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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Straße, das unwegsame Okerthal, hinauf treiben sieht. Im Vorharz ist übrigens
die Südseite von Osterode reich an fruchtbaren Feldern, und man hat es die Brod¬
kammer der Bergstädte genannt; auf dem Unterharze heißt es der Merkwürdigkeit
wegen vou Harzgerode aus eiuer aus dort gewonnenem Silber geprägten Münze:
"Das Herzgeröder Feld trägt Korn und Geld."

Im Thierreiche sind natürlich die Vogel am Zahlreichsten vertreten, und der
Spottvogel, der Zaunkönig, der Bergfinke, das Goldhähnchen, die Meise, der
Zeisig, der Staar, das Rothkehlchen, der Falke und die Drosseln, welche Heinrich I.
den Harz so lieb machten, daß noch jetzt mancher Platz seinetwegen der Finken¬
herd, der Kaisersteig, oder gar der Heinrichswinkel heißt, sind noch jetzt sehr laut
in diesen Waldungen. Am Unterharz ist auch die Holztaube sehr häufig. Oefter
als jetzt fanden sich in frühern Jahren Eisvogel, Seidenschwanz, Adler, Wandel¬
krähe und Haselhuhn. Sumpf- und Schwimmvogel, welche den alten Deutschen
Kaisern die Gegenden der Unstrut um Memleben lieb machten, sind bei dem Wasser¬
mangel des Harzes nur selten. Große Machtenlen necken ganze Dörfer, indem sie
die Klagelaute der menschlichen Stimme täuschend nachahmen und die Bewohner
in die Berge locken, um den Bewohnern einer einsamen Hütte beizustehen. Der
Bnchfinke, der Dompfaffe, die Amsel, die man aus Leimruthen fängt, so wie die
in Hecken gezogenen Canarienvögel werden in niedrigen Holzbanern von den Ober¬
harzern verschickt, und dem Reisenden, der im Herbst den Harz durchzieht, zeigen
die aus den Tischen in den einsamen Waldschenken aufgehäuften Sprenkel oder
Dohnen mit Roßhaaren, daß hier bald ein schmackhafterer Braten als der, den
man ihm vorsetzt, ein ganz alltägliches Gericht sein wird. -- Die kriechende und
hüpfende Bevölkerung des Harzes ist nicht unbedeutend. Kleine Schlangen,
Eidexen und Blindschleichen sieht man hänfig, und eine schwarze, sette Schnecke,
die nach dem kleinsten Regen zu Tausenden sichtbar wird, legt der Fuhrmann, der
neben seinem Wagen hergeht, zwischen. Rad und Axe, um sie als Wagenschmiere
zu benutzen. Auch sitzt am Vorharz der grüne Wetterprophet, der Laubfrosch, den
man gern in Glaskruken in die Stube nimmt, um sein Ans- und Absteigen aus
der hölzerne" Leiter zu beobachten, und besonders zur Zeit der Heuernte manche
wirtschaftliche Anordnungen darnach zu treffen.

Die Jagd liefert noch manchen Eber und Hirsch (aus den Thiergärten schauen
prächtige Dammhirsche hervor), aber besonders eine Unmasse von Rehen. Bei
Blankenburg, Wernigerode und Ballenstedt finden sich große Wildgärten, welche
Chausseen einschließen, und sonst vor den Fuhrleute,? und Reitern im Anhaltschen
von tausend zu tausend Schritt geöffnet und hinter ihnen geschlossen wurden.
Der Harz ernährt, besonders im Hannöverschen Antheil, noch immer eine große
Anzahl von Wilddieben, und an manchen Orten, wie in Elbingerode am Fuße
des Brockens, das mich den Fischfang in der Bode hat, fällt es selbst dem Durch¬
reisenden anf, daß man hier besonders gut und billig lebt, während sonst im Ganzen


Straße, das unwegsame Okerthal, hinauf treiben sieht. Im Vorharz ist übrigens
die Südseite von Osterode reich an fruchtbaren Feldern, und man hat es die Brod¬
kammer der Bergstädte genannt; auf dem Unterharze heißt es der Merkwürdigkeit
wegen vou Harzgerode aus eiuer aus dort gewonnenem Silber geprägten Münze:
„Das Herzgeröder Feld trägt Korn und Geld."

Im Thierreiche sind natürlich die Vogel am Zahlreichsten vertreten, und der
Spottvogel, der Zaunkönig, der Bergfinke, das Goldhähnchen, die Meise, der
Zeisig, der Staar, das Rothkehlchen, der Falke und die Drosseln, welche Heinrich I.
den Harz so lieb machten, daß noch jetzt mancher Platz seinetwegen der Finken¬
herd, der Kaisersteig, oder gar der Heinrichswinkel heißt, sind noch jetzt sehr laut
in diesen Waldungen. Am Unterharz ist auch die Holztaube sehr häufig. Oefter
als jetzt fanden sich in frühern Jahren Eisvogel, Seidenschwanz, Adler, Wandel¬
krähe und Haselhuhn. Sumpf- und Schwimmvogel, welche den alten Deutschen
Kaisern die Gegenden der Unstrut um Memleben lieb machten, sind bei dem Wasser¬
mangel des Harzes nur selten. Große Machtenlen necken ganze Dörfer, indem sie
die Klagelaute der menschlichen Stimme täuschend nachahmen und die Bewohner
in die Berge locken, um den Bewohnern einer einsamen Hütte beizustehen. Der
Bnchfinke, der Dompfaffe, die Amsel, die man aus Leimruthen fängt, so wie die
in Hecken gezogenen Canarienvögel werden in niedrigen Holzbanern von den Ober¬
harzern verschickt, und dem Reisenden, der im Herbst den Harz durchzieht, zeigen
die aus den Tischen in den einsamen Waldschenken aufgehäuften Sprenkel oder
Dohnen mit Roßhaaren, daß hier bald ein schmackhafterer Braten als der, den
man ihm vorsetzt, ein ganz alltägliches Gericht sein wird. — Die kriechende und
hüpfende Bevölkerung des Harzes ist nicht unbedeutend. Kleine Schlangen,
Eidexen und Blindschleichen sieht man hänfig, und eine schwarze, sette Schnecke,
die nach dem kleinsten Regen zu Tausenden sichtbar wird, legt der Fuhrmann, der
neben seinem Wagen hergeht, zwischen. Rad und Axe, um sie als Wagenschmiere
zu benutzen. Auch sitzt am Vorharz der grüne Wetterprophet, der Laubfrosch, den
man gern in Glaskruken in die Stube nimmt, um sein Ans- und Absteigen aus
der hölzerne» Leiter zu beobachten, und besonders zur Zeit der Heuernte manche
wirtschaftliche Anordnungen darnach zu treffen.

Die Jagd liefert noch manchen Eber und Hirsch (aus den Thiergärten schauen
prächtige Dammhirsche hervor), aber besonders eine Unmasse von Rehen. Bei
Blankenburg, Wernigerode und Ballenstedt finden sich große Wildgärten, welche
Chausseen einschließen, und sonst vor den Fuhrleute,? und Reitern im Anhaltschen
von tausend zu tausend Schritt geöffnet und hinter ihnen geschlossen wurden.
Der Harz ernährt, besonders im Hannöverschen Antheil, noch immer eine große
Anzahl von Wilddieben, und an manchen Orten, wie in Elbingerode am Fuße
des Brockens, das mich den Fischfang in der Bode hat, fällt es selbst dem Durch¬
reisenden anf, daß man hier besonders gut und billig lebt, während sonst im Ganzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/474>, abgerufen am 14.05.2024.