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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Geistlichen, also aus bürgerlichen Elementen, welche durch die ungarische Ver¬
fassung völlig rechtlos waren. Die magyarische oder wie sie sich lieber nennen
hörte, die altkroatischc Partei war aus dem zahllosen niedern und dem höhern
Adel und dem höhern Clerus gebildet, Männern, welche schon wegen ihrer ge¬
fährlichen politischen Vorrechte an der ungarischen Verfassung hängen mußten.
Man hätte sonach denken sollen, daß die illyrische Partei das demokratische,
die magyarische das aristokratische Element repräsentire; aber weder eines noch
das andere war der Fall.

Die Jllyrier wollten freilich, gleich ihren magyarischen Gegnern, liberal sein,
weil es eben modern war, den Liberalismus zur Schau zu tragen; aber ihr
Thun und Lassen zeugte nicht viel von diesem Liberalismus. Gaj, der je nach
Bedürfniß Absolutist, Aristokrat und Liberaler zu sein wußte, warf der Aristo¬
kratie die zärtlichsten Blicke zu und entschuldigte diese Coquetterie vor den Libe¬
ralen damit, daß man sich nothwendig an die Aristokratie anlehnen und sie zum
Schilde gebrauchen müsse, um in dem aristokratischen Ungarn wirken zu können;
seine Freunde, welche gleichfalls dachten, daß man die Aristokratie als Mittel und
Werkzeug des Jllyrismus gebrauchen könne, fanden dies ganz natürlich, und
als man zwei Grafen in den Reihen der Jllyrier sah, war des Jubels und der
Siegesfreude kein Ende.

Die conservative Partei in Ungarn selbst sah dagegen bald ein, daß die
Jllyrier, wegen ihrer nationalen Antipathien gegen die mayarische Opposition,
sür sie um so brauchbarere Bundesgenossen sein würden, je ungefährlicher sie
waren: sie bemächtigten sich daher schon auf dem ungarischen Reichstage von 184V
der Jllyrier, welche, durch diese hohe Protection ganz glücklich, fortan auch getreu
der Fahne der Conservativen folgten, ohne zu merken, daß letztere ihnen in na¬
tionaler Hinsicht eben so feindlich seien, als die Opposition..

Die kroatischen Conservativen aber verbanden sich mit der. liberalen magya¬
rischen Opposition, welche letztere mit ihnen ein so leichtes Spiel hatte, daß
die kroatischen Zopfhelden und Feinde jedes Fortschrittes ihnen in allen politischen
und nationalen Fragen unbedingt und gleich Puppen folgten. Die liberalen Jlly¬
rier waren mithin streng conservativ, die conservativen Altkroaten liberal geworden
in ihrer Weise; von einem demokratischen Elemente war übrigens weder hier noch
dort die Rede.

Die Jllyrier motivirten den sonderbaren Bund damit, daß man in der fatalen
Collission zwischen Nationalität und Freiheit vor allem die Nationalität retten
müsse, welche von der liberalen ungarischen Opposition so hart bedrängt und von
den Conservativen wenn auch nicht beschützt so doch tvlerirt war. Wäre es der
ungarischen Opposition um Freiheit mehr, als um ihre nationalen Fortschritte zu thun
gewesen, so hätte sie, die doch in allen Parlamenten und bei Hofe ihre Vertrauten
und Freunde hatte, die politische Unerfahrenheit und Burschikosität der Jllyrier


Geistlichen, also aus bürgerlichen Elementen, welche durch die ungarische Ver¬
fassung völlig rechtlos waren. Die magyarische oder wie sie sich lieber nennen
hörte, die altkroatischc Partei war aus dem zahllosen niedern und dem höhern
Adel und dem höhern Clerus gebildet, Männern, welche schon wegen ihrer ge¬
fährlichen politischen Vorrechte an der ungarischen Verfassung hängen mußten.
Man hätte sonach denken sollen, daß die illyrische Partei das demokratische,
die magyarische das aristokratische Element repräsentire; aber weder eines noch
das andere war der Fall.

Die Jllyrier wollten freilich, gleich ihren magyarischen Gegnern, liberal sein,
weil es eben modern war, den Liberalismus zur Schau zu tragen; aber ihr
Thun und Lassen zeugte nicht viel von diesem Liberalismus. Gaj, der je nach
Bedürfniß Absolutist, Aristokrat und Liberaler zu sein wußte, warf der Aristo¬
kratie die zärtlichsten Blicke zu und entschuldigte diese Coquetterie vor den Libe¬
ralen damit, daß man sich nothwendig an die Aristokratie anlehnen und sie zum
Schilde gebrauchen müsse, um in dem aristokratischen Ungarn wirken zu können;
seine Freunde, welche gleichfalls dachten, daß man die Aristokratie als Mittel und
Werkzeug des Jllyrismus gebrauchen könne, fanden dies ganz natürlich, und
als man zwei Grafen in den Reihen der Jllyrier sah, war des Jubels und der
Siegesfreude kein Ende.

Die conservative Partei in Ungarn selbst sah dagegen bald ein, daß die
Jllyrier, wegen ihrer nationalen Antipathien gegen die mayarische Opposition,
sür sie um so brauchbarere Bundesgenossen sein würden, je ungefährlicher sie
waren: sie bemächtigten sich daher schon auf dem ungarischen Reichstage von 184V
der Jllyrier, welche, durch diese hohe Protection ganz glücklich, fortan auch getreu
der Fahne der Conservativen folgten, ohne zu merken, daß letztere ihnen in na¬
tionaler Hinsicht eben so feindlich seien, als die Opposition..

Die kroatischen Conservativen aber verbanden sich mit der. liberalen magya¬
rischen Opposition, welche letztere mit ihnen ein so leichtes Spiel hatte, daß
die kroatischen Zopfhelden und Feinde jedes Fortschrittes ihnen in allen politischen
und nationalen Fragen unbedingt und gleich Puppen folgten. Die liberalen Jlly¬
rier waren mithin streng conservativ, die conservativen Altkroaten liberal geworden
in ihrer Weise; von einem demokratischen Elemente war übrigens weder hier noch
dort die Rede.

Die Jllyrier motivirten den sonderbaren Bund damit, daß man in der fatalen
Collission zwischen Nationalität und Freiheit vor allem die Nationalität retten
müsse, welche von der liberalen ungarischen Opposition so hart bedrängt und von
den Conservativen wenn auch nicht beschützt so doch tvlerirt war. Wäre es der
ungarischen Opposition um Freiheit mehr, als um ihre nationalen Fortschritte zu thun
gewesen, so hätte sie, die doch in allen Parlamenten und bei Hofe ihre Vertrauten
und Freunde hatte, die politische Unerfahrenheit und Burschikosität der Jllyrier


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[0035] Geistlichen, also aus bürgerlichen Elementen, welche durch die ungarische Ver¬ fassung völlig rechtlos waren. Die magyarische oder wie sie sich lieber nennen hörte, die altkroatischc Partei war aus dem zahllosen niedern und dem höhern Adel und dem höhern Clerus gebildet, Männern, welche schon wegen ihrer ge¬ fährlichen politischen Vorrechte an der ungarischen Verfassung hängen mußten. Man hätte sonach denken sollen, daß die illyrische Partei das demokratische, die magyarische das aristokratische Element repräsentire; aber weder eines noch das andere war der Fall. Die Jllyrier wollten freilich, gleich ihren magyarischen Gegnern, liberal sein, weil es eben modern war, den Liberalismus zur Schau zu tragen; aber ihr Thun und Lassen zeugte nicht viel von diesem Liberalismus. Gaj, der je nach Bedürfniß Absolutist, Aristokrat und Liberaler zu sein wußte, warf der Aristo¬ kratie die zärtlichsten Blicke zu und entschuldigte diese Coquetterie vor den Libe¬ ralen damit, daß man sich nothwendig an die Aristokratie anlehnen und sie zum Schilde gebrauchen müsse, um in dem aristokratischen Ungarn wirken zu können; seine Freunde, welche gleichfalls dachten, daß man die Aristokratie als Mittel und Werkzeug des Jllyrismus gebrauchen könne, fanden dies ganz natürlich, und als man zwei Grafen in den Reihen der Jllyrier sah, war des Jubels und der Siegesfreude kein Ende. Die conservative Partei in Ungarn selbst sah dagegen bald ein, daß die Jllyrier, wegen ihrer nationalen Antipathien gegen die mayarische Opposition, sür sie um so brauchbarere Bundesgenossen sein würden, je ungefährlicher sie waren: sie bemächtigten sich daher schon auf dem ungarischen Reichstage von 184V der Jllyrier, welche, durch diese hohe Protection ganz glücklich, fortan auch getreu der Fahne der Conservativen folgten, ohne zu merken, daß letztere ihnen in na¬ tionaler Hinsicht eben so feindlich seien, als die Opposition.. Die kroatischen Conservativen aber verbanden sich mit der. liberalen magya¬ rischen Opposition, welche letztere mit ihnen ein so leichtes Spiel hatte, daß die kroatischen Zopfhelden und Feinde jedes Fortschrittes ihnen in allen politischen und nationalen Fragen unbedingt und gleich Puppen folgten. Die liberalen Jlly¬ rier waren mithin streng conservativ, die conservativen Altkroaten liberal geworden in ihrer Weise; von einem demokratischen Elemente war übrigens weder hier noch dort die Rede. Die Jllyrier motivirten den sonderbaren Bund damit, daß man in der fatalen Collission zwischen Nationalität und Freiheit vor allem die Nationalität retten müsse, welche von der liberalen ungarischen Opposition so hart bedrängt und von den Conservativen wenn auch nicht beschützt so doch tvlerirt war. Wäre es der ungarischen Opposition um Freiheit mehr, als um ihre nationalen Fortschritte zu thun gewesen, so hätte sie, die doch in allen Parlamenten und bei Hofe ihre Vertrauten und Freunde hatte, die politische Unerfahrenheit und Burschikosität der Jllyrier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/35>, abgerufen am 15.05.2024.