer Spelunke, die man Priester-<lb/>
semiuar nennt, von einigen alten, bornirten und rohen Pfaffen im Geiste des<lb/>
Mittelalters gezogen. Wohl gelang es einzelnen Talenten trotz dieser unwürdigen<lb/>
Geistesfesseln sich über das gewöhnliche Niveau der Unwissenheit zu erheben, aber<lb/>
von einem soliden Wissen konnte keine Rede sein, so lauge jede Quelle desselben<lb/>
von Staats wegen verschlossen war.<lb/>
'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_59"> Die Anhänger Gajs waren also vor allem junge Advocaten und Geistliche,<lb/>
welche wenigstens die Ahnung eines bessern Zustandes und Liebe zu ihrem Volke<lb/>
hatten. Der Kampf welcher mit dem Magyarismus dnrch die Journalistik ge¬<lb/>
führt wurde, erhitzte die junge Welt so sehr, daß jeder Bub^, der einen Aussatz<lb/>
für die Gaj'sche Zeitung geschrieben, sich für einen Vorkämpfer der kroatischen<lb/>
Nationalität, für einen fertigen Publicisten und Staatsmann hielt. Gaj konnte<lb/>
solchen Leuten leicht einreden, daß er in alle europäischen Staatsgeheimniße durch<lb/>
irgend eine Gottheit eingeweiht sei; er geberdete sich, Strolz der Unterstützung, die<lb/>
er aus der Staatskanzlei genoß,) als ein Opfer östreichischer Politik, mit welcher<lb/>
er, wenn man mit ihm unter vier Augen sprach, Höchst unzufrieden war, obwohl<lb/>
ihm bald ein Erzherzog, bald irgend ein Minister über die &#x201E;illyrischen Angelegen¬<lb/>
heiten" die tröstlichsten Hoffnungen gab &#x2014; kurz, alle Charlatanstückchen wußte<lb/>
der Mann zu gebrauchen, um seine &#x201E;lieben Brüder" zu täuschen. Alle seine<lb/>
&#x201E;Staatsmänner" gaben sich ein so diplomatisches Air, daß man sich fragen mußte,<lb/>
ob deun diese Leute für sich oder für's P.Mienen Komödie spielten? Da einige<lb/>
sür mehr, andere für minder eingeweiht aalten, bildete sich alsbald eine Art von<lb/>
Aristokratie, welche sich komisch genug arsuahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_60" next="#ID_61"> Sie gaben sich den Anschein, da,Z sie von der ganzen Welt verfolgt seien,<lb/>
obwohl sie, außer einigen ans Unwmtniß der kroatischen Verhältnisse ängstlichen<lb/>
und überall Gefahr witternden Magyaren und den kroatischen Altgläubigen, in der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] der Jllyrismus zu seinem kroatischen Ausdrucke der serbischen Sprache be¬ dürfte. Es ist daher sehr begreiflich, daß der Jllyrismus, sobald er über die Gaj'sche Zeitung hinauszutreten wagte und in der Politik zu experimentiren an¬ fing, sich bedenklich compromittirte und mit dem Traumgebilde seiner Existenz zu¬ gleich auch die Träumer begrub. Er verschwand vom Antlitze der Erde und nur wenige seiner Apostel wandeln noch als lebende Ruinen eines bewußtlosen Stre- bens und als Dupes eines falschen Apostels^in Agram herum. Die gebildeten Classen in Kroatien bestanden, und bestehen zum Theile noch, einzig aus Advocaten und Geistlichen. Da man behufs einer Anstellung Advocat sein mußte, drängte sich alles zur Advocatur, deren Mitglieder in einem Lande von kaum Menschen über fünfhundert an der Zahl waren. Die wissen¬ schaftliche Bildung dieser Juristen ist schon aus dem Umstände erkennbar, daß die¬ selben außer dem Unsinne, den man in Oestreich Philosophie nannte, nur un¬ garisches Recht und nichts weiter studierten. Die Bildung der Geistlichen war wo möglich noch armseliger. Diese wurden in einer Spelunke, die man Priester- semiuar nennt, von einigen alten, bornirten und rohen Pfaffen im Geiste des Mittelalters gezogen. Wohl gelang es einzelnen Talenten trotz dieser unwürdigen Geistesfesseln sich über das gewöhnliche Niveau der Unwissenheit zu erheben, aber von einem soliden Wissen konnte keine Rede sein, so lauge jede Quelle desselben von Staats wegen verschlossen war. ' Die Anhänger Gajs waren also vor allem junge Advocaten und Geistliche, welche wenigstens die Ahnung eines bessern Zustandes und Liebe zu ihrem Volke hatten. Der Kampf welcher mit dem Magyarismus dnrch die Journalistik ge¬ führt wurde, erhitzte die junge Welt so sehr, daß jeder Bub^, der einen Aussatz für die Gaj'sche Zeitung geschrieben, sich für einen Vorkämpfer der kroatischen Nationalität, für einen fertigen Publicisten und Staatsmann hielt. Gaj konnte solchen Leuten leicht einreden, daß er in alle europäischen Staatsgeheimniße durch irgend eine Gottheit eingeweiht sei; er geberdete sich, Strolz der Unterstützung, die er aus der Staatskanzlei genoß,) als ein Opfer östreichischer Politik, mit welcher er, wenn man mit ihm unter vier Augen sprach, Höchst unzufrieden war, obwohl ihm bald ein Erzherzog, bald irgend ein Minister über die „illyrischen Angelegen¬ heiten" die tröstlichsten Hoffnungen gab — kurz, alle Charlatanstückchen wußte der Mann zu gebrauchen, um seine „lieben Brüder" zu täuschen. Alle seine „Staatsmänner" gaben sich ein so diplomatisches Air, daß man sich fragen mußte, ob deun diese Leute für sich oder für's P.Mienen Komödie spielten? Da einige sür mehr, andere für minder eingeweiht aalten, bildete sich alsbald eine Art von Aristokratie, welche sich komisch genug arsuahm. Sie gaben sich den Anschein, da,Z sie von der ganzen Welt verfolgt seien, obwohl sie, außer einigen ans Unwmtniß der kroatischen Verhältnisse ängstlichen und überall Gefahr witternden Magyaren und den kroatischen Altgläubigen, in der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/32>, abgerufen am 15.05.2024.