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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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über die Sorge führt, der Fall, wo im Herbst und Winter S0 die holsteinischen
Truppen viele Schanzen aufgeführt hatten.

In der Stadt Schleswig selbst fallt das Auge des Hereinfahrenden noch
immer zuerst auf das kleine Häuschen am Anfang der Stadt, dessen eine Wand
mit Kugeln so bespickt ist, daß man ihre Dauer nicht begreift. Dänische Pa߬
kugeln sind es, mit denen von Schloß Gottorp aus die heranstürmeuden preußi¬
schen Grenadiere der Garde empfangen wurden, wobei zwei muthige Officiere
des preußischen Regiments "Kaiser Franz" dicht an diesem Hause ihr Leben ver¬
loren. Ueberhaupt hat die Stadt Schleswig die meisten Erinnerungen an die
Ereignisse der letzten drei Jahre aufbewahrt; die schmerzlichste ist der Friedhof.
Zu Hunderten liegen hier die braven Krieger aus allen Gauen Deutschlands
begraben, Preußen, Hannoveraner, Mecklenburger, Bayern, Sachsen, Württem¬
berger, Oldenburger, am zahlreichsten Schleswig-Holsteiner, alle bunt dnrch ein¬
ander. In dem großen Schlosse zu Gottorp war das Haupthospital bei allen
drei Feldzügen und manches deutsche Laudeskind hat in dem wüsten Gebäude,
das hoch über dem Kranz mächtiger Linden, der es umgiebt, emporragt, seinen
letzten Seufzer ausgehaucht, oder sich seine zerschmetterten Glieder ablösen lassen,
und ist als armer Krüppel vou hier fortgewaukt. Auf Schloß Gottorp weht jetzt
wieder hoch die rothe Fahne mit dem weißen Kreuze, und wer in Schleswig die
Melodie des deutschen Vaterlands summte oder zwischen den Zähnen pfiffe, den
würde schnell der wohlgesinnte dänische Gendarm packen und ins Gefängniß
führen, da kann er zwischen engen Mauern sein Deutschthum vergessen ler¬
nen. Ja, wäre der Betroffene nur ein Mann gewöhnlichen Standes, oder ein
früherer Schleswig-holsteinischer Soldat, so ließe ihm der strenge Herr Polizeimeister
auch wohl ein Dutzend Hiebe aufzählen. Solche Dinge gehören jetzt in Schles¬
wig gerade nicht zu den Seltenheiten. Wozu darüber klagen? man weiß doch,
daß dies nutzlos ist. Aber in aller Unterwürfigkeit sei es gesagt, ein hartes
Regiment führen die Dänen jetzt im ganzen Herzogthum Schleswig, besonders
in den südlichen Theilen desselben, wo das deutsche Element herrscht; sie lassen
es den Söhnen desselben ein wenig fühlen, daß sie an drei Jahre mit den deut¬
schen Truppen vereint gegen sie gekämpft haben; Gesetz und Recht gelten nicht
allzuviel. Ein drückendes Polizeiregiment beherrscht Alles, von dänischen Spio¬
nen und dänischen Gendarmen wimmelt das ganze Land. Wer in den Verdacht
kommt -- und arglistige Angeberei vermag solchen leicht auch gegen den Unschuldig¬
sten zu erzeugen -- daß er deutsche Gesinnungen hege, über dem schwebt das Da¬
moklesschwert der Verfolgung jeglicher Art. So mancher Bürger und Bauer
hat schon 8--1-4 Tage hier unschuldig im Gefängniß sitzen müssen, und ist dann wieder
ohne die mindeste Entschuldigung entlassen worden, nachdem es sich herausgestellt,
daß die Anklage, wegen der man ihn beigesteckt hatte, eine falsche gewesen war.

Ein alter angelscher Bauer hatte an 14 Tage in einem elenden Gesang-


über die Sorge führt, der Fall, wo im Herbst und Winter S0 die holsteinischen
Truppen viele Schanzen aufgeführt hatten.

In der Stadt Schleswig selbst fallt das Auge des Hereinfahrenden noch
immer zuerst auf das kleine Häuschen am Anfang der Stadt, dessen eine Wand
mit Kugeln so bespickt ist, daß man ihre Dauer nicht begreift. Dänische Pa߬
kugeln sind es, mit denen von Schloß Gottorp aus die heranstürmeuden preußi¬
schen Grenadiere der Garde empfangen wurden, wobei zwei muthige Officiere
des preußischen Regiments „Kaiser Franz" dicht an diesem Hause ihr Leben ver¬
loren. Ueberhaupt hat die Stadt Schleswig die meisten Erinnerungen an die
Ereignisse der letzten drei Jahre aufbewahrt; die schmerzlichste ist der Friedhof.
Zu Hunderten liegen hier die braven Krieger aus allen Gauen Deutschlands
begraben, Preußen, Hannoveraner, Mecklenburger, Bayern, Sachsen, Württem¬
berger, Oldenburger, am zahlreichsten Schleswig-Holsteiner, alle bunt dnrch ein¬
ander. In dem großen Schlosse zu Gottorp war das Haupthospital bei allen
drei Feldzügen und manches deutsche Laudeskind hat in dem wüsten Gebäude,
das hoch über dem Kranz mächtiger Linden, der es umgiebt, emporragt, seinen
letzten Seufzer ausgehaucht, oder sich seine zerschmetterten Glieder ablösen lassen,
und ist als armer Krüppel vou hier fortgewaukt. Auf Schloß Gottorp weht jetzt
wieder hoch die rothe Fahne mit dem weißen Kreuze, und wer in Schleswig die
Melodie des deutschen Vaterlands summte oder zwischen den Zähnen pfiffe, den
würde schnell der wohlgesinnte dänische Gendarm packen und ins Gefängniß
führen, da kann er zwischen engen Mauern sein Deutschthum vergessen ler¬
nen. Ja, wäre der Betroffene nur ein Mann gewöhnlichen Standes, oder ein
früherer Schleswig-holsteinischer Soldat, so ließe ihm der strenge Herr Polizeimeister
auch wohl ein Dutzend Hiebe aufzählen. Solche Dinge gehören jetzt in Schles¬
wig gerade nicht zu den Seltenheiten. Wozu darüber klagen? man weiß doch,
daß dies nutzlos ist. Aber in aller Unterwürfigkeit sei es gesagt, ein hartes
Regiment führen die Dänen jetzt im ganzen Herzogthum Schleswig, besonders
in den südlichen Theilen desselben, wo das deutsche Element herrscht; sie lassen
es den Söhnen desselben ein wenig fühlen, daß sie an drei Jahre mit den deut¬
schen Truppen vereint gegen sie gekämpft haben; Gesetz und Recht gelten nicht
allzuviel. Ein drückendes Polizeiregiment beherrscht Alles, von dänischen Spio¬
nen und dänischen Gendarmen wimmelt das ganze Land. Wer in den Verdacht
kommt — und arglistige Angeberei vermag solchen leicht auch gegen den Unschuldig¬
sten zu erzeugen — daß er deutsche Gesinnungen hege, über dem schwebt das Da¬
moklesschwert der Verfolgung jeglicher Art. So mancher Bürger und Bauer
hat schon 8—1-4 Tage hier unschuldig im Gefängniß sitzen müssen, und ist dann wieder
ohne die mindeste Entschuldigung entlassen worden, nachdem es sich herausgestellt,
daß die Anklage, wegen der man ihn beigesteckt hatte, eine falsche gewesen war.

Ein alter angelscher Bauer hatte an 14 Tage in einem elenden Gesang-


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[0078] über die Sorge führt, der Fall, wo im Herbst und Winter S0 die holsteinischen Truppen viele Schanzen aufgeführt hatten. In der Stadt Schleswig selbst fallt das Auge des Hereinfahrenden noch immer zuerst auf das kleine Häuschen am Anfang der Stadt, dessen eine Wand mit Kugeln so bespickt ist, daß man ihre Dauer nicht begreift. Dänische Pa߬ kugeln sind es, mit denen von Schloß Gottorp aus die heranstürmeuden preußi¬ schen Grenadiere der Garde empfangen wurden, wobei zwei muthige Officiere des preußischen Regiments „Kaiser Franz" dicht an diesem Hause ihr Leben ver¬ loren. Ueberhaupt hat die Stadt Schleswig die meisten Erinnerungen an die Ereignisse der letzten drei Jahre aufbewahrt; die schmerzlichste ist der Friedhof. Zu Hunderten liegen hier die braven Krieger aus allen Gauen Deutschlands begraben, Preußen, Hannoveraner, Mecklenburger, Bayern, Sachsen, Württem¬ berger, Oldenburger, am zahlreichsten Schleswig-Holsteiner, alle bunt dnrch ein¬ ander. In dem großen Schlosse zu Gottorp war das Haupthospital bei allen drei Feldzügen und manches deutsche Laudeskind hat in dem wüsten Gebäude, das hoch über dem Kranz mächtiger Linden, der es umgiebt, emporragt, seinen letzten Seufzer ausgehaucht, oder sich seine zerschmetterten Glieder ablösen lassen, und ist als armer Krüppel vou hier fortgewaukt. Auf Schloß Gottorp weht jetzt wieder hoch die rothe Fahne mit dem weißen Kreuze, und wer in Schleswig die Melodie des deutschen Vaterlands summte oder zwischen den Zähnen pfiffe, den würde schnell der wohlgesinnte dänische Gendarm packen und ins Gefängniß führen, da kann er zwischen engen Mauern sein Deutschthum vergessen ler¬ nen. Ja, wäre der Betroffene nur ein Mann gewöhnlichen Standes, oder ein früherer Schleswig-holsteinischer Soldat, so ließe ihm der strenge Herr Polizeimeister auch wohl ein Dutzend Hiebe aufzählen. Solche Dinge gehören jetzt in Schles¬ wig gerade nicht zu den Seltenheiten. Wozu darüber klagen? man weiß doch, daß dies nutzlos ist. Aber in aller Unterwürfigkeit sei es gesagt, ein hartes Regiment führen die Dänen jetzt im ganzen Herzogthum Schleswig, besonders in den südlichen Theilen desselben, wo das deutsche Element herrscht; sie lassen es den Söhnen desselben ein wenig fühlen, daß sie an drei Jahre mit den deut¬ schen Truppen vereint gegen sie gekämpft haben; Gesetz und Recht gelten nicht allzuviel. Ein drückendes Polizeiregiment beherrscht Alles, von dänischen Spio¬ nen und dänischen Gendarmen wimmelt das ganze Land. Wer in den Verdacht kommt — und arglistige Angeberei vermag solchen leicht auch gegen den Unschuldig¬ sten zu erzeugen — daß er deutsche Gesinnungen hege, über dem schwebt das Da¬ moklesschwert der Verfolgung jeglicher Art. So mancher Bürger und Bauer hat schon 8—1-4 Tage hier unschuldig im Gefängniß sitzen müssen, und ist dann wieder ohne die mindeste Entschuldigung entlassen worden, nachdem es sich herausgestellt, daß die Anklage, wegen der man ihn beigesteckt hatte, eine falsche gewesen war. Ein alter angelscher Bauer hatte an 14 Tage in einem elenden Gesang-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/78>, abgerufen am 23.05.2024.