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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Grafschaft dienen. An letzterer Clausel scheiterte die Bill, denn Lord Palmerston, schlau
den kriegerischen Eifer der Nation gegen das Ministerium benutzend, hob hervor, daß
eine wahrhaft taugliche Miliz, wie Engländer sie jedenfalls bilden würden, in jedem
Theile des Reichs müsse verwendet werden können. Indem der Exsecretair des Aus¬
wärtigen mit großer Kunst den Eindruck hervorzubringen wußte, daß Lord John Russell
mit seiner Maßregel gar nicht eine Verstärkung der Verthcidigungssähigkeit des Landes
beabsichtige, sondern nur nach Povulairität angeln wolle, stellte er sich als Derjenige
hin, der allein Vertrauen in das Volk und Entschiedenheit in der Politik genug habe,
eine Miliz nicht als ein bloßes Schcinwesen, ohne politischen und militairischen Werth,
sondern als wirklich kricgstüchtige Macht hinzustellen. -- Die Folge war bekanntlich'
der Sturz des Ministeriums Russell. Das neue Ministerium fand die Milizfrage als
eine solche vor, in welcher sie sich die ihm so nothwendige Popularität erwerben
konnte, ohne seinen politischen Principien untreu zu werden, oder, was ihm fast noch
unangenehmer ist, sie aussprechen zu müssen. Die unausrottbare Abneigung der Eng¬
länder gegen jedes Cvnscriptionssystcm, in so milder Form es auch durchgeführt
werden möge, eine Abneigung, die sich gegen die Russell'sehe Bill in lauter Opposition
geltend gemacht hattet gab ihm einen Fingerzeig, in welcher Richtung es deu Vorschlag
des abgetretenen Ministeriums abzuändern hätte. Herr Walpole, Staatssecretair des
Innern, wollte seine Miliz dnrch Werbung zusammenbringen, und hatte sogar einen
Augenblick lang den merkwürdigen Einfall, allen Milizmannschaften das Wahlrecht in
ihrer Gemeinde zu verleihen. Dieser originelle Gedanke, daß nicht ein gewisses Ver¬
mögen oder eine gewisse Bildung, sondern der Entschluß, gegen 6 Pfund Sterling
Handgeld eine Muskete aus die Achsel zu nehmen, das höchste politische Recht ver¬
schaffen sollte, zog Herrn Walpole wegen seines ^übermäßigen Resormeiscrs bittern Spott
zu, und er mußte die Klausel unter dem Vorwand zurücknehmen, daß er seine Kollegen
nicht hinreichend zu Rathe gezogen habe. Spaßvogel behaupten, ein Mißverständnis!
sei die Ursache der Klausel. Lord Derby habe nach Tisch beim Weine den Vorschlag
gemacht, und der Staatssecretair habe den Scherz seines Chefs für bittern Ernst ge¬
nommen. In ihrer jetzigen Gestalt gelangte die Bill am Freitag zur zweiten Lesung,
und wie es nicht anders zu erwarten war bei einem Ministerium, dem man aus guten
Gründen so viel als möglich die Hände binden will, stieß sie ans starke Opposition. Lord
John Russell ist sogar nicht mehr ganz so sicher über die Gefahr einer Invasion, wie er es
noch ans der Ministerbank war, will aber jedenfalls die Walpole'sche geworbene Miliz nicht
für so verträglich mit der Verfassung finden, wie die von ihm vorgeschlagene, in deren Reihen
alle englischen Bürger Eintritt finden, ja, deutet sogar an, daß sie viel gefährlicher sei als
das stehende Heer, da der Bestand dieses letztem ganz von der Bewilligung des Par¬
laments abhänge. Im Ganzen stellt sich aber heraus, daß er jetzt in der Opposition
eine Miliz nicht mehr für eine so taugliche Dcfcnfivmaßrcgcl hält, als zur Zeit, wo
er noch Minister war, und daß er ihre Durchführung weniger dem jetzigen Ministerium
erlauben, als sich selbst aufsparen möchte. Dieselbe Taktik befolgten die anderen Oppo-
fitionsredncr, nnr daß ihnen ihre weniger hohe Stellung erlaubte, sich weniger diplo¬
matisch auszudrücken. Die Strafe aber folgte auf dem Fuße. Lord Palmerston
ergriff das Wort, rügte mit gewichtiger Beredtsamkeit das factiosc Benehmen der Oppo¬
sition, und hob abermals mit großer Kunst und mit gehöriger Beleuchtung seiner
persönlichen Stellung zu der Frage ihre nationale Bedeutung hervor, die sie eigentlich
dem Parteikampf ganz entziehen müsse. So stellte er sich als Schiedsrichter über die
Parteien, als Ausleger des Nativnalwillens hin, und spielte die neue Rolle des von
keinem persönlichen Gefühle befangenen, ganz parteilosen Staatsmannes mit derselben
Virtuosität, mit der er früher als Vorkämpfer der liberalen Partei auf der ganzen
civilisirten Welt aufgetreten war. Seine Rede machte großen Eindruck auf das Haus,
und es ist offenbar, daß der edle Viscount schon starke Fortschritte in der Bildung
einer besondern Partei unter seiner alleinigen Führerschaft gemacht hat.


Grafschaft dienen. An letzterer Clausel scheiterte die Bill, denn Lord Palmerston, schlau
den kriegerischen Eifer der Nation gegen das Ministerium benutzend, hob hervor, daß
eine wahrhaft taugliche Miliz, wie Engländer sie jedenfalls bilden würden, in jedem
Theile des Reichs müsse verwendet werden können. Indem der Exsecretair des Aus¬
wärtigen mit großer Kunst den Eindruck hervorzubringen wußte, daß Lord John Russell
mit seiner Maßregel gar nicht eine Verstärkung der Verthcidigungssähigkeit des Landes
beabsichtige, sondern nur nach Povulairität angeln wolle, stellte er sich als Derjenige
hin, der allein Vertrauen in das Volk und Entschiedenheit in der Politik genug habe,
eine Miliz nicht als ein bloßes Schcinwesen, ohne politischen und militairischen Werth,
sondern als wirklich kricgstüchtige Macht hinzustellen. — Die Folge war bekanntlich'
der Sturz des Ministeriums Russell. Das neue Ministerium fand die Milizfrage als
eine solche vor, in welcher sie sich die ihm so nothwendige Popularität erwerben
konnte, ohne seinen politischen Principien untreu zu werden, oder, was ihm fast noch
unangenehmer ist, sie aussprechen zu müssen. Die unausrottbare Abneigung der Eng¬
länder gegen jedes Cvnscriptionssystcm, in so milder Form es auch durchgeführt
werden möge, eine Abneigung, die sich gegen die Russell'sehe Bill in lauter Opposition
geltend gemacht hattet gab ihm einen Fingerzeig, in welcher Richtung es deu Vorschlag
des abgetretenen Ministeriums abzuändern hätte. Herr Walpole, Staatssecretair des
Innern, wollte seine Miliz dnrch Werbung zusammenbringen, und hatte sogar einen
Augenblick lang den merkwürdigen Einfall, allen Milizmannschaften das Wahlrecht in
ihrer Gemeinde zu verleihen. Dieser originelle Gedanke, daß nicht ein gewisses Ver¬
mögen oder eine gewisse Bildung, sondern der Entschluß, gegen 6 Pfund Sterling
Handgeld eine Muskete aus die Achsel zu nehmen, das höchste politische Recht ver¬
schaffen sollte, zog Herrn Walpole wegen seines ^übermäßigen Resormeiscrs bittern Spott
zu, und er mußte die Klausel unter dem Vorwand zurücknehmen, daß er seine Kollegen
nicht hinreichend zu Rathe gezogen habe. Spaßvogel behaupten, ein Mißverständnis!
sei die Ursache der Klausel. Lord Derby habe nach Tisch beim Weine den Vorschlag
gemacht, und der Staatssecretair habe den Scherz seines Chefs für bittern Ernst ge¬
nommen. In ihrer jetzigen Gestalt gelangte die Bill am Freitag zur zweiten Lesung,
und wie es nicht anders zu erwarten war bei einem Ministerium, dem man aus guten
Gründen so viel als möglich die Hände binden will, stieß sie ans starke Opposition. Lord
John Russell ist sogar nicht mehr ganz so sicher über die Gefahr einer Invasion, wie er es
noch ans der Ministerbank war, will aber jedenfalls die Walpole'sche geworbene Miliz nicht
für so verträglich mit der Verfassung finden, wie die von ihm vorgeschlagene, in deren Reihen
alle englischen Bürger Eintritt finden, ja, deutet sogar an, daß sie viel gefährlicher sei als
das stehende Heer, da der Bestand dieses letztem ganz von der Bewilligung des Par¬
laments abhänge. Im Ganzen stellt sich aber heraus, daß er jetzt in der Opposition
eine Miliz nicht mehr für eine so taugliche Dcfcnfivmaßrcgcl hält, als zur Zeit, wo
er noch Minister war, und daß er ihre Durchführung weniger dem jetzigen Ministerium
erlauben, als sich selbst aufsparen möchte. Dieselbe Taktik befolgten die anderen Oppo-
fitionsredncr, nnr daß ihnen ihre weniger hohe Stellung erlaubte, sich weniger diplo¬
matisch auszudrücken. Die Strafe aber folgte auf dem Fuße. Lord Palmerston
ergriff das Wort, rügte mit gewichtiger Beredtsamkeit das factiosc Benehmen der Oppo¬
sition, und hob abermals mit großer Kunst und mit gehöriger Beleuchtung seiner
persönlichen Stellung zu der Frage ihre nationale Bedeutung hervor, die sie eigentlich
dem Parteikampf ganz entziehen müsse. So stellte er sich als Schiedsrichter über die
Parteien, als Ausleger des Nativnalwillens hin, und spielte die neue Rolle des von
keinem persönlichen Gefühle befangenen, ganz parteilosen Staatsmannes mit derselben
Virtuosität, mit der er früher als Vorkämpfer der liberalen Partei auf der ganzen
civilisirten Welt aufgetreten war. Seine Rede machte großen Eindruck auf das Haus,
und es ist offenbar, daß der edle Viscount schon starke Fortschritte in der Bildung
einer besondern Partei unter seiner alleinigen Führerschaft gemacht hat.


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[0244] Grafschaft dienen. An letzterer Clausel scheiterte die Bill, denn Lord Palmerston, schlau den kriegerischen Eifer der Nation gegen das Ministerium benutzend, hob hervor, daß eine wahrhaft taugliche Miliz, wie Engländer sie jedenfalls bilden würden, in jedem Theile des Reichs müsse verwendet werden können. Indem der Exsecretair des Aus¬ wärtigen mit großer Kunst den Eindruck hervorzubringen wußte, daß Lord John Russell mit seiner Maßregel gar nicht eine Verstärkung der Verthcidigungssähigkeit des Landes beabsichtige, sondern nur nach Povulairität angeln wolle, stellte er sich als Derjenige hin, der allein Vertrauen in das Volk und Entschiedenheit in der Politik genug habe, eine Miliz nicht als ein bloßes Schcinwesen, ohne politischen und militairischen Werth, sondern als wirklich kricgstüchtige Macht hinzustellen. — Die Folge war bekanntlich' der Sturz des Ministeriums Russell. Das neue Ministerium fand die Milizfrage als eine solche vor, in welcher sie sich die ihm so nothwendige Popularität erwerben konnte, ohne seinen politischen Principien untreu zu werden, oder, was ihm fast noch unangenehmer ist, sie aussprechen zu müssen. Die unausrottbare Abneigung der Eng¬ länder gegen jedes Cvnscriptionssystcm, in so milder Form es auch durchgeführt werden möge, eine Abneigung, die sich gegen die Russell'sehe Bill in lauter Opposition geltend gemacht hattet gab ihm einen Fingerzeig, in welcher Richtung es deu Vorschlag des abgetretenen Ministeriums abzuändern hätte. Herr Walpole, Staatssecretair des Innern, wollte seine Miliz dnrch Werbung zusammenbringen, und hatte sogar einen Augenblick lang den merkwürdigen Einfall, allen Milizmannschaften das Wahlrecht in ihrer Gemeinde zu verleihen. Dieser originelle Gedanke, daß nicht ein gewisses Ver¬ mögen oder eine gewisse Bildung, sondern der Entschluß, gegen 6 Pfund Sterling Handgeld eine Muskete aus die Achsel zu nehmen, das höchste politische Recht ver¬ schaffen sollte, zog Herrn Walpole wegen seines ^übermäßigen Resormeiscrs bittern Spott zu, und er mußte die Klausel unter dem Vorwand zurücknehmen, daß er seine Kollegen nicht hinreichend zu Rathe gezogen habe. Spaßvogel behaupten, ein Mißverständnis! sei die Ursache der Klausel. Lord Derby habe nach Tisch beim Weine den Vorschlag gemacht, und der Staatssecretair habe den Scherz seines Chefs für bittern Ernst ge¬ nommen. In ihrer jetzigen Gestalt gelangte die Bill am Freitag zur zweiten Lesung, und wie es nicht anders zu erwarten war bei einem Ministerium, dem man aus guten Gründen so viel als möglich die Hände binden will, stieß sie ans starke Opposition. Lord John Russell ist sogar nicht mehr ganz so sicher über die Gefahr einer Invasion, wie er es noch ans der Ministerbank war, will aber jedenfalls die Walpole'sche geworbene Miliz nicht für so verträglich mit der Verfassung finden, wie die von ihm vorgeschlagene, in deren Reihen alle englischen Bürger Eintritt finden, ja, deutet sogar an, daß sie viel gefährlicher sei als das stehende Heer, da der Bestand dieses letztem ganz von der Bewilligung des Par¬ laments abhänge. Im Ganzen stellt sich aber heraus, daß er jetzt in der Opposition eine Miliz nicht mehr für eine so taugliche Dcfcnfivmaßrcgcl hält, als zur Zeit, wo er noch Minister war, und daß er ihre Durchführung weniger dem jetzigen Ministerium erlauben, als sich selbst aufsparen möchte. Dieselbe Taktik befolgten die anderen Oppo- fitionsredncr, nnr daß ihnen ihre weniger hohe Stellung erlaubte, sich weniger diplo¬ matisch auszudrücken. Die Strafe aber folgte auf dem Fuße. Lord Palmerston ergriff das Wort, rügte mit gewichtiger Beredtsamkeit das factiosc Benehmen der Oppo¬ sition, und hob abermals mit großer Kunst und mit gehöriger Beleuchtung seiner persönlichen Stellung zu der Frage ihre nationale Bedeutung hervor, die sie eigentlich dem Parteikampf ganz entziehen müsse. So stellte er sich als Schiedsrichter über die Parteien, als Ausleger des Nativnalwillens hin, und spielte die neue Rolle des von keinem persönlichen Gefühle befangenen, ganz parteilosen Staatsmannes mit derselben Virtuosität, mit der er früher als Vorkämpfer der liberalen Partei auf der ganzen civilisirten Welt aufgetreten war. Seine Rede machte großen Eindruck auf das Haus, und es ist offenbar, daß der edle Viscount schon starke Fortschritte in der Bildung einer besondern Partei unter seiner alleinigen Führerschaft gemacht hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/244>, abgerufen am 16.05.2024.