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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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desselben mit größter Wärme, und sagte gern "derselbe sei ganz von dem Holze,
aus dem Napoleon sich seine Marschälle gemacht habe, und sollte Frankreich
wieder langjährige größere Kriege bekommen, so würde er es gewiß zu einem
hohen militärischen Rufe bringen." Schon in Rom hatte das innigste Band
dieses Paar vereinigt. Die Römerin, die ihren Geliebten fast nie verließ, wenn
es ihre beiderseitigen Pflichten irgendwie gestatteten, hatte in Rom Ge¬
legenheit gehabt, demselben das Leben wieder zu retten. Ein Dolchstoß hatte
an einem Abend den Sergeanten getroffen, als er mit seiner Geliebten spät eine
Schenke verließ. Wie eine Pantherin war das Mädchen dazwischen gesprungen,
hatte den Arm des Mörders bei Seite gestoßen, in demselben Augenblick aber
ihr rasch gezucktes Messer ihm dnrch das Herz gebohrt, so daß er sogleich lautlos
zusammengestürzt sein soll. Als das Bataillon Italien verließ, um nach Algerien
sich einzuschiffen, war die Liebe der Römerin so groß, daß sie sich nicht von dem
Sergeant-Major zu trennen vermochte. Zufällig war die Stelle einer vivanälere
bei dem Corps frei, da eine frühere sich nicht körperlich stark genug fühlte, die
Beschwerden des Vorpostendienstes in Algerien zu ertragen. Unter den Auspicien
der mers Kobineau, der Beschützerin und Herrscherin aller Marketenderinnen des
Corps, nahm sie diese Stelle ein. Mit großem Eifer versah "1a tolle Komairre"
ihren Posten, und erwarb sich dadurch auch die allgemeine Anerkennung der Offi-
ciere und Soldaten. Im Ganzen- lag aber doch Etwas zwischen ihr und ihnen,
und die kleinen lustigen Chasseurs konnten mit ihr, die dazu nur äußerst gebrochen
französisch sprach, lange nicht so unbefangen scherzen, wie mit "more Kodineau"
oder "1a petits Oatln", oder mit "5<zaanelw, 1a Mio <Ze ^ormarrclie". Mit Ernst
wußte die Römerin Alle in Schranken zu halten; anch die Officiere wagten nicht,
die Achtung gegen sie zu verletzen. ' Ueber ihre unbedingte Treue gegen den
Sergeant-Major, ja selbst über die aufopferndste Hingebung sür Denselben, herrschte
im ganzen Bataillon nur eine Stimme. Derselbe hatte ihr wiederholt angeboten,
eine Heirathserlaubniß zu erwerben, und sich auch dnrch des Priesters Hand mit
ihr zu verbinden; aus seltenem Edelmuth hatte das Mädchen dies ausgeschlagen,
da sie erfahren, daß es für einen verheiratheten Unterofstcier äußerst schwer halte,
noch zum Officier zu avanciren, und sie ihren Geliebten nicht in seinem Fort¬
kommen: hindern wollte. Als derselbe später, einige Tage, bevor ich Algerien
verließ, bei einem kleinen Vorpostengefecht einen Schuß in den linken Arm
erhielt, so daß der Chirurgien-Major befürchtete, er werde den Arm amvutiren
müssen, da bat "1a dslle Romaine" den Verwundeten, jetzt, wenn er seinen
Abschied erhalte, möge er sie heirathen, da sie dann als seine rechtmäßige Frau
durch ihre Arbeit besser für seinen Unterhalt sorgen könne. Die Pflege und
Sorgfalt, die sie dem Verwundeten angedeihen ließ, war wirklich rührend. Er
genas, ohne den Arm 'zu verlieren.

Gleich lustig, wie an unsrem Ossicierswachtfeuer, ging es heute-Abend an


desselben mit größter Wärme, und sagte gern „derselbe sei ganz von dem Holze,
aus dem Napoleon sich seine Marschälle gemacht habe, und sollte Frankreich
wieder langjährige größere Kriege bekommen, so würde er es gewiß zu einem
hohen militärischen Rufe bringen." Schon in Rom hatte das innigste Band
dieses Paar vereinigt. Die Römerin, die ihren Geliebten fast nie verließ, wenn
es ihre beiderseitigen Pflichten irgendwie gestatteten, hatte in Rom Ge¬
legenheit gehabt, demselben das Leben wieder zu retten. Ein Dolchstoß hatte
an einem Abend den Sergeanten getroffen, als er mit seiner Geliebten spät eine
Schenke verließ. Wie eine Pantherin war das Mädchen dazwischen gesprungen,
hatte den Arm des Mörders bei Seite gestoßen, in demselben Augenblick aber
ihr rasch gezucktes Messer ihm dnrch das Herz gebohrt, so daß er sogleich lautlos
zusammengestürzt sein soll. Als das Bataillon Italien verließ, um nach Algerien
sich einzuschiffen, war die Liebe der Römerin so groß, daß sie sich nicht von dem
Sergeant-Major zu trennen vermochte. Zufällig war die Stelle einer vivanälere
bei dem Corps frei, da eine frühere sich nicht körperlich stark genug fühlte, die
Beschwerden des Vorpostendienstes in Algerien zu ertragen. Unter den Auspicien
der mers Kobineau, der Beschützerin und Herrscherin aller Marketenderinnen des
Corps, nahm sie diese Stelle ein. Mit großem Eifer versah „1a tolle Komairre"
ihren Posten, und erwarb sich dadurch auch die allgemeine Anerkennung der Offi-
ciere und Soldaten. Im Ganzen- lag aber doch Etwas zwischen ihr und ihnen,
und die kleinen lustigen Chasseurs konnten mit ihr, die dazu nur äußerst gebrochen
französisch sprach, lange nicht so unbefangen scherzen, wie mit „more Kodineau"
oder „1a petits Oatln", oder mit „5<zaanelw, 1a Mio <Ze ^ormarrclie". Mit Ernst
wußte die Römerin Alle in Schranken zu halten; anch die Officiere wagten nicht,
die Achtung gegen sie zu verletzen. ' Ueber ihre unbedingte Treue gegen den
Sergeant-Major, ja selbst über die aufopferndste Hingebung sür Denselben, herrschte
im ganzen Bataillon nur eine Stimme. Derselbe hatte ihr wiederholt angeboten,
eine Heirathserlaubniß zu erwerben, und sich auch dnrch des Priesters Hand mit
ihr zu verbinden; aus seltenem Edelmuth hatte das Mädchen dies ausgeschlagen,
da sie erfahren, daß es für einen verheiratheten Unterofstcier äußerst schwer halte,
noch zum Officier zu avanciren, und sie ihren Geliebten nicht in seinem Fort¬
kommen: hindern wollte. Als derselbe später, einige Tage, bevor ich Algerien
verließ, bei einem kleinen Vorpostengefecht einen Schuß in den linken Arm
erhielt, so daß der Chirurgien-Major befürchtete, er werde den Arm amvutiren
müssen, da bat „1a dslle Romaine" den Verwundeten, jetzt, wenn er seinen
Abschied erhalte, möge er sie heirathen, da sie dann als seine rechtmäßige Frau
durch ihre Arbeit besser für seinen Unterhalt sorgen könne. Die Pflege und
Sorgfalt, die sie dem Verwundeten angedeihen ließ, war wirklich rührend. Er
genas, ohne den Arm 'zu verlieren.

Gleich lustig, wie an unsrem Ossicierswachtfeuer, ging es heute-Abend an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/310>, abgerufen am 26.05.2024.