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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Schicksals, ein personificirtes Schulbuch zu sein ; -- ein "Leider ist mein Name
dadurch am Bekanntesten" war Alles, was er kummervoll erwiderte. Hatte er
doch über die Abstimmung des Römischen Volks in den Centnriatcomitien und
über Marius Curius, der den Veliuus abgeleitet, geschrieben, hatte er doch
Curtius und Quintilian und Cicero edirt -- was half es ihm? er war und blieb
nur der Verfasser der Grammatik; in aller Völker Zungen war sie übersetzt, in aller
Herren Länder eingeführt -- der "kleine Zumpt" und der "große Zumpt" hatten
seine ganze Existenz als Mensch und als Gelehrter absorbirt.

Es ist nicht mehr als billig, daß an dem Todten gesühnt werde, was an dem
Lebenden ist gesündigt worden. Und so kann man es seinem gelehrten Neffen und
Schwiegersohn, Herrn August Wilhelm Zumpt, "dem Erben eines großen Namens",
wie ihn einst ein berühmter Philolog mit vieler Höflichkeit gegen seinen Onkel be¬
zeichnet hat, nur Dank wissen, daß er den verhüllenden Nimbus von dem be¬
kannten Unbekannten abgestreift, und ihn aus dem Gebiete des Mythos ans das
der Geschichte zurückversetzt hat, indem er in einem so eben in der Dümmlerscheu
Buchhandlung in Berlin erschienenen Buche eine Darstellung des Lebens und der
Studien Karl Gottlob Zumpts dem Publicum darbietet. Doch nein! nicht dem Publi-
cum -- nur den Eingeweihten; das Publicum, scheint es, soll an diesen Quell der
Erkenntniß nicht herantreten, es soll fortfahren, an den Zauberer Zumpt zu
glauben; der Neffe und Schwiegersohn will den Glanz, der dadurch auf seinem
Hause, auf seinem Haupte ruht, nicht selbst muthwillig zerstören. Warum hätte
er sonst lateinisch geschrieben? In der Vorrede giebt er zwar mancherlei Gründe
dafür an, aber wir können ihn nicht in Wirklichkeit für so pedantisch halten, als er
nach den meisten derselben erscheinen würde -- gewiß kann es ihm nicht Ernst damit
sein, daß ein Gelehrtenleben das Publicum nicht interessire, wenn es das Leben eines
Gelehrten ist, mit dem fast Jeder wohl oder übel eine intime Bekanntschaft hat schließen
müssen, am Allerwenigsten aber damit, daß man gleichsam die Pflicht habe, Zumpts
Leben lateinisch darzustellen, weil er selbst ein vortrefflicher Kenner der lateinischen
Sprache gewesen; wie werden sich demzufolge einmal zwei oder drei Leser an
dem Japanischen Nekrolog Siebolds oder dem Tibetanischen Schotts ergötzen,
und welcher Laye wird das Leben Roseus, welcher Ostjäke das Leben von Gablentz
beschreiben? Daß Zumpt auch gut lateinisch geschrieben habe, setzte er freilich noch
hinzu, aber auch dieser Grund scheint uns mit einer Brombeere noch zu theuer
bezahlt. Wir lassen uns nicht nehmen, daß wir die wahre Ursache eines so
antediluvianischer Verfahrens gefunden haben, das ohne Noth den Leserkreis eines
Buches verringert -- denn daß Hrn. Zumpt die Absicht geleitet habe, zu zeigen,
daß er elegant lateinisch schreiben könne, wollen wir auch nicht annehmen, das
hat er sonst schon hinlänglich bei passendem Gelegenheiten bewährt. Hier übrigens,
wie wir zu seinem Lobe, wenn es denn noch eins ist, hinzusetzen wollen, auch.

Wir wollen nun den mchtzünstigen Lesern dieses Blattes gegenüber gut machen,


Schicksals, ein personificirtes Schulbuch zu sein ; — ein „Leider ist mein Name
dadurch am Bekanntesten" war Alles, was er kummervoll erwiderte. Hatte er
doch über die Abstimmung des Römischen Volks in den Centnriatcomitien und
über Marius Curius, der den Veliuus abgeleitet, geschrieben, hatte er doch
Curtius und Quintilian und Cicero edirt — was half es ihm? er war und blieb
nur der Verfasser der Grammatik; in aller Völker Zungen war sie übersetzt, in aller
Herren Länder eingeführt — der „kleine Zumpt" und der „große Zumpt" hatten
seine ganze Existenz als Mensch und als Gelehrter absorbirt.

Es ist nicht mehr als billig, daß an dem Todten gesühnt werde, was an dem
Lebenden ist gesündigt worden. Und so kann man es seinem gelehrten Neffen und
Schwiegersohn, Herrn August Wilhelm Zumpt, „dem Erben eines großen Namens",
wie ihn einst ein berühmter Philolog mit vieler Höflichkeit gegen seinen Onkel be¬
zeichnet hat, nur Dank wissen, daß er den verhüllenden Nimbus von dem be¬
kannten Unbekannten abgestreift, und ihn aus dem Gebiete des Mythos ans das
der Geschichte zurückversetzt hat, indem er in einem so eben in der Dümmlerscheu
Buchhandlung in Berlin erschienenen Buche eine Darstellung des Lebens und der
Studien Karl Gottlob Zumpts dem Publicum darbietet. Doch nein! nicht dem Publi-
cum — nur den Eingeweihten; das Publicum, scheint es, soll an diesen Quell der
Erkenntniß nicht herantreten, es soll fortfahren, an den Zauberer Zumpt zu
glauben; der Neffe und Schwiegersohn will den Glanz, der dadurch auf seinem
Hause, auf seinem Haupte ruht, nicht selbst muthwillig zerstören. Warum hätte
er sonst lateinisch geschrieben? In der Vorrede giebt er zwar mancherlei Gründe
dafür an, aber wir können ihn nicht in Wirklichkeit für so pedantisch halten, als er
nach den meisten derselben erscheinen würde — gewiß kann es ihm nicht Ernst damit
sein, daß ein Gelehrtenleben das Publicum nicht interessire, wenn es das Leben eines
Gelehrten ist, mit dem fast Jeder wohl oder übel eine intime Bekanntschaft hat schließen
müssen, am Allerwenigsten aber damit, daß man gleichsam die Pflicht habe, Zumpts
Leben lateinisch darzustellen, weil er selbst ein vortrefflicher Kenner der lateinischen
Sprache gewesen; wie werden sich demzufolge einmal zwei oder drei Leser an
dem Japanischen Nekrolog Siebolds oder dem Tibetanischen Schotts ergötzen,
und welcher Laye wird das Leben Roseus, welcher Ostjäke das Leben von Gablentz
beschreiben? Daß Zumpt auch gut lateinisch geschrieben habe, setzte er freilich noch
hinzu, aber auch dieser Grund scheint uns mit einer Brombeere noch zu theuer
bezahlt. Wir lassen uns nicht nehmen, daß wir die wahre Ursache eines so
antediluvianischer Verfahrens gefunden haben, das ohne Noth den Leserkreis eines
Buches verringert — denn daß Hrn. Zumpt die Absicht geleitet habe, zu zeigen,
daß er elegant lateinisch schreiben könne, wollen wir auch nicht annehmen, das
hat er sonst schon hinlänglich bei passendem Gelegenheiten bewährt. Hier übrigens,
wie wir zu seinem Lobe, wenn es denn noch eins ist, hinzusetzen wollen, auch.

Wir wollen nun den mchtzünstigen Lesern dieses Blattes gegenüber gut machen,


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[0464] Schicksals, ein personificirtes Schulbuch zu sein ; — ein „Leider ist mein Name dadurch am Bekanntesten" war Alles, was er kummervoll erwiderte. Hatte er doch über die Abstimmung des Römischen Volks in den Centnriatcomitien und über Marius Curius, der den Veliuus abgeleitet, geschrieben, hatte er doch Curtius und Quintilian und Cicero edirt — was half es ihm? er war und blieb nur der Verfasser der Grammatik; in aller Völker Zungen war sie übersetzt, in aller Herren Länder eingeführt — der „kleine Zumpt" und der „große Zumpt" hatten seine ganze Existenz als Mensch und als Gelehrter absorbirt. Es ist nicht mehr als billig, daß an dem Todten gesühnt werde, was an dem Lebenden ist gesündigt worden. Und so kann man es seinem gelehrten Neffen und Schwiegersohn, Herrn August Wilhelm Zumpt, „dem Erben eines großen Namens", wie ihn einst ein berühmter Philolog mit vieler Höflichkeit gegen seinen Onkel be¬ zeichnet hat, nur Dank wissen, daß er den verhüllenden Nimbus von dem be¬ kannten Unbekannten abgestreift, und ihn aus dem Gebiete des Mythos ans das der Geschichte zurückversetzt hat, indem er in einem so eben in der Dümmlerscheu Buchhandlung in Berlin erschienenen Buche eine Darstellung des Lebens und der Studien Karl Gottlob Zumpts dem Publicum darbietet. Doch nein! nicht dem Publi- cum — nur den Eingeweihten; das Publicum, scheint es, soll an diesen Quell der Erkenntniß nicht herantreten, es soll fortfahren, an den Zauberer Zumpt zu glauben; der Neffe und Schwiegersohn will den Glanz, der dadurch auf seinem Hause, auf seinem Haupte ruht, nicht selbst muthwillig zerstören. Warum hätte er sonst lateinisch geschrieben? In der Vorrede giebt er zwar mancherlei Gründe dafür an, aber wir können ihn nicht in Wirklichkeit für so pedantisch halten, als er nach den meisten derselben erscheinen würde — gewiß kann es ihm nicht Ernst damit sein, daß ein Gelehrtenleben das Publicum nicht interessire, wenn es das Leben eines Gelehrten ist, mit dem fast Jeder wohl oder übel eine intime Bekanntschaft hat schließen müssen, am Allerwenigsten aber damit, daß man gleichsam die Pflicht habe, Zumpts Leben lateinisch darzustellen, weil er selbst ein vortrefflicher Kenner der lateinischen Sprache gewesen; wie werden sich demzufolge einmal zwei oder drei Leser an dem Japanischen Nekrolog Siebolds oder dem Tibetanischen Schotts ergötzen, und welcher Laye wird das Leben Roseus, welcher Ostjäke das Leben von Gablentz beschreiben? Daß Zumpt auch gut lateinisch geschrieben habe, setzte er freilich noch hinzu, aber auch dieser Grund scheint uns mit einer Brombeere noch zu theuer bezahlt. Wir lassen uns nicht nehmen, daß wir die wahre Ursache eines so antediluvianischer Verfahrens gefunden haben, das ohne Noth den Leserkreis eines Buches verringert — denn daß Hrn. Zumpt die Absicht geleitet habe, zu zeigen, daß er elegant lateinisch schreiben könne, wollen wir auch nicht annehmen, das hat er sonst schon hinlänglich bei passendem Gelegenheiten bewährt. Hier übrigens, wie wir zu seinem Lobe, wenn es denn noch eins ist, hinzusetzen wollen, auch. Wir wollen nun den mchtzünstigen Lesern dieses Blattes gegenüber gut machen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/464>, abgerufen am 05.06.2024.