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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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einer Künstlernatur zu singen. Seine Lieder wurden schnell Begleiter der Maler
ans ihren Reisen in der Einsamkeit und bei lustigem Gelage, und wie die ideale
Seite des deutscheu Künstlerlebens ans seine Lyrik bildend und bestimmend ein¬
wirkte, so hat er seinerseits durch seine Lieder viel dazu beigetragen, das Leben
seiner Kunstgenossen zu verschönern, und den Idealismus darin rein zu erhalten.
Die Lieder eines Malers mit Randzeichnungen fast aller bedeutenden
Künstler Düsseldorfs sind das Werk, welches ihn zuerst dem großen Publicum
bekannt machte, und welches als ein Zeichen von der schönen Innigkeit betrachtet
werden kaun, mit welcher seine Lieder über den Paletten der Düsseldorfer ge¬
brummt, gepfiffen und gesungen wurden. Das Unternehmen galt bei seinem
Erscheinen für ein deutsches Prachtwerk, und war -- nebenbei bemerkt -- eines
der ersten, welches den Geschmack für kunstvolle Illustrationen erweckte. Manche
der Illustrationen darin haben einen nicht unbedeutenden Kunstwerth. In ihrer
Verbindung mit den kleinen anspruchslosen Gedichten aber, deren Rahmen sie
doch sein sollten, wirken sie nicht immer wohlthuend, weil sie den Effect derselben
nicht erhöhen, sondern aufheben. -- Mit Kugler vereint gab Neinick das
Liederbuch für deutsche Künstler heraus, gewissermaßen einen Codex der
Fröhlichkeit, noch jetzt das classische Buch aller Künstlergenossenschaften. Seine
gesammelten Gedichte, welche vor Kurzem in zweiter Auflage erschienen find,
trugen ein genaueres Bild seiner freundlichen, ehrenwerthen Dichterpersönlichkeit
durch Deutschland. Er fing durch sie an, den höchsten Ruhm eines lyrischen
Dichters zu erreichen, das heißt, im Volke populair zu werden.

Aber noch in anderer Richtung wußte er anzuregen und anmuthig zu unter¬
halten. Seit dem Jahre 184S war er als Jugendschriststeller thätig. Er gab
ein illustrirtes ABCBuch heraus, welchem von 4849--1862 vier Jahr¬
gänge des Ju geudkalenders folgten. Dem Vernehmen nach hat er noch
für das Jahr 18S3 des Jugendkalenders^ fast das ganze Material hinterlassen.
In diesen Kinderschristen, zu welchen uoch einzelnes Kleinere kommt, ist unter
den Erzählungen in Prosa vieles Hübsche und Originelle, Manches steiles auch
nach den alten Chablonen unsrer Märchenwelt bearbeitet. Allerliebst aber und
der originellste Theil sind die kleinen und großen Verse, welche sehr glücklich auf
das Gemüth der Kinder berechnet sind, und, immer klar und verständlich, in wohl¬
wollender Lehre, in schalkhafter Laune und in der Nachahmung kindlichen Ge-
plauders ihres Gleichen suchen. . Er versteht mit großem Geschick den alten
Reimen und Kindersprüchen durch eine kleine Wendung einen poetischen Sinn
oder eine tiefere Bedeutung anzuheften; er versteht meisterhaft die Gefühle der
Kinder zu idealisiren, und ihnen die Erscheinungen der Menschenwelt und die
Gebilde der Natur in.dem verklärten Lichte der Poesie zu zeigen, ohne die Ob¬
jecte selbst durch Ziererei und Mystik zu entstellen. Er zeigt sich als ein guter
Ehrist, welcher mit seinen frommen Empfindungen weder coquettirt, noch sie ver-


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einer Künstlernatur zu singen. Seine Lieder wurden schnell Begleiter der Maler
ans ihren Reisen in der Einsamkeit und bei lustigem Gelage, und wie die ideale
Seite des deutscheu Künstlerlebens ans seine Lyrik bildend und bestimmend ein¬
wirkte, so hat er seinerseits durch seine Lieder viel dazu beigetragen, das Leben
seiner Kunstgenossen zu verschönern, und den Idealismus darin rein zu erhalten.
Die Lieder eines Malers mit Randzeichnungen fast aller bedeutenden
Künstler Düsseldorfs sind das Werk, welches ihn zuerst dem großen Publicum
bekannt machte, und welches als ein Zeichen von der schönen Innigkeit betrachtet
werden kaun, mit welcher seine Lieder über den Paletten der Düsseldorfer ge¬
brummt, gepfiffen und gesungen wurden. Das Unternehmen galt bei seinem
Erscheinen für ein deutsches Prachtwerk, und war — nebenbei bemerkt — eines
der ersten, welches den Geschmack für kunstvolle Illustrationen erweckte. Manche
der Illustrationen darin haben einen nicht unbedeutenden Kunstwerth. In ihrer
Verbindung mit den kleinen anspruchslosen Gedichten aber, deren Rahmen sie
doch sein sollten, wirken sie nicht immer wohlthuend, weil sie den Effect derselben
nicht erhöhen, sondern aufheben. — Mit Kugler vereint gab Neinick das
Liederbuch für deutsche Künstler heraus, gewissermaßen einen Codex der
Fröhlichkeit, noch jetzt das classische Buch aller Künstlergenossenschaften. Seine
gesammelten Gedichte, welche vor Kurzem in zweiter Auflage erschienen find,
trugen ein genaueres Bild seiner freundlichen, ehrenwerthen Dichterpersönlichkeit
durch Deutschland. Er fing durch sie an, den höchsten Ruhm eines lyrischen
Dichters zu erreichen, das heißt, im Volke populair zu werden.

Aber noch in anderer Richtung wußte er anzuregen und anmuthig zu unter¬
halten. Seit dem Jahre 184S war er als Jugendschriststeller thätig. Er gab
ein illustrirtes ABCBuch heraus, welchem von 4849—1862 vier Jahr¬
gänge des Ju geudkalenders folgten. Dem Vernehmen nach hat er noch
für das Jahr 18S3 des Jugendkalenders^ fast das ganze Material hinterlassen.
In diesen Kinderschristen, zu welchen uoch einzelnes Kleinere kommt, ist unter
den Erzählungen in Prosa vieles Hübsche und Originelle, Manches steiles auch
nach den alten Chablonen unsrer Märchenwelt bearbeitet. Allerliebst aber und
der originellste Theil sind die kleinen und großen Verse, welche sehr glücklich auf
das Gemüth der Kinder berechnet sind, und, immer klar und verständlich, in wohl¬
wollender Lehre, in schalkhafter Laune und in der Nachahmung kindlichen Ge-
plauders ihres Gleichen suchen. . Er versteht mit großem Geschick den alten
Reimen und Kindersprüchen durch eine kleine Wendung einen poetischen Sinn
oder eine tiefere Bedeutung anzuheften; er versteht meisterhaft die Gefühle der
Kinder zu idealisiren, und ihnen die Erscheinungen der Menschenwelt und die
Gebilde der Natur in.dem verklärten Lichte der Poesie zu zeigen, ohne die Ob¬
jecte selbst durch Ziererei und Mystik zu entstellen. Er zeigt sich als ein guter
Ehrist, welcher mit seinen frommen Empfindungen weder coquettirt, noch sie ver-


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[0333] einer Künstlernatur zu singen. Seine Lieder wurden schnell Begleiter der Maler ans ihren Reisen in der Einsamkeit und bei lustigem Gelage, und wie die ideale Seite des deutscheu Künstlerlebens ans seine Lyrik bildend und bestimmend ein¬ wirkte, so hat er seinerseits durch seine Lieder viel dazu beigetragen, das Leben seiner Kunstgenossen zu verschönern, und den Idealismus darin rein zu erhalten. Die Lieder eines Malers mit Randzeichnungen fast aller bedeutenden Künstler Düsseldorfs sind das Werk, welches ihn zuerst dem großen Publicum bekannt machte, und welches als ein Zeichen von der schönen Innigkeit betrachtet werden kaun, mit welcher seine Lieder über den Paletten der Düsseldorfer ge¬ brummt, gepfiffen und gesungen wurden. Das Unternehmen galt bei seinem Erscheinen für ein deutsches Prachtwerk, und war — nebenbei bemerkt — eines der ersten, welches den Geschmack für kunstvolle Illustrationen erweckte. Manche der Illustrationen darin haben einen nicht unbedeutenden Kunstwerth. In ihrer Verbindung mit den kleinen anspruchslosen Gedichten aber, deren Rahmen sie doch sein sollten, wirken sie nicht immer wohlthuend, weil sie den Effect derselben nicht erhöhen, sondern aufheben. — Mit Kugler vereint gab Neinick das Liederbuch für deutsche Künstler heraus, gewissermaßen einen Codex der Fröhlichkeit, noch jetzt das classische Buch aller Künstlergenossenschaften. Seine gesammelten Gedichte, welche vor Kurzem in zweiter Auflage erschienen find, trugen ein genaueres Bild seiner freundlichen, ehrenwerthen Dichterpersönlichkeit durch Deutschland. Er fing durch sie an, den höchsten Ruhm eines lyrischen Dichters zu erreichen, das heißt, im Volke populair zu werden. Aber noch in anderer Richtung wußte er anzuregen und anmuthig zu unter¬ halten. Seit dem Jahre 184S war er als Jugendschriststeller thätig. Er gab ein illustrirtes ABCBuch heraus, welchem von 4849—1862 vier Jahr¬ gänge des Ju geudkalenders folgten. Dem Vernehmen nach hat er noch für das Jahr 18S3 des Jugendkalenders^ fast das ganze Material hinterlassen. In diesen Kinderschristen, zu welchen uoch einzelnes Kleinere kommt, ist unter den Erzählungen in Prosa vieles Hübsche und Originelle, Manches steiles auch nach den alten Chablonen unsrer Märchenwelt bearbeitet. Allerliebst aber und der originellste Theil sind die kleinen und großen Verse, welche sehr glücklich auf das Gemüth der Kinder berechnet sind, und, immer klar und verständlich, in wohl¬ wollender Lehre, in schalkhafter Laune und in der Nachahmung kindlichen Ge- plauders ihres Gleichen suchen. . Er versteht mit großem Geschick den alten Reimen und Kindersprüchen durch eine kleine Wendung einen poetischen Sinn oder eine tiefere Bedeutung anzuheften; er versteht meisterhaft die Gefühle der Kinder zu idealisiren, und ihnen die Erscheinungen der Menschenwelt und die Gebilde der Natur in.dem verklärten Lichte der Poesie zu zeigen, ohne die Ob¬ jecte selbst durch Ziererei und Mystik zu entstellen. Er zeigt sich als ein guter Ehrist, welcher mit seinen frommen Empfindungen weder coquettirt, noch sie ver- 41 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/333>, abgerufen am 26.05.2024.