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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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einignng von "schön Hannchen" mit ihrem Geliebten zu bewirken, als Zauberer auf¬
trat. Um seinen magischen Spuk zu vollführen, citirte er den großen Geister- und
Teufelsbeschwörer Zumpt herbei, und in je rascheren Schwingungen er mit staunens¬
werther Volubilität der Zunge die hehre Zauberformel


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und so weiter bis zum letzten Gliede in der unabsehbaren Reihe der "neununddreißig
auf ein is," die Jedem einst ein Schrecken gewesen waren, erschallen ließ, um so
fröhlicher, um so lauter wurde das Gelächter. Der jetzigen Größe sich stolz bewußt,
dachte man zurück an die Zeiten von Sexta, wo man ans dem "kleinen Zumpt^
diese und andere Herrlichkeiten mit saurer Mühe sich hatte einbläuen müssen; man
erinnerte sich der scheuen Ehrfurcht, mit der der Pädagog, dem das traurige Loos
zugefallen war, die straucheluden Schritte Sexta's zu leiten, bei dem ersten Versuche
zum Erklimmen der "steilen Höh", wo auch die Wissenschaften stehn, den Namen
Zumpt ausgesprochen hatte. Und gar der "große Zumpt" -- dieser Inbegriff
aller Weisheit des Präceptors in Tertia, dieser Urquell jeder Präparation auf
Cicero und auf Livius -- wie oft hatte man ihn angestaunt, wie oft ihn verwünscht.
Mit dem Leben eines jeden Einzelnen war Zumpt verwachsen, sein Name konnte
als das Symbol einer Entwickelungsstufe dienen, die Jeder durchgemacht hatte,
der sich einst dem Dienste der Musen widmen wollte. Man fand es ganz natürlich,
daß, wie Virgilius, der "Dichter" des Römerthums par <zxo"zU"zue<z, späteren Ge¬
schlechtern als Orakelspender und Zauberer erschien, so auch Zumpt als ein über¬
natürliches, mächtiges Wesen heraufbeschworen wurde. Aber Virgil wurde erst
nach seinem Tode so gefeiert -- Zumpt geschah Größeres: er lebte noch, als er schon
ein Mythos geworden war. Denn etwa 1835 erlebte jene Posse ihre Aufer¬
stehung -- und erst 1849 schied der große Teufelsbanner, den sie verherrlichte,
aus diesem Leben. Wie ihm seine Grammatik aber noch während desselben zum
Range eines höhern, übermenschlichen Wesens verhalf, so war sie auch das "besondere
Kennzeichen" seines Passes auf der Lebensreise. Davon nur ein Beispiel. Im
Jahre 18ii- fand die Versammlung Deutscher Philologen in Dresden statt. Der
damalige Minister des öffentlichen Unterrichts, Hr. von Wietersheim, veranstaltete
den anwesenden Gelehrten zu Ehren ein solennes Diner. Ein Rath, dem man
seinen Namen angab, stellte die Eintretenden dem Minister vor. Als die mäch¬
tige Gestalt ZumptS heranschritt, sein Name genannt wurde, machte der Festgeber
eine stumme Verbeugung. Da flüsterte der Rath ihm zu: "Der berühmte Ver¬
fasser der Grammatik" -- und flugs überzog das Antlitz des alten Herrn, der
vorher nicht recht verstanden haben mochte, das süße Lächeln freudiger Ueber-
raschung, und mit verehrnngsvollem Bückling die begangene Nachlässigkeit gut
machend, sagte er auf das Freundlichste: "Ah, Sie sind der berühmte Ver¬
sasser der Grammatik." Zumpt fühlte in diesem Augenblicke lies das Tragische seines


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einignng von „schön Hannchen" mit ihrem Geliebten zu bewirken, als Zauberer auf¬
trat. Um seinen magischen Spuk zu vollführen, citirte er den großen Geister- und
Teufelsbeschwörer Zumpt herbei, und in je rascheren Schwingungen er mit staunens¬
werther Volubilität der Zunge die hehre Zauberformel


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und so weiter bis zum letzten Gliede in der unabsehbaren Reihe der „neununddreißig
auf ein is," die Jedem einst ein Schrecken gewesen waren, erschallen ließ, um so
fröhlicher, um so lauter wurde das Gelächter. Der jetzigen Größe sich stolz bewußt,
dachte man zurück an die Zeiten von Sexta, wo man ans dem „kleinen Zumpt^
diese und andere Herrlichkeiten mit saurer Mühe sich hatte einbläuen müssen; man
erinnerte sich der scheuen Ehrfurcht, mit der der Pädagog, dem das traurige Loos
zugefallen war, die straucheluden Schritte Sexta's zu leiten, bei dem ersten Versuche
zum Erklimmen der „steilen Höh", wo auch die Wissenschaften stehn, den Namen
Zumpt ausgesprochen hatte. Und gar der „große Zumpt" — dieser Inbegriff
aller Weisheit des Präceptors in Tertia, dieser Urquell jeder Präparation auf
Cicero und auf Livius — wie oft hatte man ihn angestaunt, wie oft ihn verwünscht.
Mit dem Leben eines jeden Einzelnen war Zumpt verwachsen, sein Name konnte
als das Symbol einer Entwickelungsstufe dienen, die Jeder durchgemacht hatte,
der sich einst dem Dienste der Musen widmen wollte. Man fand es ganz natürlich,
daß, wie Virgilius, der „Dichter" des Römerthums par <zxo«zU«zue<z, späteren Ge¬
schlechtern als Orakelspender und Zauberer erschien, so auch Zumpt als ein über¬
natürliches, mächtiges Wesen heraufbeschworen wurde. Aber Virgil wurde erst
nach seinem Tode so gefeiert — Zumpt geschah Größeres: er lebte noch, als er schon
ein Mythos geworden war. Denn etwa 1835 erlebte jene Posse ihre Aufer¬
stehung — und erst 1849 schied der große Teufelsbanner, den sie verherrlichte,
aus diesem Leben. Wie ihm seine Grammatik aber noch während desselben zum
Range eines höhern, übermenschlichen Wesens verhalf, so war sie auch das „besondere
Kennzeichen" seines Passes auf der Lebensreise. Davon nur ein Beispiel. Im
Jahre 18ii- fand die Versammlung Deutscher Philologen in Dresden statt. Der
damalige Minister des öffentlichen Unterrichts, Hr. von Wietersheim, veranstaltete
den anwesenden Gelehrten zu Ehren ein solennes Diner. Ein Rath, dem man
seinen Namen angab, stellte die Eintretenden dem Minister vor. Als die mäch¬
tige Gestalt ZumptS heranschritt, sein Name genannt wurde, machte der Festgeber
eine stumme Verbeugung. Da flüsterte der Rath ihm zu: „Der berühmte Ver¬
fasser der Grammatik" — und flugs überzog das Antlitz des alten Herrn, der
vorher nicht recht verstanden haben mochte, das süße Lächeln freudiger Ueber-
raschung, und mit verehrnngsvollem Bückling die begangene Nachlässigkeit gut
machend, sagte er auf das Freundlichste: „Ah, Sie sind der berühmte Ver¬
sasser der Grammatik." Zumpt fühlte in diesem Augenblicke lies das Tragische seines


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[0463] einignng von „schön Hannchen" mit ihrem Geliebten zu bewirken, als Zauberer auf¬ trat. Um seinen magischen Spuk zu vollführen, citirte er den großen Geister- und Teufelsbeschwörer Zumpt herbei, und in je rascheren Schwingungen er mit staunens¬ werther Volubilität der Zunge die hehre Zauberformel ?aus, piscis, erini8, unis, lKni8, lapis, putois, urus und so weiter bis zum letzten Gliede in der unabsehbaren Reihe der „neununddreißig auf ein is," die Jedem einst ein Schrecken gewesen waren, erschallen ließ, um so fröhlicher, um so lauter wurde das Gelächter. Der jetzigen Größe sich stolz bewußt, dachte man zurück an die Zeiten von Sexta, wo man ans dem „kleinen Zumpt^ diese und andere Herrlichkeiten mit saurer Mühe sich hatte einbläuen müssen; man erinnerte sich der scheuen Ehrfurcht, mit der der Pädagog, dem das traurige Loos zugefallen war, die straucheluden Schritte Sexta's zu leiten, bei dem ersten Versuche zum Erklimmen der „steilen Höh", wo auch die Wissenschaften stehn, den Namen Zumpt ausgesprochen hatte. Und gar der „große Zumpt" — dieser Inbegriff aller Weisheit des Präceptors in Tertia, dieser Urquell jeder Präparation auf Cicero und auf Livius — wie oft hatte man ihn angestaunt, wie oft ihn verwünscht. Mit dem Leben eines jeden Einzelnen war Zumpt verwachsen, sein Name konnte als das Symbol einer Entwickelungsstufe dienen, die Jeder durchgemacht hatte, der sich einst dem Dienste der Musen widmen wollte. Man fand es ganz natürlich, daß, wie Virgilius, der „Dichter" des Römerthums par <zxo«zU«zue<z, späteren Ge¬ schlechtern als Orakelspender und Zauberer erschien, so auch Zumpt als ein über¬ natürliches, mächtiges Wesen heraufbeschworen wurde. Aber Virgil wurde erst nach seinem Tode so gefeiert — Zumpt geschah Größeres: er lebte noch, als er schon ein Mythos geworden war. Denn etwa 1835 erlebte jene Posse ihre Aufer¬ stehung — und erst 1849 schied der große Teufelsbanner, den sie verherrlichte, aus diesem Leben. Wie ihm seine Grammatik aber noch während desselben zum Range eines höhern, übermenschlichen Wesens verhalf, so war sie auch das „besondere Kennzeichen" seines Passes auf der Lebensreise. Davon nur ein Beispiel. Im Jahre 18ii- fand die Versammlung Deutscher Philologen in Dresden statt. Der damalige Minister des öffentlichen Unterrichts, Hr. von Wietersheim, veranstaltete den anwesenden Gelehrten zu Ehren ein solennes Diner. Ein Rath, dem man seinen Namen angab, stellte die Eintretenden dem Minister vor. Als die mäch¬ tige Gestalt ZumptS heranschritt, sein Name genannt wurde, machte der Festgeber eine stumme Verbeugung. Da flüsterte der Rath ihm zu: „Der berühmte Ver¬ fasser der Grammatik" — und flugs überzog das Antlitz des alten Herrn, der vorher nicht recht verstanden haben mochte, das süße Lächeln freudiger Ueber- raschung, und mit verehrnngsvollem Bückling die begangene Nachlässigkeit gut machend, sagte er auf das Freundlichste: „Ah, Sie sind der berühmte Ver¬ sasser der Grammatik." Zumpt fühlte in diesem Augenblicke lies das Tragische seines 37*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/463>, abgerufen am 16.05.2024.