Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Franklin unter Capitain Penny, begleitet von der Sophia, und die Negiernngs-
expedition unter Cap. Austin, bestehend aus den Schissen Resolute, Assistance und
Pioneer. Sir John Roß' Expedition leistete so gut wie gar keine Dienste, und
mußte nach einem vergeblichen Versuch, die Coruwallisinsel zu überschreiten, wie¬
der umkehren. Die amerikanischen Schiffe Adrance und ReScur würde", wahr¬
scheinlich mehr erreicht haben, wenn ihr Commandeur de Haven sich hätte zum
Ueberwintern entschließen können. Er kehrte jedoch um in der Absicht, nächsten
Sommer seine Nachforschungen fortzusetzen, wurde aber an der Mündung des
Wellingtvncanals von gepackten Eise (über einander geschobene Eisschollen, die
aber nicht festsitzen, sondern im Meere treiben) eingeschlossen. So wurden sie
als Gefangene den Wellingtoucnual hinauf getragen bis 76" 26^ N. Br., und
trieben dann wieder südlich durch die Behringsstraße und den Lancastersnnd, den
sie im November erreichten. Während dieser unfreiwilligen Fahrt waren die Er¬
schütterungen in Folge des Berstens des Eises so heftig, daß sie ans den Schissen
sehr oft kein Feuer anzünden konnten. Die Kälte war außerordentlich. Das
Quecksilber im Thermometer fiel unter Null; die Matratzen froren in jedem
Raume, und Kaffee und Suppe wurden zu Eis, so wie man sie vom Feuer nahm.
Am häufigsten hörst das Eis im November, December und Januar. Oft wurde
dabei das Schiff mit dem Hintertheil 6--7 Fuß hoch empor gehoben, und wegen
der jeden Augenblick drohenden Gefahr mußte die Mannschaft stets die Tornister
bereit haben, im Fall ein Unfall sie nöthigen sollte, das Schiff zu verlassen.
Drei Wochen lang brachten sie nicht die Kleider vom Leibe. Ein gutes Glück war
es uoch, daß das berstende Eis die Schiffe blos in die Hohe hob; sehr oft wer¬
den sie von dem gewaltigen Druck der Niesenschollen zermalmt. Unterdessen brach
auch der Scorbut unter der Mannschaft und den Officieren aus; doch wußte
der Schiffsarzt, or. Kane, noch zur rechten Zeit diese schreckliche Krankheit in ihren
Fortschritten aufzuhalten. Im Eise eingeschlossen trieben 'die beiden Schiffe neun
Monate eine Strecke von 1060 englischen Meilen ans dem Meer, und erst am
10. Juni 1861 gelangten sie wieder in freies Wasser. Sie hatten trotz den
großen ausgestandenen Gefahren nnr geringen Schaden gelitten, und Comman¬
deur de Haven fühlte sich dadurch ermuthigt, uoch einmal uach Norden zu steuern.
Er erreichte glücklich die obere Melvillebncht, wurde aber hier wieder vom Eise
eingeschlossen/ Als es am 19. Angust ausbrach, war die Jahreszeit schon zu
weit vorgerückt, um uoch einen neuen Versuch machen zu können, und de Haven
kehrte daher nach Hanse zurück, ohne trotz der großen Anstrengungen und. Ge¬
fahren der Reise einen Mann verloren zu haben.

Wir haben jetzt blos noch von den Expeditionen der Capitaine Penny und
Austin zu sprechen. Sie hatten das obenerwähnte Winterlager entdeckt, doch
wurden nähere Nachrichten über die Richtung, welche Sir John Franklin einge¬
schlagen, daselbst uicht aufgefunden, obgleich man die ganze Umgegend mit der


Grenzboten. I. 4 18

Franklin unter Capitain Penny, begleitet von der Sophia, und die Negiernngs-
expedition unter Cap. Austin, bestehend aus den Schissen Resolute, Assistance und
Pioneer. Sir John Roß' Expedition leistete so gut wie gar keine Dienste, und
mußte nach einem vergeblichen Versuch, die Coruwallisinsel zu überschreiten, wie¬
der umkehren. Die amerikanischen Schiffe Adrance und ReScur würde», wahr¬
scheinlich mehr erreicht haben, wenn ihr Commandeur de Haven sich hätte zum
Ueberwintern entschließen können. Er kehrte jedoch um in der Absicht, nächsten
Sommer seine Nachforschungen fortzusetzen, wurde aber an der Mündung des
Wellingtvncanals von gepackten Eise (über einander geschobene Eisschollen, die
aber nicht festsitzen, sondern im Meere treiben) eingeschlossen. So wurden sie
als Gefangene den Wellingtoucnual hinauf getragen bis 76" 26^ N. Br., und
trieben dann wieder südlich durch die Behringsstraße und den Lancastersnnd, den
sie im November erreichten. Während dieser unfreiwilligen Fahrt waren die Er¬
schütterungen in Folge des Berstens des Eises so heftig, daß sie ans den Schissen
sehr oft kein Feuer anzünden konnten. Die Kälte war außerordentlich. Das
Quecksilber im Thermometer fiel unter Null; die Matratzen froren in jedem
Raume, und Kaffee und Suppe wurden zu Eis, so wie man sie vom Feuer nahm.
Am häufigsten hörst das Eis im November, December und Januar. Oft wurde
dabei das Schiff mit dem Hintertheil 6—7 Fuß hoch empor gehoben, und wegen
der jeden Augenblick drohenden Gefahr mußte die Mannschaft stets die Tornister
bereit haben, im Fall ein Unfall sie nöthigen sollte, das Schiff zu verlassen.
Drei Wochen lang brachten sie nicht die Kleider vom Leibe. Ein gutes Glück war
es uoch, daß das berstende Eis die Schiffe blos in die Hohe hob; sehr oft wer¬
den sie von dem gewaltigen Druck der Niesenschollen zermalmt. Unterdessen brach
auch der Scorbut unter der Mannschaft und den Officieren aus; doch wußte
der Schiffsarzt, or. Kane, noch zur rechten Zeit diese schreckliche Krankheit in ihren
Fortschritten aufzuhalten. Im Eise eingeschlossen trieben 'die beiden Schiffe neun
Monate eine Strecke von 1060 englischen Meilen ans dem Meer, und erst am
10. Juni 1861 gelangten sie wieder in freies Wasser. Sie hatten trotz den
großen ausgestandenen Gefahren nnr geringen Schaden gelitten, und Comman¬
deur de Haven fühlte sich dadurch ermuthigt, uoch einmal uach Norden zu steuern.
Er erreichte glücklich die obere Melvillebncht, wurde aber hier wieder vom Eise
eingeschlossen/ Als es am 19. Angust ausbrach, war die Jahreszeit schon zu
weit vorgerückt, um uoch einen neuen Versuch machen zu können, und de Haven
kehrte daher nach Hanse zurück, ohne trotz der großen Anstrengungen und. Ge¬
fahren der Reise einen Mann verloren zu haben.

Wir haben jetzt blos noch von den Expeditionen der Capitaine Penny und
Austin zu sprechen. Sie hatten das obenerwähnte Winterlager entdeckt, doch
wurden nähere Nachrichten über die Richtung, welche Sir John Franklin einge¬
schlagen, daselbst uicht aufgefunden, obgleich man die ganze Umgegend mit der


Grenzboten. I. 4 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93512"/>
          <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> Franklin unter Capitain Penny, begleitet von der Sophia, und die Negiernngs-<lb/>
expedition unter Cap. Austin, bestehend aus den Schissen Resolute, Assistance und<lb/>
Pioneer. Sir John Roß' Expedition leistete so gut wie gar keine Dienste, und<lb/>
mußte nach einem vergeblichen Versuch, die Coruwallisinsel zu überschreiten, wie¬<lb/>
der umkehren. Die amerikanischen Schiffe Adrance und ReScur würde», wahr¬<lb/>
scheinlich mehr erreicht haben, wenn ihr Commandeur de Haven sich hätte zum<lb/>
Ueberwintern entschließen können. Er kehrte jedoch um in der Absicht, nächsten<lb/>
Sommer seine Nachforschungen fortzusetzen, wurde aber an der Mündung des<lb/>
Wellingtvncanals von gepackten Eise (über einander geschobene Eisschollen, die<lb/>
aber nicht festsitzen, sondern im Meere treiben) eingeschlossen. So wurden sie<lb/>
als Gefangene den Wellingtoucnual hinauf getragen bis 76" 26^ N. Br., und<lb/>
trieben dann wieder südlich durch die Behringsstraße und den Lancastersnnd, den<lb/>
sie im November erreichten. Während dieser unfreiwilligen Fahrt waren die Er¬<lb/>
schütterungen in Folge des Berstens des Eises so heftig, daß sie ans den Schissen<lb/>
sehr oft kein Feuer anzünden konnten. Die Kälte war außerordentlich. Das<lb/>
Quecksilber im Thermometer fiel unter Null; die Matratzen froren in jedem<lb/>
Raume, und Kaffee und Suppe wurden zu Eis, so wie man sie vom Feuer nahm.<lb/>
Am häufigsten hörst das Eis im November, December und Januar. Oft wurde<lb/>
dabei das Schiff mit dem Hintertheil 6&#x2014;7 Fuß hoch empor gehoben, und wegen<lb/>
der jeden Augenblick drohenden Gefahr mußte die Mannschaft stets die Tornister<lb/>
bereit haben, im Fall ein Unfall sie nöthigen sollte, das Schiff zu verlassen.<lb/>
Drei Wochen lang brachten sie nicht die Kleider vom Leibe. Ein gutes Glück war<lb/>
es uoch, daß das berstende Eis die Schiffe blos in die Hohe hob; sehr oft wer¬<lb/>
den sie von dem gewaltigen Druck der Niesenschollen zermalmt. Unterdessen brach<lb/>
auch der Scorbut unter der Mannschaft und den Officieren aus; doch wußte<lb/>
der Schiffsarzt, or. Kane, noch zur rechten Zeit diese schreckliche Krankheit in ihren<lb/>
Fortschritten aufzuhalten. Im Eise eingeschlossen trieben 'die beiden Schiffe neun<lb/>
Monate eine Strecke von 1060 englischen Meilen ans dem Meer, und erst am<lb/>
10. Juni 1861 gelangten sie wieder in freies Wasser. Sie hatten trotz den<lb/>
großen ausgestandenen Gefahren nnr geringen Schaden gelitten, und Comman¬<lb/>
deur de Haven fühlte sich dadurch ermuthigt, uoch einmal uach Norden zu steuern.<lb/>
Er erreichte glücklich die obere Melvillebncht, wurde aber hier wieder vom Eise<lb/>
eingeschlossen/ Als es am 19. Angust ausbrach, war die Jahreszeit schon zu<lb/>
weit vorgerückt, um uoch einen neuen Versuch machen zu können, und de Haven<lb/>
kehrte daher nach Hanse zurück, ohne trotz der großen Anstrengungen und. Ge¬<lb/>
fahren der Reise einen Mann verloren zu haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_422" next="#ID_423"> Wir haben jetzt blos noch von den Expeditionen der Capitaine Penny und<lb/>
Austin zu sprechen.  Sie hatten das obenerwähnte Winterlager entdeckt, doch<lb/>
wurden nähere Nachrichten über die Richtung, welche Sir John Franklin einge¬<lb/>
schlagen, daselbst uicht aufgefunden, obgleich man die ganze Umgegend mit der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. 4 18</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0147] Franklin unter Capitain Penny, begleitet von der Sophia, und die Negiernngs- expedition unter Cap. Austin, bestehend aus den Schissen Resolute, Assistance und Pioneer. Sir John Roß' Expedition leistete so gut wie gar keine Dienste, und mußte nach einem vergeblichen Versuch, die Coruwallisinsel zu überschreiten, wie¬ der umkehren. Die amerikanischen Schiffe Adrance und ReScur würde», wahr¬ scheinlich mehr erreicht haben, wenn ihr Commandeur de Haven sich hätte zum Ueberwintern entschließen können. Er kehrte jedoch um in der Absicht, nächsten Sommer seine Nachforschungen fortzusetzen, wurde aber an der Mündung des Wellingtvncanals von gepackten Eise (über einander geschobene Eisschollen, die aber nicht festsitzen, sondern im Meere treiben) eingeschlossen. So wurden sie als Gefangene den Wellingtoucnual hinauf getragen bis 76" 26^ N. Br., und trieben dann wieder südlich durch die Behringsstraße und den Lancastersnnd, den sie im November erreichten. Während dieser unfreiwilligen Fahrt waren die Er¬ schütterungen in Folge des Berstens des Eises so heftig, daß sie ans den Schissen sehr oft kein Feuer anzünden konnten. Die Kälte war außerordentlich. Das Quecksilber im Thermometer fiel unter Null; die Matratzen froren in jedem Raume, und Kaffee und Suppe wurden zu Eis, so wie man sie vom Feuer nahm. Am häufigsten hörst das Eis im November, December und Januar. Oft wurde dabei das Schiff mit dem Hintertheil 6—7 Fuß hoch empor gehoben, und wegen der jeden Augenblick drohenden Gefahr mußte die Mannschaft stets die Tornister bereit haben, im Fall ein Unfall sie nöthigen sollte, das Schiff zu verlassen. Drei Wochen lang brachten sie nicht die Kleider vom Leibe. Ein gutes Glück war es uoch, daß das berstende Eis die Schiffe blos in die Hohe hob; sehr oft wer¬ den sie von dem gewaltigen Druck der Niesenschollen zermalmt. Unterdessen brach auch der Scorbut unter der Mannschaft und den Officieren aus; doch wußte der Schiffsarzt, or. Kane, noch zur rechten Zeit diese schreckliche Krankheit in ihren Fortschritten aufzuhalten. Im Eise eingeschlossen trieben 'die beiden Schiffe neun Monate eine Strecke von 1060 englischen Meilen ans dem Meer, und erst am 10. Juni 1861 gelangten sie wieder in freies Wasser. Sie hatten trotz den großen ausgestandenen Gefahren nnr geringen Schaden gelitten, und Comman¬ deur de Haven fühlte sich dadurch ermuthigt, uoch einmal uach Norden zu steuern. Er erreichte glücklich die obere Melvillebncht, wurde aber hier wieder vom Eise eingeschlossen/ Als es am 19. Angust ausbrach, war die Jahreszeit schon zu weit vorgerückt, um uoch einen neuen Versuch machen zu können, und de Haven kehrte daher nach Hanse zurück, ohne trotz der großen Anstrengungen und. Ge¬ fahren der Reise einen Mann verloren zu haben. Wir haben jetzt blos noch von den Expeditionen der Capitaine Penny und Austin zu sprechen. Sie hatten das obenerwähnte Winterlager entdeckt, doch wurden nähere Nachrichten über die Richtung, welche Sir John Franklin einge¬ schlagen, daselbst uicht aufgefunden, obgleich man die ganze Umgegend mit der Grenzboten. I. 4 18

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/147
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/147>, abgerufen am 11.05.2024.