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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Der Hafen von Cattaro.

Der Dämpfer fährt längs der buchtenreichen, felsenumgürteten Küste von
Dalmatien hinunter, deren oberer Theil dnrch lange Gruppen von großen und
kleinen Inseln wie durch Barricadeu vor dem Anprall des Meeres gesichert ist,
während der untere, schmale Theil, das Gebiet vou Ragusa und Cattaro, frei
hinausliegt gegen die See, bequem für jede fremde Flotte und bequem für den
Eingebornen, der die Verbindung mit alleu Theilen des mittelländischen Meeres
sucht. Das lange, schmale Küstenland, welches unter dem Namen Königreich
Dalmatien jetzt eine Zugabe zu den Königskronen Oestreichs bildet, hat so oft
seine Herren gewechselt und so wunderbare Schicksale und Unfälle erfahren, daß
seine Geschichte aussieht, wie ein Mosaik, ans allen möglichen Abenteuern aller
Völker zusammengesetzt. Freilich ist die Beschaffenheit des Laudes die letzte Ur¬
sache seiner Schicksale. Weil es ein schmaler Küstenstrich ist, durch jäh aufstei¬
gende Felsenmassen von dem Hochlande der griechischen Halbinsel getrennt, sind
Theile aller Völker, welche südlich von der Donan seit Urzeiten sich getummelt
haben, in ihren Balgereien von den Felsen herabgeworfen worden an das Mee¬
resgestade. So im Alterthum die Jllyrier, so später slavische Geschlechter ans der
großen Völkerfamilie der Serben. Und wieder über die See schwamm der
Italiener, der Grieche, der Saracene, zuletzt der Franzose und Engländer an
dieselbe Küste und mischte seine Art und seine Interessen mit denen der alten
. Einwohner. An der Küste Dalmatiens trug der römische Legionär unter Aemilius
Paulus seinen Schanzpfahl keuchend die Berge hinauf; unter den Enkeln des
Theodosius fuhr das geschmückte griechische Kaiserschiff mit rohen Sculpturen und
übermäßiger Vergoldung geziert, von Constantinopel aus in derselben Wasserstraße,
welche jetzt mein schwarzer Dämpfer sprudelnd zurücklegt. Damals waren die
Küsten bedeckt von blühenden Handelsstädten, von der Villen römischer und grie¬
chischer Kaufherrn und prächtige Marmorsäulen trugen das wagrechte Gebälk
griechischer Häuser oder deu Schwung des römischen Bogens. Durch Jahrhunderte
hatte die See das Felsenland beherrscht, da warfen die rohen Kinder des Fest¬
landes sich beutelustig herab und zerschlugen die römische Welt; die Trümmer der
slavischen Stämme füllten die Küste, von gemeinsamer Abstammung, mit gleicher
Sprache und doch verschieden in Sitte, Gewohnheit und Namen. Auch sie wur-
den zwischen Fels und See, was Jeder werden muß, der im Lande wohnen will:
kühne Seefahrer, Kaufleute und Abenteurer; sie wurden mit eiserner Hand ge¬
halten an den Donauländern dnrch Z)le Serbenkönige und durch die Könige von
Ungarn, während durch das offene Meer der Saracene plündernd gegen die Küste
fuhr, die Tempelherren ihre Kreuzfahne auf deu Castellen der Vorgebirge auf-


Der Hafen von Cattaro.

Der Dämpfer fährt längs der buchtenreichen, felsenumgürteten Küste von
Dalmatien hinunter, deren oberer Theil dnrch lange Gruppen von großen und
kleinen Inseln wie durch Barricadeu vor dem Anprall des Meeres gesichert ist,
während der untere, schmale Theil, das Gebiet vou Ragusa und Cattaro, frei
hinausliegt gegen die See, bequem für jede fremde Flotte und bequem für den
Eingebornen, der die Verbindung mit alleu Theilen des mittelländischen Meeres
sucht. Das lange, schmale Küstenland, welches unter dem Namen Königreich
Dalmatien jetzt eine Zugabe zu den Königskronen Oestreichs bildet, hat so oft
seine Herren gewechselt und so wunderbare Schicksale und Unfälle erfahren, daß
seine Geschichte aussieht, wie ein Mosaik, ans allen möglichen Abenteuern aller
Völker zusammengesetzt. Freilich ist die Beschaffenheit des Laudes die letzte Ur¬
sache seiner Schicksale. Weil es ein schmaler Küstenstrich ist, durch jäh aufstei¬
gende Felsenmassen von dem Hochlande der griechischen Halbinsel getrennt, sind
Theile aller Völker, welche südlich von der Donan seit Urzeiten sich getummelt
haben, in ihren Balgereien von den Felsen herabgeworfen worden an das Mee¬
resgestade. So im Alterthum die Jllyrier, so später slavische Geschlechter ans der
großen Völkerfamilie der Serben. Und wieder über die See schwamm der
Italiener, der Grieche, der Saracene, zuletzt der Franzose und Engländer an
dieselbe Küste und mischte seine Art und seine Interessen mit denen der alten
. Einwohner. An der Küste Dalmatiens trug der römische Legionär unter Aemilius
Paulus seinen Schanzpfahl keuchend die Berge hinauf; unter den Enkeln des
Theodosius fuhr das geschmückte griechische Kaiserschiff mit rohen Sculpturen und
übermäßiger Vergoldung geziert, von Constantinopel aus in derselben Wasserstraße,
welche jetzt mein schwarzer Dämpfer sprudelnd zurücklegt. Damals waren die
Küsten bedeckt von blühenden Handelsstädten, von der Villen römischer und grie¬
chischer Kaufherrn und prächtige Marmorsäulen trugen das wagrechte Gebälk
griechischer Häuser oder deu Schwung des römischen Bogens. Durch Jahrhunderte
hatte die See das Felsenland beherrscht, da warfen die rohen Kinder des Fest¬
landes sich beutelustig herab und zerschlugen die römische Welt; die Trümmer der
slavischen Stämme füllten die Küste, von gemeinsamer Abstammung, mit gleicher
Sprache und doch verschieden in Sitte, Gewohnheit und Namen. Auch sie wur-
den zwischen Fels und See, was Jeder werden muß, der im Lande wohnen will:
kühne Seefahrer, Kaufleute und Abenteurer; sie wurden mit eiserner Hand ge¬
halten an den Donauländern dnrch Z)le Serbenkönige und durch die Könige von
Ungarn, während durch das offene Meer der Saracene plündernd gegen die Küste
fuhr, die Tempelherren ihre Kreuzfahne auf deu Castellen der Vorgebirge auf-


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[0145] Der Hafen von Cattaro. Der Dämpfer fährt längs der buchtenreichen, felsenumgürteten Küste von Dalmatien hinunter, deren oberer Theil dnrch lange Gruppen von großen und kleinen Inseln wie durch Barricadeu vor dem Anprall des Meeres gesichert ist, während der untere, schmale Theil, das Gebiet vou Ragusa und Cattaro, frei hinausliegt gegen die See, bequem für jede fremde Flotte und bequem für den Eingebornen, der die Verbindung mit alleu Theilen des mittelländischen Meeres sucht. Das lange, schmale Küstenland, welches unter dem Namen Königreich Dalmatien jetzt eine Zugabe zu den Königskronen Oestreichs bildet, hat so oft seine Herren gewechselt und so wunderbare Schicksale und Unfälle erfahren, daß seine Geschichte aussieht, wie ein Mosaik, ans allen möglichen Abenteuern aller Völker zusammengesetzt. Freilich ist die Beschaffenheit des Laudes die letzte Ur¬ sache seiner Schicksale. Weil es ein schmaler Küstenstrich ist, durch jäh aufstei¬ gende Felsenmassen von dem Hochlande der griechischen Halbinsel getrennt, sind Theile aller Völker, welche südlich von der Donan seit Urzeiten sich getummelt haben, in ihren Balgereien von den Felsen herabgeworfen worden an das Mee¬ resgestade. So im Alterthum die Jllyrier, so später slavische Geschlechter ans der großen Völkerfamilie der Serben. Und wieder über die See schwamm der Italiener, der Grieche, der Saracene, zuletzt der Franzose und Engländer an dieselbe Küste und mischte seine Art und seine Interessen mit denen der alten . Einwohner. An der Küste Dalmatiens trug der römische Legionär unter Aemilius Paulus seinen Schanzpfahl keuchend die Berge hinauf; unter den Enkeln des Theodosius fuhr das geschmückte griechische Kaiserschiff mit rohen Sculpturen und übermäßiger Vergoldung geziert, von Constantinopel aus in derselben Wasserstraße, welche jetzt mein schwarzer Dämpfer sprudelnd zurücklegt. Damals waren die Küsten bedeckt von blühenden Handelsstädten, von der Villen römischer und grie¬ chischer Kaufherrn und prächtige Marmorsäulen trugen das wagrechte Gebälk griechischer Häuser oder deu Schwung des römischen Bogens. Durch Jahrhunderte hatte die See das Felsenland beherrscht, da warfen die rohen Kinder des Fest¬ landes sich beutelustig herab und zerschlugen die römische Welt; die Trümmer der slavischen Stämme füllten die Küste, von gemeinsamer Abstammung, mit gleicher Sprache und doch verschieden in Sitte, Gewohnheit und Namen. Auch sie wur- den zwischen Fels und See, was Jeder werden muß, der im Lande wohnen will: kühne Seefahrer, Kaufleute und Abenteurer; sie wurden mit eiserner Hand ge¬ halten an den Donauländern dnrch Z)le Serbenkönige und durch die Könige von Ungarn, während durch das offene Meer der Saracene plündernd gegen die Küste fuhr, die Tempelherren ihre Kreuzfahne auf deu Castellen der Vorgebirge auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/145>, abgerufen am 15.06.2024.