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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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lichen, die eigentlichen Kroaten den westlichen, und die Serben, mit diesen beiden
Reinen mir wenig vermischt, den südlichen Theil des Landes bewohnen; die Slo¬
weno-Kroaten nehmen mithin das Flachland nördlich von der Sawe, die eigent¬
lichen Kroaten die Küstengebiete, und die Serben die Gebirgsgegenden des Landes
ein. Hätte der Altmeister Ritter nicht bereits vor dreißig Jahren den Zusammen¬
hang des Menschencharakters mit der Natur des Landes nachgewiesen, so wäre
es eine lohnende Arbeit, diese Verhältnisse auf einem so kleinen Gebiete wie
Kroatien darzustellen; heute ist es überflüssig, weil Niemand mehr daran zweifelt.
Gehen wir daher auf die einzelnen Racen über.

Die Sloweno-Kroaten sind unter den dreien die am wenigsten interessante Er¬
scheinung. Dem Aeußern nach sind es meist mittelgroße Menschen, braunen Teints,
mit blauen oder grauen Augen, blondem oder sehr hellbraunem Haar, und einem
fast ausdruckslosen Gesicht. Es sind Physiognomien, dnrch tausendjährige
Knechtschaft und Noth häßlich geworden -- die der Weiber meist uoch häßlicher
als jene der Männer. Die weibliche Tugend ist daher keiner schweren Versuchung
ausgesetzt, und vielleicht eben dadurch, daß kein fremdes Element in diese Race
dringt, die Ursache dieser Verhäßlichung und Degeneration angezeigt; denn in jenen
Districten, z. B. dem Saweflußgebiete (Posawina), wo ein regerer Verkehr, größere
Wohlhabenheit und laxere Moral herrscht, ist das weibliche Geschlecht von sehr
zweideutiger Tugend, aber von desto größerer Schönheit der Formen und des
Gesichtsausdruckes.

Der Sloweuo-Kroar ist ein ruhiger, sehr submisser, ja feiger Mann; im
Vormärz , so lange die "Freiheit" in Ungarn florirte, war der Bauer sehr höflich,
er grüßte jeden französisch gekleideten Mann, weil er einen jeden solchen für einen
Gutsbesitzer oder einen "Stuhlrichter" -- den Universalbeamten Ungarns und
Kroatiens, der die Administration^, die Justiz- und Finanzbehörden des Landes
in einer Person darstellte -- hielt, und fürchtete, die Unterlassung jener Höflich-
keitsbezengung könnte die Strafe n^es sich ziehen, welche ein artiger technischer
Ausdruck einen "Fünfundzwanziger" nennt. Für diese äußerliche Unterwürfigkeit
entschädigte sich der Bauer durch einen, leider nur zu sehr gerechtfertigten Haß
gegen jeden französisch Costumirten, einen zwar geheim gehaltenen, aber von Gene¬
ration zu Generation fortgeerbten, wilden Haß, dessen Ausbruch eines Tages die
galizischen Grenelscenen von 1846 vielleicht noch überbieten kann.

Die Sloweno-Kroaten sind sämmtlich katholisch, es ergeht ihnen aber wie
manchen Katholiken der Jetztzeit, sie glauben täglich weniger, hänfig gar Nichts.
Nicht als wenn der Rationalismus oder die mythische Auffassung des Christen¬
thums in Kroatien bekannt und die Ursache des Unglaubens wären -- sondern weil
der Klerus durch sein Leben und Walten dem Volke den Glauben gestohlen hat.
Dabei ist aber der Kroäk ein Muster vou religiöser Intoleranz; seinen zur slavisch¬
griechischen Kirche sich bekennenden serbischen Bruder betrachtet er als einen'


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lichen, die eigentlichen Kroaten den westlichen, und die Serben, mit diesen beiden
Reinen mir wenig vermischt, den südlichen Theil des Landes bewohnen; die Slo¬
weno-Kroaten nehmen mithin das Flachland nördlich von der Sawe, die eigent¬
lichen Kroaten die Küstengebiete, und die Serben die Gebirgsgegenden des Landes
ein. Hätte der Altmeister Ritter nicht bereits vor dreißig Jahren den Zusammen¬
hang des Menschencharakters mit der Natur des Landes nachgewiesen, so wäre
es eine lohnende Arbeit, diese Verhältnisse auf einem so kleinen Gebiete wie
Kroatien darzustellen; heute ist es überflüssig, weil Niemand mehr daran zweifelt.
Gehen wir daher auf die einzelnen Racen über.

Die Sloweno-Kroaten sind unter den dreien die am wenigsten interessante Er¬
scheinung. Dem Aeußern nach sind es meist mittelgroße Menschen, braunen Teints,
mit blauen oder grauen Augen, blondem oder sehr hellbraunem Haar, und einem
fast ausdruckslosen Gesicht. Es sind Physiognomien, dnrch tausendjährige
Knechtschaft und Noth häßlich geworden — die der Weiber meist uoch häßlicher
als jene der Männer. Die weibliche Tugend ist daher keiner schweren Versuchung
ausgesetzt, und vielleicht eben dadurch, daß kein fremdes Element in diese Race
dringt, die Ursache dieser Verhäßlichung und Degeneration angezeigt; denn in jenen
Districten, z. B. dem Saweflußgebiete (Posawina), wo ein regerer Verkehr, größere
Wohlhabenheit und laxere Moral herrscht, ist das weibliche Geschlecht von sehr
zweideutiger Tugend, aber von desto größerer Schönheit der Formen und des
Gesichtsausdruckes.

Der Sloweuo-Kroar ist ein ruhiger, sehr submisser, ja feiger Mann; im
Vormärz , so lange die „Freiheit" in Ungarn florirte, war der Bauer sehr höflich,
er grüßte jeden französisch gekleideten Mann, weil er einen jeden solchen für einen
Gutsbesitzer oder einen „Stuhlrichter" — den Universalbeamten Ungarns und
Kroatiens, der die Administration^, die Justiz- und Finanzbehörden des Landes
in einer Person darstellte — hielt, und fürchtete, die Unterlassung jener Höflich-
keitsbezengung könnte die Strafe n^es sich ziehen, welche ein artiger technischer
Ausdruck einen „Fünfundzwanziger" nennt. Für diese äußerliche Unterwürfigkeit
entschädigte sich der Bauer durch einen, leider nur zu sehr gerechtfertigten Haß
gegen jeden französisch Costumirten, einen zwar geheim gehaltenen, aber von Gene¬
ration zu Generation fortgeerbten, wilden Haß, dessen Ausbruch eines Tages die
galizischen Grenelscenen von 1846 vielleicht noch überbieten kann.

Die Sloweno-Kroaten sind sämmtlich katholisch, es ergeht ihnen aber wie
manchen Katholiken der Jetztzeit, sie glauben täglich weniger, hänfig gar Nichts.
Nicht als wenn der Rationalismus oder die mythische Auffassung des Christen¬
thums in Kroatien bekannt und die Ursache des Unglaubens wären — sondern weil
der Klerus durch sein Leben und Walten dem Volke den Glauben gestohlen hat.
Dabei ist aber der Kroäk ein Muster vou religiöser Intoleranz; seinen zur slavisch¬
griechischen Kirche sich bekennenden serbischen Bruder betrachtet er als einen'


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[0349] lichen, die eigentlichen Kroaten den westlichen, und die Serben, mit diesen beiden Reinen mir wenig vermischt, den südlichen Theil des Landes bewohnen; die Slo¬ weno-Kroaten nehmen mithin das Flachland nördlich von der Sawe, die eigent¬ lichen Kroaten die Küstengebiete, und die Serben die Gebirgsgegenden des Landes ein. Hätte der Altmeister Ritter nicht bereits vor dreißig Jahren den Zusammen¬ hang des Menschencharakters mit der Natur des Landes nachgewiesen, so wäre es eine lohnende Arbeit, diese Verhältnisse auf einem so kleinen Gebiete wie Kroatien darzustellen; heute ist es überflüssig, weil Niemand mehr daran zweifelt. Gehen wir daher auf die einzelnen Racen über. Die Sloweno-Kroaten sind unter den dreien die am wenigsten interessante Er¬ scheinung. Dem Aeußern nach sind es meist mittelgroße Menschen, braunen Teints, mit blauen oder grauen Augen, blondem oder sehr hellbraunem Haar, und einem fast ausdruckslosen Gesicht. Es sind Physiognomien, dnrch tausendjährige Knechtschaft und Noth häßlich geworden — die der Weiber meist uoch häßlicher als jene der Männer. Die weibliche Tugend ist daher keiner schweren Versuchung ausgesetzt, und vielleicht eben dadurch, daß kein fremdes Element in diese Race dringt, die Ursache dieser Verhäßlichung und Degeneration angezeigt; denn in jenen Districten, z. B. dem Saweflußgebiete (Posawina), wo ein regerer Verkehr, größere Wohlhabenheit und laxere Moral herrscht, ist das weibliche Geschlecht von sehr zweideutiger Tugend, aber von desto größerer Schönheit der Formen und des Gesichtsausdruckes. Der Sloweuo-Kroar ist ein ruhiger, sehr submisser, ja feiger Mann; im Vormärz , so lange die „Freiheit" in Ungarn florirte, war der Bauer sehr höflich, er grüßte jeden französisch gekleideten Mann, weil er einen jeden solchen für einen Gutsbesitzer oder einen „Stuhlrichter" — den Universalbeamten Ungarns und Kroatiens, der die Administration^, die Justiz- und Finanzbehörden des Landes in einer Person darstellte — hielt, und fürchtete, die Unterlassung jener Höflich- keitsbezengung könnte die Strafe n^es sich ziehen, welche ein artiger technischer Ausdruck einen „Fünfundzwanziger" nennt. Für diese äußerliche Unterwürfigkeit entschädigte sich der Bauer durch einen, leider nur zu sehr gerechtfertigten Haß gegen jeden französisch Costumirten, einen zwar geheim gehaltenen, aber von Gene¬ ration zu Generation fortgeerbten, wilden Haß, dessen Ausbruch eines Tages die galizischen Grenelscenen von 1846 vielleicht noch überbieten kann. Die Sloweno-Kroaten sind sämmtlich katholisch, es ergeht ihnen aber wie manchen Katholiken der Jetztzeit, sie glauben täglich weniger, hänfig gar Nichts. Nicht als wenn der Rationalismus oder die mythische Auffassung des Christen¬ thums in Kroatien bekannt und die Ursache des Unglaubens wären — sondern weil der Klerus durch sein Leben und Walten dem Volke den Glauben gestohlen hat. Dabei ist aber der Kroäk ein Muster vou religiöser Intoleranz; seinen zur slavisch¬ griechischen Kirche sich bekennenden serbischen Bruder betrachtet er als einen' 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/349>, abgerufen am 11.05.2024.