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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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das herrschende Gesetz moderner Eleganz und das Kriterium der Bildung. Eine
Spielerei früherer Zeit hat die Gegenwart auf graziöse Weise in den Brelogues
wieder aufgenommen, welche als ganze Bündel der verschiedenartigsten Gegenstände,
in Miniatur nachgeahmt, an den Uhrketten getragen werden.

Die besondere Liebhaberei der Tabaksdosen und ähnlicher Dinge lasse ich
bei Seite, doch will ich eines hübschen Schreibzeuges von Silber Erwähnung
thun, das mir recht wohl gefallen hat. Auf einer silbernen Schüssel, deren Rand
mit Blätterwerk verziert ist, stehen zwei Urnen, die aus Pnlmblatterspitzen als
Cylinder zu einem ausgeschweiften obern Rande emporwachsen. Sie bilden die
Gehäuse für Tinte- und Sandfaß, zwei kleinere Urnen, die mit noch breiterem
Rande über jene hinausragen und von Deckeln in tiefer Schüsselform, oben mit
einer Eichelspitze, geschlossen werden. Auf den Deckeln wiederholt sich die Blät-
terverzierung der äußeren Urnen. Dem Gebrauche der Damen empfehlen sich,
gleich diesem Schreibzeug, auch die seinen silbernen Scheren, welche aus Ranken
mit kleinen Blättern und Tranben gebildet werden.

Noch einige Bemerkungen seien erlaubt über die us'thigsten Stücke silberner
Services und Bestecke. Theekannen hat man, wie Vasen und Pocale, in schönen
antiken Formen mit Henkeln von Elfenbein. Die Kaffeekannen gleichen nicht
selten einem kolbenartigen runden Topf, der, unten dicker, oben schmäler, mit einer
länglichen Dille, feinem Henkel aus Elfenbein oder Ebenholz versehen ist, und von
einem kuppelartiger Deckel verschlossen wird. Auf der Kuppel sitzt wol eine verhüllte
weibliche Gestalt, in der- wir dem köstlichen Mokka zu Liebe eine Muhamedane-
rin vermuthen dürfen. Aehnliche Formen zeigt dann der Milchtopf. Die dazu
passende Zuckerdose kaun folgendermaßen beschaffen sein. Drei Delphine ruhen
mit den Köpfen ans einem Sockel, dessen drei flach abgestumpfte Ecken durch bo-
genartig zurücktretende Seitenflächen verbunden werden. Die Schwanzflossen der
Delphine trage" eine starkbauchige runde Schale, auf der über einem Sims¬
rande . ein wenig engerer Hals aufsitzt. Ein mosaikartiger Deckel verschließt das
Gefäße In höherem Grade beliebt ist die aus farbigem Glas, Krystall oder
Silber bestehende offene und flache Znckerschale. Ich sah deren eine, die auf
dem breiten Rücken eines Elephanten, dem Symbol des Reis- und Zuckerlandes,
ruht, andere in Muschelform auf einem von vielen nickenden Blättern umgebenen
Schilfstamm, dessen Fuß breitblätterige Wasserpflanzen umkränzen. Zu beiden Sei¬
ten stehen zwei rulMde Störche oder schwimmen Schwäne heran, die schlanken
Hälse dem Stamm anschmiegend. Die Herrschaft des Pflanzenreiches breitet sich
dann über die meisten Gebrauchsgegenstände an?, zunächst über die Zuckerzange,
welche zwar nnr selten noch benutzt wird. Sie besteht wol aus einem tauben¬
artigen Bogen von Zweigen und Blättern, und geht an jedem Ende in ein
größeres Ephenblatt aus, welches an der innern Seite Dornen trägt, um
besser zu fassen.


das herrschende Gesetz moderner Eleganz und das Kriterium der Bildung. Eine
Spielerei früherer Zeit hat die Gegenwart auf graziöse Weise in den Brelogues
wieder aufgenommen, welche als ganze Bündel der verschiedenartigsten Gegenstände,
in Miniatur nachgeahmt, an den Uhrketten getragen werden.

Die besondere Liebhaberei der Tabaksdosen und ähnlicher Dinge lasse ich
bei Seite, doch will ich eines hübschen Schreibzeuges von Silber Erwähnung
thun, das mir recht wohl gefallen hat. Auf einer silbernen Schüssel, deren Rand
mit Blätterwerk verziert ist, stehen zwei Urnen, die aus Pnlmblatterspitzen als
Cylinder zu einem ausgeschweiften obern Rande emporwachsen. Sie bilden die
Gehäuse für Tinte- und Sandfaß, zwei kleinere Urnen, die mit noch breiterem
Rande über jene hinausragen und von Deckeln in tiefer Schüsselform, oben mit
einer Eichelspitze, geschlossen werden. Auf den Deckeln wiederholt sich die Blät-
terverzierung der äußeren Urnen. Dem Gebrauche der Damen empfehlen sich,
gleich diesem Schreibzeug, auch die seinen silbernen Scheren, welche aus Ranken
mit kleinen Blättern und Tranben gebildet werden.

Noch einige Bemerkungen seien erlaubt über die us'thigsten Stücke silberner
Services und Bestecke. Theekannen hat man, wie Vasen und Pocale, in schönen
antiken Formen mit Henkeln von Elfenbein. Die Kaffeekannen gleichen nicht
selten einem kolbenartigen runden Topf, der, unten dicker, oben schmäler, mit einer
länglichen Dille, feinem Henkel aus Elfenbein oder Ebenholz versehen ist, und von
einem kuppelartiger Deckel verschlossen wird. Auf der Kuppel sitzt wol eine verhüllte
weibliche Gestalt, in der- wir dem köstlichen Mokka zu Liebe eine Muhamedane-
rin vermuthen dürfen. Aehnliche Formen zeigt dann der Milchtopf. Die dazu
passende Zuckerdose kaun folgendermaßen beschaffen sein. Drei Delphine ruhen
mit den Köpfen ans einem Sockel, dessen drei flach abgestumpfte Ecken durch bo-
genartig zurücktretende Seitenflächen verbunden werden. Die Schwanzflossen der
Delphine trage» eine starkbauchige runde Schale, auf der über einem Sims¬
rande . ein wenig engerer Hals aufsitzt. Ein mosaikartiger Deckel verschließt das
Gefäße In höherem Grade beliebt ist die aus farbigem Glas, Krystall oder
Silber bestehende offene und flache Znckerschale. Ich sah deren eine, die auf
dem breiten Rücken eines Elephanten, dem Symbol des Reis- und Zuckerlandes,
ruht, andere in Muschelform auf einem von vielen nickenden Blättern umgebenen
Schilfstamm, dessen Fuß breitblätterige Wasserpflanzen umkränzen. Zu beiden Sei¬
ten stehen zwei rulMde Störche oder schwimmen Schwäne heran, die schlanken
Hälse dem Stamm anschmiegend. Die Herrschaft des Pflanzenreiches breitet sich
dann über die meisten Gebrauchsgegenstände an?, zunächst über die Zuckerzange,
welche zwar nnr selten noch benutzt wird. Sie besteht wol aus einem tauben¬
artigen Bogen von Zweigen und Blättern, und geht an jedem Ende in ein
größeres Ephenblatt aus, welches an der innern Seite Dornen trägt, um
besser zu fassen.


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[0401] das herrschende Gesetz moderner Eleganz und das Kriterium der Bildung. Eine Spielerei früherer Zeit hat die Gegenwart auf graziöse Weise in den Brelogues wieder aufgenommen, welche als ganze Bündel der verschiedenartigsten Gegenstände, in Miniatur nachgeahmt, an den Uhrketten getragen werden. Die besondere Liebhaberei der Tabaksdosen und ähnlicher Dinge lasse ich bei Seite, doch will ich eines hübschen Schreibzeuges von Silber Erwähnung thun, das mir recht wohl gefallen hat. Auf einer silbernen Schüssel, deren Rand mit Blätterwerk verziert ist, stehen zwei Urnen, die aus Pnlmblatterspitzen als Cylinder zu einem ausgeschweiften obern Rande emporwachsen. Sie bilden die Gehäuse für Tinte- und Sandfaß, zwei kleinere Urnen, die mit noch breiterem Rande über jene hinausragen und von Deckeln in tiefer Schüsselform, oben mit einer Eichelspitze, geschlossen werden. Auf den Deckeln wiederholt sich die Blät- terverzierung der äußeren Urnen. Dem Gebrauche der Damen empfehlen sich, gleich diesem Schreibzeug, auch die seinen silbernen Scheren, welche aus Ranken mit kleinen Blättern und Tranben gebildet werden. Noch einige Bemerkungen seien erlaubt über die us'thigsten Stücke silberner Services und Bestecke. Theekannen hat man, wie Vasen und Pocale, in schönen antiken Formen mit Henkeln von Elfenbein. Die Kaffeekannen gleichen nicht selten einem kolbenartigen runden Topf, der, unten dicker, oben schmäler, mit einer länglichen Dille, feinem Henkel aus Elfenbein oder Ebenholz versehen ist, und von einem kuppelartiger Deckel verschlossen wird. Auf der Kuppel sitzt wol eine verhüllte weibliche Gestalt, in der- wir dem köstlichen Mokka zu Liebe eine Muhamedane- rin vermuthen dürfen. Aehnliche Formen zeigt dann der Milchtopf. Die dazu passende Zuckerdose kaun folgendermaßen beschaffen sein. Drei Delphine ruhen mit den Köpfen ans einem Sockel, dessen drei flach abgestumpfte Ecken durch bo- genartig zurücktretende Seitenflächen verbunden werden. Die Schwanzflossen der Delphine trage» eine starkbauchige runde Schale, auf der über einem Sims¬ rande . ein wenig engerer Hals aufsitzt. Ein mosaikartiger Deckel verschließt das Gefäße In höherem Grade beliebt ist die aus farbigem Glas, Krystall oder Silber bestehende offene und flache Znckerschale. Ich sah deren eine, die auf dem breiten Rücken eines Elephanten, dem Symbol des Reis- und Zuckerlandes, ruht, andere in Muschelform auf einem von vielen nickenden Blättern umgebenen Schilfstamm, dessen Fuß breitblätterige Wasserpflanzen umkränzen. Zu beiden Sei¬ ten stehen zwei rulMde Störche oder schwimmen Schwäne heran, die schlanken Hälse dem Stamm anschmiegend. Die Herrschaft des Pflanzenreiches breitet sich dann über die meisten Gebrauchsgegenstände an?, zunächst über die Zuckerzange, welche zwar nnr selten noch benutzt wird. Sie besteht wol aus einem tauben¬ artigen Bogen von Zweigen und Blättern, und geht an jedem Ende in ein größeres Ephenblatt aus, welches an der innern Seite Dornen trägt, um besser zu fassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/401>, abgerufen am 25.05.2024.