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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Bleiben wir in der beliebtesten Form pflanzlicher Gestaltungen, so zeigt die
Fruchtschale z. B. den kräftigen Stamm eines Weinstocks, der sich in zwei Aeste spal¬
tet und auf diesen die Muschelform der Schale trägt. Auf dem Blätterschmuck
eines runden Piedestals und den knorrigen Wurzeln des Weinstocks sind zwei
nackte Kinder, ein Mädchen und ein Knabe, am Stamm beschäftigt. Das kniende
Mädchen hilft dem Knabe", welcher die herabhangenden Trauben pflücken will,
empor. Große Blätter umgeben Trauben und Aeste. Von den letzteren steigt
der eine am Bauch der Schale empor, und wölbt sich über ihr als Doppelzweig
zu einem hochstehenden Henkel. Die beiden Zweige schlingen sich noch mit Blättern und
Früchten der Rebe am Rande der Schale entlang. Das Knorrige von Stamm,
Aesten und Zweigen, die Wahrheit und Lebendigkeit der Ausführung im Gan¬
zen geben dem Gefäß einen eigenthümlichen Reiz.

Messer, Gabel, Löffel bildet man mit Griffen aus Zweig- und Blätterwerk mit
Blüthen und Früchten. Die ovale Schale der Löffel tritt in schöner Schwin¬
gung aus den Blättern hervor. Auch hat man spiralförmige Gabelgriffe, die
sich weiter abwärts zu einem dreifachen Stamm geradliniger Cylinder verbinden,
dann einen leicht verschlungenen Knoten bilden, aus dem die drei Gabelspitzen
hervorspringen. Eine eigene Art sind die breiten, etwas ausgebogenen Gemüse¬
gabeln mit vier platten silbernen Spitzen, die stumpfen FedermesserMngen ähn¬
lich sehen. Füll- oder Vorlcgelöffel findet man in außerordentlich geschmackvollen
Kunstformen. Ich sah einen solchen Löffel, dessen Stiel eine Blättersäule war,
die als Griff in runder Plastik die Gestalt der aufgeschürzten Diana trug. Die Schale
wuchs am andern Ende aus dem Stamme als ein großes, tief gewölbtes und geripptes
Blatt hervor. Ein anderer bestand ans einer runden, muschelartigen Schale,
auf deren ausgebogener Seite der Stiel mit zwei Phantasieblättern aufsitzt.
Deren Stiele kreuzen und vereinen sich dann zu einer Art von Knospe, aus
welcher der spiralförmige Stamm des Löffels heraustritt. Dieser schließt mit ei¬
nem Doppelrande ab, und trägt ein viereckiges Stück, das sich knopfartig aus¬
haucht. Ans dem Knopfe sitzt dann mit vier Blättern und freistehenden Stielen
der eigentliche, breiter geschwungene Griff, der ans reich verwebten Arabesken
besteht. Der Geschmack an pflanzlichen Zierrathen erstreckt sich natürlich in ent¬
sprechender Weise auch über Teller und Schüsseln von Silber, die indessen doch
nur in sehr prächtigen Haushaltungen das Porzellan und englische Geschirr ver¬
drängen. Es mag daher diese kurze Erwähnung genügen, und ich will meinen
Bericht schließen mit der Schilderung einiger hübschen Leuchterformen.

Ein kleiner Leuchter für Schreibtisch oder Toilette bildet z. B. ein breites,
muschelartiges Blatt, dessen kurz abgebrochener Stiel den Halter abgiebt. In
der Mitte des Blattes stehen zwei Blüthenkelche so über einander, daß der un¬
tere umgestülpt mit seinem schlanken Leibe den Leib des andern umrankt, der die
Oeffnung nach oben kehrt, um die Kerze zu empfangen. Größere Leuchter für


Bleiben wir in der beliebtesten Form pflanzlicher Gestaltungen, so zeigt die
Fruchtschale z. B. den kräftigen Stamm eines Weinstocks, der sich in zwei Aeste spal¬
tet und auf diesen die Muschelform der Schale trägt. Auf dem Blätterschmuck
eines runden Piedestals und den knorrigen Wurzeln des Weinstocks sind zwei
nackte Kinder, ein Mädchen und ein Knabe, am Stamm beschäftigt. Das kniende
Mädchen hilft dem Knabe», welcher die herabhangenden Trauben pflücken will,
empor. Große Blätter umgeben Trauben und Aeste. Von den letzteren steigt
der eine am Bauch der Schale empor, und wölbt sich über ihr als Doppelzweig
zu einem hochstehenden Henkel. Die beiden Zweige schlingen sich noch mit Blättern und
Früchten der Rebe am Rande der Schale entlang. Das Knorrige von Stamm,
Aesten und Zweigen, die Wahrheit und Lebendigkeit der Ausführung im Gan¬
zen geben dem Gefäß einen eigenthümlichen Reiz.

Messer, Gabel, Löffel bildet man mit Griffen aus Zweig- und Blätterwerk mit
Blüthen und Früchten. Die ovale Schale der Löffel tritt in schöner Schwin¬
gung aus den Blättern hervor. Auch hat man spiralförmige Gabelgriffe, die
sich weiter abwärts zu einem dreifachen Stamm geradliniger Cylinder verbinden,
dann einen leicht verschlungenen Knoten bilden, aus dem die drei Gabelspitzen
hervorspringen. Eine eigene Art sind die breiten, etwas ausgebogenen Gemüse¬
gabeln mit vier platten silbernen Spitzen, die stumpfen FedermesserMngen ähn¬
lich sehen. Füll- oder Vorlcgelöffel findet man in außerordentlich geschmackvollen
Kunstformen. Ich sah einen solchen Löffel, dessen Stiel eine Blättersäule war,
die als Griff in runder Plastik die Gestalt der aufgeschürzten Diana trug. Die Schale
wuchs am andern Ende aus dem Stamme als ein großes, tief gewölbtes und geripptes
Blatt hervor. Ein anderer bestand ans einer runden, muschelartigen Schale,
auf deren ausgebogener Seite der Stiel mit zwei Phantasieblättern aufsitzt.
Deren Stiele kreuzen und vereinen sich dann zu einer Art von Knospe, aus
welcher der spiralförmige Stamm des Löffels heraustritt. Dieser schließt mit ei¬
nem Doppelrande ab, und trägt ein viereckiges Stück, das sich knopfartig aus¬
haucht. Ans dem Knopfe sitzt dann mit vier Blättern und freistehenden Stielen
der eigentliche, breiter geschwungene Griff, der ans reich verwebten Arabesken
besteht. Der Geschmack an pflanzlichen Zierrathen erstreckt sich natürlich in ent¬
sprechender Weise auch über Teller und Schüsseln von Silber, die indessen doch
nur in sehr prächtigen Haushaltungen das Porzellan und englische Geschirr ver¬
drängen. Es mag daher diese kurze Erwähnung genügen, und ich will meinen
Bericht schließen mit der Schilderung einiger hübschen Leuchterformen.

Ein kleiner Leuchter für Schreibtisch oder Toilette bildet z. B. ein breites,
muschelartiges Blatt, dessen kurz abgebrochener Stiel den Halter abgiebt. In
der Mitte des Blattes stehen zwei Blüthenkelche so über einander, daß der un¬
tere umgestülpt mit seinem schlanken Leibe den Leib des andern umrankt, der die
Oeffnung nach oben kehrt, um die Kerze zu empfangen. Größere Leuchter für


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[0402] Bleiben wir in der beliebtesten Form pflanzlicher Gestaltungen, so zeigt die Fruchtschale z. B. den kräftigen Stamm eines Weinstocks, der sich in zwei Aeste spal¬ tet und auf diesen die Muschelform der Schale trägt. Auf dem Blätterschmuck eines runden Piedestals und den knorrigen Wurzeln des Weinstocks sind zwei nackte Kinder, ein Mädchen und ein Knabe, am Stamm beschäftigt. Das kniende Mädchen hilft dem Knabe», welcher die herabhangenden Trauben pflücken will, empor. Große Blätter umgeben Trauben und Aeste. Von den letzteren steigt der eine am Bauch der Schale empor, und wölbt sich über ihr als Doppelzweig zu einem hochstehenden Henkel. Die beiden Zweige schlingen sich noch mit Blättern und Früchten der Rebe am Rande der Schale entlang. Das Knorrige von Stamm, Aesten und Zweigen, die Wahrheit und Lebendigkeit der Ausführung im Gan¬ zen geben dem Gefäß einen eigenthümlichen Reiz. Messer, Gabel, Löffel bildet man mit Griffen aus Zweig- und Blätterwerk mit Blüthen und Früchten. Die ovale Schale der Löffel tritt in schöner Schwin¬ gung aus den Blättern hervor. Auch hat man spiralförmige Gabelgriffe, die sich weiter abwärts zu einem dreifachen Stamm geradliniger Cylinder verbinden, dann einen leicht verschlungenen Knoten bilden, aus dem die drei Gabelspitzen hervorspringen. Eine eigene Art sind die breiten, etwas ausgebogenen Gemüse¬ gabeln mit vier platten silbernen Spitzen, die stumpfen FedermesserMngen ähn¬ lich sehen. Füll- oder Vorlcgelöffel findet man in außerordentlich geschmackvollen Kunstformen. Ich sah einen solchen Löffel, dessen Stiel eine Blättersäule war, die als Griff in runder Plastik die Gestalt der aufgeschürzten Diana trug. Die Schale wuchs am andern Ende aus dem Stamme als ein großes, tief gewölbtes und geripptes Blatt hervor. Ein anderer bestand ans einer runden, muschelartigen Schale, auf deren ausgebogener Seite der Stiel mit zwei Phantasieblättern aufsitzt. Deren Stiele kreuzen und vereinen sich dann zu einer Art von Knospe, aus welcher der spiralförmige Stamm des Löffels heraustritt. Dieser schließt mit ei¬ nem Doppelrande ab, und trägt ein viereckiges Stück, das sich knopfartig aus¬ haucht. Ans dem Knopfe sitzt dann mit vier Blättern und freistehenden Stielen der eigentliche, breiter geschwungene Griff, der ans reich verwebten Arabesken besteht. Der Geschmack an pflanzlichen Zierrathen erstreckt sich natürlich in ent¬ sprechender Weise auch über Teller und Schüsseln von Silber, die indessen doch nur in sehr prächtigen Haushaltungen das Porzellan und englische Geschirr ver¬ drängen. Es mag daher diese kurze Erwähnung genügen, und ich will meinen Bericht schließen mit der Schilderung einiger hübschen Leuchterformen. Ein kleiner Leuchter für Schreibtisch oder Toilette bildet z. B. ein breites, muschelartiges Blatt, dessen kurz abgebrochener Stiel den Halter abgiebt. In der Mitte des Blattes stehen zwei Blüthenkelche so über einander, daß der un¬ tere umgestülpt mit seinem schlanken Leibe den Leib des andern umrankt, der die Oeffnung nach oben kehrt, um die Kerze zu empfangen. Größere Leuchter für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/402>, abgerufen am 05.05.2024.