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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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tige alte Herr, der griechische Patriarch von Karlowicz gilt für den Mann, welcher
das feinste solche Getränk in seinem Keller hält. Der Wermnthtrank wird als
Entrvewein bei Tafel in besonders geformten Gläsern, Wermuthgläsern, credenzt,
und die Verbindung von aromatischer Süße und feinem bitterem Nach¬
geschmack ist so eigenthümlich, daß der größte Weinkenner ans der Fremde den
Trank bewundern wird, ohne seinen Ursprung zu errathen.

Aehnlich dem syrmischen Weine ist der rothe und Schillerwein des Banats,
am meisten geschätzt ans dem Werschetzer und Weißkirchner Weingebirge.'
Auch dieser Wein ist stocksüß, d. h. nicht sein ganzer Zuckerstoff löst sich bei der
Gährung in Weingeist auf, sondern es bleibt ein guter Theil gebunden zurück,
und der Wein bekommt dadurch, ohne süß zu sein, einen süßlichen Nachgeschmack,
an deu der Nordländer sich erst gewöhnen muß.

Die südlichste Weiuregivu der ungarischen Neben ist das Kö'uigreich Kroa¬
tien, Slavonien n. s. w. Diese slavischen Herren bilden den Uebergang von
den ungarischen zünden italienischen Weinen. Anet) sie sind meist roth, hitzig
und stark wie die Italiener, haben aber dabei einen wilden, oft erdigen Nach¬
geschmack. Wie die italienischen Weine gelten auch sie sür wenig dauerhaft.
Der rothe Wein von Moslavina, der weiße von Babulek und Bukovecz
haben den höchsten Ruf.

Seit beiläufig zwanzig Jahren wird in Ungarn auch ein Champagner mit Liebe
fabricirt und getrunken. Die Fabrikation ging von Preßburg und Oedenburg ans,
und sind dort anch die bedeutendsten und ausgedehntesten Fabrikanlagen. Ob¬
gleich die Schwere des Ungarweins seine Verwendung zum Champagner sehr
erschwerte, so ist es doch der Industrie gelungen, einen großen Theil der Hinder¬
nisse wegzuräumen; er wird im Lande selbst viel getrunken, auch uach Oestreich
exportirt. Uns werden die deutschen monssirenden Weine, abgesehen von allem
Zollaufschlag, wol immer lieber bleiben. Zu bedauern ist, daß in Niederungarn
die Pflege des Ausbruchs und der feineren Tischweine durch die Chämpagner-
sabrication zu leiden scheint.

Ja, in Ungarn wird Wein getrunken! Der 32. Theil des Bodens, eine halbe
Million Joch, ist mit Neben bepflanzt, darauf beträgt die jährliche Production an
30 Millionen Eimer Wein; und davon vertrinkt der Ungar selbst c. 26 Millionen
und läßt nnr etwa vier Millionen für das Ausland übrig, allerdings von den
besten Sorten. Er würde übrigens gern dem Auslande mehr gönnen, wenn die
bisherigen Zollgesetze Rußlands und des Zollvereins und die zum Theil noch
mangelhaften Communicationswege größeren Quantitäten den Export gestatteten.
Freilich verbraucht diese ungeheure Masse nicht der Magyar allein. Wie sehr
die verschiedenen Völker: Magyaren, Deutsche, Slaven, Walachen auch sonst mit
einander hadern, sie trinken alle gern und viel, und mau kann wol sagen, daß
der ungarische Wein das erste Band, ist, welches sie zusammenhält; die kaiser-


tige alte Herr, der griechische Patriarch von Karlowicz gilt für den Mann, welcher
das feinste solche Getränk in seinem Keller hält. Der Wermnthtrank wird als
Entrvewein bei Tafel in besonders geformten Gläsern, Wermuthgläsern, credenzt,
und die Verbindung von aromatischer Süße und feinem bitterem Nach¬
geschmack ist so eigenthümlich, daß der größte Weinkenner ans der Fremde den
Trank bewundern wird, ohne seinen Ursprung zu errathen.

Aehnlich dem syrmischen Weine ist der rothe und Schillerwein des Banats,
am meisten geschätzt ans dem Werschetzer und Weißkirchner Weingebirge.'
Auch dieser Wein ist stocksüß, d. h. nicht sein ganzer Zuckerstoff löst sich bei der
Gährung in Weingeist auf, sondern es bleibt ein guter Theil gebunden zurück,
und der Wein bekommt dadurch, ohne süß zu sein, einen süßlichen Nachgeschmack,
an deu der Nordländer sich erst gewöhnen muß.

Die südlichste Weiuregivu der ungarischen Neben ist das Kö'uigreich Kroa¬
tien, Slavonien n. s. w. Diese slavischen Herren bilden den Uebergang von
den ungarischen zünden italienischen Weinen. Anet) sie sind meist roth, hitzig
und stark wie die Italiener, haben aber dabei einen wilden, oft erdigen Nach¬
geschmack. Wie die italienischen Weine gelten auch sie sür wenig dauerhaft.
Der rothe Wein von Moslavina, der weiße von Babulek und Bukovecz
haben den höchsten Ruf.

Seit beiläufig zwanzig Jahren wird in Ungarn auch ein Champagner mit Liebe
fabricirt und getrunken. Die Fabrikation ging von Preßburg und Oedenburg ans,
und sind dort anch die bedeutendsten und ausgedehntesten Fabrikanlagen. Ob¬
gleich die Schwere des Ungarweins seine Verwendung zum Champagner sehr
erschwerte, so ist es doch der Industrie gelungen, einen großen Theil der Hinder¬
nisse wegzuräumen; er wird im Lande selbst viel getrunken, auch uach Oestreich
exportirt. Uns werden die deutschen monssirenden Weine, abgesehen von allem
Zollaufschlag, wol immer lieber bleiben. Zu bedauern ist, daß in Niederungarn
die Pflege des Ausbruchs und der feineren Tischweine durch die Chämpagner-
sabrication zu leiden scheint.

Ja, in Ungarn wird Wein getrunken! Der 32. Theil des Bodens, eine halbe
Million Joch, ist mit Neben bepflanzt, darauf beträgt die jährliche Production an
30 Millionen Eimer Wein; und davon vertrinkt der Ungar selbst c. 26 Millionen
und läßt nnr etwa vier Millionen für das Ausland übrig, allerdings von den
besten Sorten. Er würde übrigens gern dem Auslande mehr gönnen, wenn die
bisherigen Zollgesetze Rußlands und des Zollvereins und die zum Theil noch
mangelhaften Communicationswege größeren Quantitäten den Export gestatteten.
Freilich verbraucht diese ungeheure Masse nicht der Magyar allein. Wie sehr
die verschiedenen Völker: Magyaren, Deutsche, Slaven, Walachen auch sonst mit
einander hadern, sie trinken alle gern und viel, und mau kann wol sagen, daß
der ungarische Wein das erste Band, ist, welches sie zusammenhält; die kaiser-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/46>, abgerufen am 11.05.2024.