Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

jede Neuerung ein Gräuel war. Sie, die um nichts weiser oder unterrichteter
waren als die jungen Apostel des Jllyrismns, sonderten sich alsbald ab, sangen
bei einem Glas guten kroatischen Weines Lamentationen über deu Ruin der guten
alten Zeit und waren hart und ungerecht gegen die neue.

Der starre kroatische Conservatismus noch 'e selbst wirkliche Verdienste der
Jllyrier nicht anerkennen, und solche Verdienste sind in der That die Feststellung
einer Orthographie, die früher gar nicht da war, die Erweckung der Leselust,
welche früher oder später doch zu einiger Bildung führen mußte, das Hervor¬
suchen interessanter alter sudslavischen Schriftwerke, von denen man vor zwanzig
oder dreißig Jahren gar nichts gewußt hatte und deren Lectüre wenigstens den
Erfolg hatte, daß man an die Möglichkeit einer neuen Literatur, wenn auch uach
Ragusanischeu Vorbildern, zu denken anfing, endlich die Einführung der Mutter¬
sprache/ins gesellige Leben, aus welchem sie durch Clerus und Advocatie ganz
ausgeschlossen war. Diese gelehrten Thebaner bedienten sich in ihrer Konver¬
sation ausschließlich eines abscheulichen und außer Ungarn und Pole" in der ganzen
gelehrten Welt völlig unverständlichen Lateins, welches als Amtssprache in den
ungarischen Kronländern galt und sich auch im geselligen Leben eingeschlichen hatte.
Die jungen Jllyrier sprachen doch wenigstens unter sich kroatisch und da sie an
den Frauen -- unter welchen es übrigens auch lateinisch redende gab! -- Bun¬
desgenossen gegen den Latinismus fanden, so war es ihnen gelungen, die kroa¬
tischen Sprache in die Konversation einzuführen, obgleich ein alter Zopf am Land¬
tage von 18^8, wo mau in kroatischer Sprache zu debattiren anfing, im tiefsten
Schmerze ausrief: "die kroatische Nationalität sei mit der lateinischen Sprache
untergegangen!" Wie weit er Recht hatte, soll hier nicht untersucht werden.

Die ungarischen Emissäre, welche sich in Kroatien aufhielten, wußten diese
Antipathien der Alten auszubeuten. Sie benutzten das Coquettireu der Jllyrier
mit der östreichischen Regierung dazu, den Munipalrechtshelden, welche nur in dem
Bunde mit der Savra, corana rsssni ihr Heil sahen, und zwar Oest¬
reich nicht liebten aber Nußland tödtlich haßten, einzureden, die armen, politisch
ganz unschuldigen Jllyrier seien Anhänger Rußlands und strebten darnach, Kroa¬
tien von Ungarn zu trennen und mit Oestreich zu vereinigen, woran die Jllyrier
freilich niemals gedacht hatten, was aber ohne ihren Willen endlich doch erfolgte.
Letzterer Plan war in den Augen der Alten das schauderhafteste Verbrechen,
weil er die Besteuerung des Adels, die Einführung des Stempels, große Abgaben,
die Bureaukratie und die Vernichtung der Mnnicipalrechte zur Folge haben mußte.
Aus diesen Altkroaten entstand allmälig die magyarische Partei, welche, ebenso
roh und kurzsichtig als die Jllyrier, letztere zum völligen Bruche mit Ungarn
trieb. Die Stellung und Politik dieser beiden Parteien zeigt deutlicher als
alle Erörterungen, wie groß die Unreife und die Begriffsverwirrung in Kroatien war.

Die illyrische Partei bestand wie erwähnt nur ans jungen Advocaten und


jede Neuerung ein Gräuel war. Sie, die um nichts weiser oder unterrichteter
waren als die jungen Apostel des Jllyrismns, sonderten sich alsbald ab, sangen
bei einem Glas guten kroatischen Weines Lamentationen über deu Ruin der guten
alten Zeit und waren hart und ungerecht gegen die neue.

Der starre kroatische Conservatismus noch 'e selbst wirkliche Verdienste der
Jllyrier nicht anerkennen, und solche Verdienste sind in der That die Feststellung
einer Orthographie, die früher gar nicht da war, die Erweckung der Leselust,
welche früher oder später doch zu einiger Bildung führen mußte, das Hervor¬
suchen interessanter alter sudslavischen Schriftwerke, von denen man vor zwanzig
oder dreißig Jahren gar nichts gewußt hatte und deren Lectüre wenigstens den
Erfolg hatte, daß man an die Möglichkeit einer neuen Literatur, wenn auch uach
Ragusanischeu Vorbildern, zu denken anfing, endlich die Einführung der Mutter¬
sprache/ins gesellige Leben, aus welchem sie durch Clerus und Advocatie ganz
ausgeschlossen war. Diese gelehrten Thebaner bedienten sich in ihrer Konver¬
sation ausschließlich eines abscheulichen und außer Ungarn und Pole» in der ganzen
gelehrten Welt völlig unverständlichen Lateins, welches als Amtssprache in den
ungarischen Kronländern galt und sich auch im geselligen Leben eingeschlichen hatte.
Die jungen Jllyrier sprachen doch wenigstens unter sich kroatisch und da sie an
den Frauen — unter welchen es übrigens auch lateinisch redende gab! — Bun¬
desgenossen gegen den Latinismus fanden, so war es ihnen gelungen, die kroa¬
tischen Sprache in die Konversation einzuführen, obgleich ein alter Zopf am Land¬
tage von 18^8, wo mau in kroatischer Sprache zu debattiren anfing, im tiefsten
Schmerze ausrief: „die kroatische Nationalität sei mit der lateinischen Sprache
untergegangen!" Wie weit er Recht hatte, soll hier nicht untersucht werden.

Die ungarischen Emissäre, welche sich in Kroatien aufhielten, wußten diese
Antipathien der Alten auszubeuten. Sie benutzten das Coquettireu der Jllyrier
mit der östreichischen Regierung dazu, den Munipalrechtshelden, welche nur in dem
Bunde mit der Savra, corana rsssni ihr Heil sahen, und zwar Oest¬
reich nicht liebten aber Nußland tödtlich haßten, einzureden, die armen, politisch
ganz unschuldigen Jllyrier seien Anhänger Rußlands und strebten darnach, Kroa¬
tien von Ungarn zu trennen und mit Oestreich zu vereinigen, woran die Jllyrier
freilich niemals gedacht hatten, was aber ohne ihren Willen endlich doch erfolgte.
Letzterer Plan war in den Augen der Alten das schauderhafteste Verbrechen,
weil er die Besteuerung des Adels, die Einführung des Stempels, große Abgaben,
die Bureaukratie und die Vernichtung der Mnnicipalrechte zur Folge haben mußte.
Aus diesen Altkroaten entstand allmälig die magyarische Partei, welche, ebenso
roh und kurzsichtig als die Jllyrier, letztere zum völligen Bruche mit Ungarn
trieb. Die Stellung und Politik dieser beiden Parteien zeigt deutlicher als
alle Erörterungen, wie groß die Unreife und die Begriffsverwirrung in Kroatien war.

Die illyrische Partei bestand wie erwähnt nur ans jungen Advocaten und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91227"/>
          <p xml:id="ID_65" prev="#ID_64"> jede Neuerung ein Gräuel war. Sie, die um nichts weiser oder unterrichteter<lb/>
waren als die jungen Apostel des Jllyrismns, sonderten sich alsbald ab, sangen<lb/>
bei einem Glas guten kroatischen Weines Lamentationen über deu Ruin der guten<lb/>
alten Zeit und waren hart und ungerecht gegen die neue.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_66"> Der starre kroatische Conservatismus noch 'e selbst wirkliche Verdienste der<lb/>
Jllyrier nicht anerkennen, und solche Verdienste sind in der That die Feststellung<lb/>
einer Orthographie, die früher gar nicht da war, die Erweckung der Leselust,<lb/>
welche früher oder später doch zu einiger Bildung führen mußte, das Hervor¬<lb/>
suchen interessanter alter sudslavischen Schriftwerke, von denen man vor zwanzig<lb/>
oder dreißig Jahren gar nichts gewußt hatte und deren Lectüre wenigstens den<lb/>
Erfolg hatte, daß man an die Möglichkeit einer neuen Literatur, wenn auch uach<lb/>
Ragusanischeu Vorbildern, zu denken anfing, endlich die Einführung der Mutter¬<lb/>
sprache/ins gesellige Leben, aus welchem sie durch Clerus und Advocatie ganz<lb/>
ausgeschlossen war. Diese gelehrten Thebaner bedienten sich in ihrer Konver¬<lb/>
sation ausschließlich eines abscheulichen und außer Ungarn und Pole» in der ganzen<lb/>
gelehrten Welt völlig unverständlichen Lateins, welches als Amtssprache in den<lb/>
ungarischen Kronländern galt und sich auch im geselligen Leben eingeschlichen hatte.<lb/>
Die jungen Jllyrier sprachen doch wenigstens unter sich kroatisch und da sie an<lb/>
den Frauen &#x2014; unter welchen es übrigens auch lateinisch redende gab! &#x2014; Bun¬<lb/>
desgenossen gegen den Latinismus fanden, so war es ihnen gelungen, die kroa¬<lb/>
tischen Sprache in die Konversation einzuführen, obgleich ein alter Zopf am Land¬<lb/>
tage von 18^8, wo mau in kroatischer Sprache zu debattiren anfing, im tiefsten<lb/>
Schmerze ausrief: &#x201E;die kroatische Nationalität sei mit der lateinischen Sprache<lb/>
untergegangen!" Wie weit er Recht hatte, soll hier nicht untersucht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_67"> Die ungarischen Emissäre, welche sich in Kroatien aufhielten, wußten diese<lb/>
Antipathien der Alten auszubeuten. Sie benutzten das Coquettireu der Jllyrier<lb/>
mit der östreichischen Regierung dazu, den Munipalrechtshelden, welche nur in dem<lb/>
Bunde mit der Savra, corana rsssni ihr Heil sahen, und zwar Oest¬<lb/>
reich nicht liebten aber Nußland tödtlich haßten, einzureden, die armen, politisch<lb/>
ganz unschuldigen Jllyrier seien Anhänger Rußlands und strebten darnach, Kroa¬<lb/>
tien von Ungarn zu trennen und mit Oestreich zu vereinigen, woran die Jllyrier<lb/>
freilich niemals gedacht hatten, was aber ohne ihren Willen endlich doch erfolgte.<lb/>
Letzterer Plan war in den Augen der Alten das schauderhafteste Verbrechen,<lb/>
weil er die Besteuerung des Adels, die Einführung des Stempels, große Abgaben,<lb/>
die Bureaukratie und die Vernichtung der Mnnicipalrechte zur Folge haben mußte.<lb/>
Aus diesen Altkroaten entstand allmälig die magyarische Partei, welche, ebenso<lb/>
roh und kurzsichtig als die Jllyrier, letztere zum völligen Bruche mit Ungarn<lb/>
trieb. Die Stellung und Politik dieser beiden Parteien zeigt deutlicher als<lb/>
alle Erörterungen, wie groß die Unreife und die Begriffsverwirrung in Kroatien war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_68" next="#ID_69"> Die illyrische Partei bestand wie erwähnt nur ans jungen Advocaten und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0034] jede Neuerung ein Gräuel war. Sie, die um nichts weiser oder unterrichteter waren als die jungen Apostel des Jllyrismns, sonderten sich alsbald ab, sangen bei einem Glas guten kroatischen Weines Lamentationen über deu Ruin der guten alten Zeit und waren hart und ungerecht gegen die neue. Der starre kroatische Conservatismus noch 'e selbst wirkliche Verdienste der Jllyrier nicht anerkennen, und solche Verdienste sind in der That die Feststellung einer Orthographie, die früher gar nicht da war, die Erweckung der Leselust, welche früher oder später doch zu einiger Bildung führen mußte, das Hervor¬ suchen interessanter alter sudslavischen Schriftwerke, von denen man vor zwanzig oder dreißig Jahren gar nichts gewußt hatte und deren Lectüre wenigstens den Erfolg hatte, daß man an die Möglichkeit einer neuen Literatur, wenn auch uach Ragusanischeu Vorbildern, zu denken anfing, endlich die Einführung der Mutter¬ sprache/ins gesellige Leben, aus welchem sie durch Clerus und Advocatie ganz ausgeschlossen war. Diese gelehrten Thebaner bedienten sich in ihrer Konver¬ sation ausschließlich eines abscheulichen und außer Ungarn und Pole» in der ganzen gelehrten Welt völlig unverständlichen Lateins, welches als Amtssprache in den ungarischen Kronländern galt und sich auch im geselligen Leben eingeschlichen hatte. Die jungen Jllyrier sprachen doch wenigstens unter sich kroatisch und da sie an den Frauen — unter welchen es übrigens auch lateinisch redende gab! — Bun¬ desgenossen gegen den Latinismus fanden, so war es ihnen gelungen, die kroa¬ tischen Sprache in die Konversation einzuführen, obgleich ein alter Zopf am Land¬ tage von 18^8, wo mau in kroatischer Sprache zu debattiren anfing, im tiefsten Schmerze ausrief: „die kroatische Nationalität sei mit der lateinischen Sprache untergegangen!" Wie weit er Recht hatte, soll hier nicht untersucht werden. Die ungarischen Emissäre, welche sich in Kroatien aufhielten, wußten diese Antipathien der Alten auszubeuten. Sie benutzten das Coquettireu der Jllyrier mit der östreichischen Regierung dazu, den Munipalrechtshelden, welche nur in dem Bunde mit der Savra, corana rsssni ihr Heil sahen, und zwar Oest¬ reich nicht liebten aber Nußland tödtlich haßten, einzureden, die armen, politisch ganz unschuldigen Jllyrier seien Anhänger Rußlands und strebten darnach, Kroa¬ tien von Ungarn zu trennen und mit Oestreich zu vereinigen, woran die Jllyrier freilich niemals gedacht hatten, was aber ohne ihren Willen endlich doch erfolgte. Letzterer Plan war in den Augen der Alten das schauderhafteste Verbrechen, weil er die Besteuerung des Adels, die Einführung des Stempels, große Abgaben, die Bureaukratie und die Vernichtung der Mnnicipalrechte zur Folge haben mußte. Aus diesen Altkroaten entstand allmälig die magyarische Partei, welche, ebenso roh und kurzsichtig als die Jllyrier, letztere zum völligen Bruche mit Ungarn trieb. Die Stellung und Politik dieser beiden Parteien zeigt deutlicher als alle Erörterungen, wie groß die Unreife und die Begriffsverwirrung in Kroatien war. Die illyrische Partei bestand wie erwähnt nur ans jungen Advocaten und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/34
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/34>, abgerufen am 15.05.2024.