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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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ihrer kaum über hundert-bekannt sein; es sind lyrische Dichtungen (epische haben
sie nicht), düster, monoton, ohne Schwung und Kraft -- das getreue Sinnbild
des verkommenden Volkes. Hier sei beiläufig erwähnt, daß die illyrischen Poeten,
mit Ausnahme der zwei besten, Mashuranitsch und Preradvwitsch, sämmtlich
Sloweno-Kroaten sind.

Die Revolution von 184>8 brachte dem kroatischen Volke eine Gabe von
unschätzbarem Werthe -- die Aufhebung des Unterthanverbandes. Der Bauer
nahm dieses Geschenk begehrlich auf; er bekümmerte sich um alles Uebrige uicht,
daher hatte das Haranguiren der Jllyrier beim Bauer keinen Erfolg. Wie
hätte er sich für Verhältnisse interessiren sollen, die nur die "Herren" und uicht
ihn angingen, und was hatte er mit den so herzlich gehaßten "Herren" gemein?
An eine Theilnahme des Volkes am Kriege mit Ungarn war gar nicht zu denken;
Alles, wozu man die Bauern bewegen konnte, war die Besetzung der kroatischen
Grenze gegen Ungarn. Was soll man aber von jenen Jllyriern sagen, welche
funfzehn Jahre lang "Krieg gegen Ungarn" schrien, und in dem Augenblicke,
als dieses diplomatische Meisterstück wider ihren Willen zur Thatsache wurde,
Ungarn in so viele Paschalicks theilten, als es "Patrioten" in Agram gab?
Diese Helden blieben sämmtlich in Agram -- keiner von ihnen zog in den
"heiligen Krieg" -- nicht ein Volontair fand sich unter dem "Heldenvolke"!
Sie mußten sich für's Vaterland erhalten; hatten sie ja doch Ungarn von Agram
aus erobert! Das Werk war vollbracht, sie ruhten an? ihren Lorbeeren aus; sie
regierten, sie renommirten, zechten wacker und streuten einander Weihrauch. Wehe
dem, der nicht glaubte, daß diese Männer das Vaterland gerettet haben!

Wenden wir uns zum Meere, zu dem sogenannten "ungarischen", in Wahr¬
heit aber kroatischen Littorale. Hier, zwischen den Slowenen von Krain und den
Slowenokroaten einerseits, und den Serben der Militairgrenze andererseits, begegnen
wir der zweiten Vvlkerrace, welche wir die eigentlichen Kroaten nannten, und
welche sich selbst einzig mit diesem Namen nennt. Wie dieses über die ganze
Ostküste des Adriameeres verbreitete Volk, welches man immerhin für die Chro-
baten oder Kroaten der byzantinische" Historiker halten kann, wie dieses ans den
schmalen Küstensaum und den adriatischen Jnselkreis gedrängt wurde, ist ein noch
unaufgelöstes Räthsel.

Diese Kroaten also, in Kroatien allgemein "Primorzi", Küftenbewohner,
genannt, bilden das Bindeglied zwischen dem slowenokroatischen und dem ser¬
bischen Stamme. Es ist ein gesundes, kräftiges, schönes Volk, heiter, witzig,
kühn, voll der besten Anlagen, zu deren, Ausbildung es aber, nicht ge¬
kommen ist. Gleichwol ist dieser Stamm der thätigste und rührigste unter seinen
Mitgenossen; er hat Sinn für eine hübsche Wohnung, nährt und kleidet sich
gut, was bei dem Slowenokroaten nicht der Fall ist. Der Boden nährt ihn
nicht, denn an Ackerbau ist auf diesem starren Felsgeklüste nicht zu denken; er ist


ihrer kaum über hundert-bekannt sein; es sind lyrische Dichtungen (epische haben
sie nicht), düster, monoton, ohne Schwung und Kraft — das getreue Sinnbild
des verkommenden Volkes. Hier sei beiläufig erwähnt, daß die illyrischen Poeten,
mit Ausnahme der zwei besten, Mashuranitsch und Preradvwitsch, sämmtlich
Sloweno-Kroaten sind.

Die Revolution von 184>8 brachte dem kroatischen Volke eine Gabe von
unschätzbarem Werthe — die Aufhebung des Unterthanverbandes. Der Bauer
nahm dieses Geschenk begehrlich auf; er bekümmerte sich um alles Uebrige uicht,
daher hatte das Haranguiren der Jllyrier beim Bauer keinen Erfolg. Wie
hätte er sich für Verhältnisse interessiren sollen, die nur die „Herren" und uicht
ihn angingen, und was hatte er mit den so herzlich gehaßten „Herren" gemein?
An eine Theilnahme des Volkes am Kriege mit Ungarn war gar nicht zu denken;
Alles, wozu man die Bauern bewegen konnte, war die Besetzung der kroatischen
Grenze gegen Ungarn. Was soll man aber von jenen Jllyriern sagen, welche
funfzehn Jahre lang „Krieg gegen Ungarn" schrien, und in dem Augenblicke,
als dieses diplomatische Meisterstück wider ihren Willen zur Thatsache wurde,
Ungarn in so viele Paschalicks theilten, als es „Patrioten" in Agram gab?
Diese Helden blieben sämmtlich in Agram — keiner von ihnen zog in den
„heiligen Krieg" — nicht ein Volontair fand sich unter dem „Heldenvolke"!
Sie mußten sich für's Vaterland erhalten; hatten sie ja doch Ungarn von Agram
aus erobert! Das Werk war vollbracht, sie ruhten an? ihren Lorbeeren aus; sie
regierten, sie renommirten, zechten wacker und streuten einander Weihrauch. Wehe
dem, der nicht glaubte, daß diese Männer das Vaterland gerettet haben!

Wenden wir uns zum Meere, zu dem sogenannten „ungarischen", in Wahr¬
heit aber kroatischen Littorale. Hier, zwischen den Slowenen von Krain und den
Slowenokroaten einerseits, und den Serben der Militairgrenze andererseits, begegnen
wir der zweiten Vvlkerrace, welche wir die eigentlichen Kroaten nannten, und
welche sich selbst einzig mit diesem Namen nennt. Wie dieses über die ganze
Ostküste des Adriameeres verbreitete Volk, welches man immerhin für die Chro-
baten oder Kroaten der byzantinische» Historiker halten kann, wie dieses ans den
schmalen Küstensaum und den adriatischen Jnselkreis gedrängt wurde, ist ein noch
unaufgelöstes Räthsel.

Diese Kroaten also, in Kroatien allgemein „Primorzi", Küftenbewohner,
genannt, bilden das Bindeglied zwischen dem slowenokroatischen und dem ser¬
bischen Stamme. Es ist ein gesundes, kräftiges, schönes Volk, heiter, witzig,
kühn, voll der besten Anlagen, zu deren, Ausbildung es aber, nicht ge¬
kommen ist. Gleichwol ist dieser Stamm der thätigste und rührigste unter seinen
Mitgenossen; er hat Sinn für eine hübsche Wohnung, nährt und kleidet sich
gut, was bei dem Slowenokroaten nicht der Fall ist. Der Boden nährt ihn
nicht, denn an Ackerbau ist auf diesem starren Felsgeklüste nicht zu denken; er ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/351>, abgerufen am 17.06.2024.