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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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vische Liebe für die Nationalität, die aufrichtige Hingebung für eine Sache,
welche man zwar nicht verstand, aber für eine große Nationalangelegenheit hielt,
weil sie von Gaj ausging, hat je nach subjectiven Ansichten und Wünschen dem
Jllyrismns alle Formeu gegeben, welche man eben zu sehen wünschte. Wer den
Namen Jllyrier nicht für politische Weisheit hielt, war ein Idiot, wer den "gro¬
ßen" Gaj nicht für Gottes legitimen Statthalter in "Großillyrien ansah, war ein
"Verräther," wobei man wohlweislich nicht angab, an welcher Sache. Kurz der
Fanatismus des Völkchens gab dem der magyarischen Oppositionsmänner, die
man bekämpfen wollte, gar nichts nach , war aber eben wegen der Bedeutungs¬
losigkeit des Objectes noch lächerlicher, als jener.

Wohl gab es Leute in Kroatien, welchen die Namensveränderung nicht ge¬
fiel. Den entschiedensten Widerstand fand der Jllyrismns bei den Serben,
welche Gaj und seine Pläne alsbald durchblickten und in Zeitungen und Büchern
gegen jede Gemeinschaft mit den Jllyriern protestirten. Sie erklärten entrüstet,
daß sie mit Leuten, welche ihre Unreife so eclatant dargelegt, wie eben die Jlly¬
rier, gar nicht polemistren wollten; die Jllyrier sollten erst Geschichte lernen und
dann über historisch-nationale Verhältnisse sprechen, wenn sie etwas erlernt hätten.
Das Schisma war fertig, die Serben waren mich "Verräther"; dessen unge¬
achtet boten aber die Jllyrier unter der Hand Alles auf, um die Serben zum
Glauben zu bekehren, was natürlich nicht gelingen konnte.

Günstiger war die Aufnahme des Jllyrismns bei den von dessen Schauplatze
entfernteren Slaven, welche die Affaire nur vom Hörensagen und aus einzelnen
Aeußerungen kannkn und daher für bedeutender hielten, als sie in der That war.

Nun begann Gaj seine Rundreisen nach Dalmatien lind der Zrnagvra, nach
Böhmen nud Rußland; er sorgte für genügendes Lärmschlagen und mißbrauchte
den slavischen Patriotismus überall wie daheim zu seinen privaten Zwecken. Er
fand als Slawe überall Ac brüderlichste Ausnahme und erhielt überall Geldge¬
schenke und literarische Spenden zur Begründung einer kroatischen Nationalbiblio¬
thek, welche aber nicht durch jene, sondern dnrch im Lande aufgebotene Mittel
entstand. --

Der Jllyrismns sollte, nach der Meinung seines' Erfinders, das Band aller
südslavischen Stämme zu einem Zwecke sein, den Niemand kannte, als Gaj, der
aber unstreitig ein politischer war, Kenn man es auch heute noch nicht zugeben
mag. Gaj traute sich die Kraft zu, einen Plan mit Leuten zu erreichen, welche,
ohne Wissen, ja vielleicht ohne Ahmug des Zweckes, als willenlose Maschinen
an dessen Realisirung arbeiteten; er muthete ferner den Völkern zu, daß sie, ihre
historisch ausgeprägte Besonderheit verlernend, sich an ein unbekanntes Etwas
hingeben sollten, über dessen Natur und Tragweite zumal Gaj selbst die aben¬
teuerlichsten, ja lächerlichsten Vorstellungen ve:rieth.

Wie es mit der Hegemonie der Kroaten stand, war daraus zu sehen, daß


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vische Liebe für die Nationalität, die aufrichtige Hingebung für eine Sache,
welche man zwar nicht verstand, aber für eine große Nationalangelegenheit hielt,
weil sie von Gaj ausging, hat je nach subjectiven Ansichten und Wünschen dem
Jllyrismns alle Formeu gegeben, welche man eben zu sehen wünschte. Wer den
Namen Jllyrier nicht für politische Weisheit hielt, war ein Idiot, wer den „gro¬
ßen" Gaj nicht für Gottes legitimen Statthalter in „Großillyrien ansah, war ein
„Verräther," wobei man wohlweislich nicht angab, an welcher Sache. Kurz der
Fanatismus des Völkchens gab dem der magyarischen Oppositionsmänner, die
man bekämpfen wollte, gar nichts nach , war aber eben wegen der Bedeutungs¬
losigkeit des Objectes noch lächerlicher, als jener.

Wohl gab es Leute in Kroatien, welchen die Namensveränderung nicht ge¬
fiel. Den entschiedensten Widerstand fand der Jllyrismns bei den Serben,
welche Gaj und seine Pläne alsbald durchblickten und in Zeitungen und Büchern
gegen jede Gemeinschaft mit den Jllyriern protestirten. Sie erklärten entrüstet,
daß sie mit Leuten, welche ihre Unreife so eclatant dargelegt, wie eben die Jlly¬
rier, gar nicht polemistren wollten; die Jllyrier sollten erst Geschichte lernen und
dann über historisch-nationale Verhältnisse sprechen, wenn sie etwas erlernt hätten.
Das Schisma war fertig, die Serben waren mich „Verräther"; dessen unge¬
achtet boten aber die Jllyrier unter der Hand Alles auf, um die Serben zum
Glauben zu bekehren, was natürlich nicht gelingen konnte.

Günstiger war die Aufnahme des Jllyrismns bei den von dessen Schauplatze
entfernteren Slaven, welche die Affaire nur vom Hörensagen und aus einzelnen
Aeußerungen kannkn und daher für bedeutender hielten, als sie in der That war.

Nun begann Gaj seine Rundreisen nach Dalmatien lind der Zrnagvra, nach
Böhmen nud Rußland; er sorgte für genügendes Lärmschlagen und mißbrauchte
den slavischen Patriotismus überall wie daheim zu seinen privaten Zwecken. Er
fand als Slawe überall Ac brüderlichste Ausnahme und erhielt überall Geldge¬
schenke und literarische Spenden zur Begründung einer kroatischen Nationalbiblio¬
thek, welche aber nicht durch jene, sondern dnrch im Lande aufgebotene Mittel
entstand. —

Der Jllyrismns sollte, nach der Meinung seines' Erfinders, das Band aller
südslavischen Stämme zu einem Zwecke sein, den Niemand kannte, als Gaj, der
aber unstreitig ein politischer war, Kenn man es auch heute noch nicht zugeben
mag. Gaj traute sich die Kraft zu, einen Plan mit Leuten zu erreichen, welche,
ohne Wissen, ja vielleicht ohne Ahmug des Zweckes, als willenlose Maschinen
an dessen Realisirung arbeiteten; er muthete ferner den Völkern zu, daß sie, ihre
historisch ausgeprägte Besonderheit verlernend, sich an ein unbekanntes Etwas
hingeben sollten, über dessen Natur und Tragweite zumal Gaj selbst die aben¬
teuerlichsten, ja lächerlichsten Vorstellungen ve:rieth.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/31>, abgerufen am 15.05.2024.