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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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nigstenS in der Form am verständlichsten ist. Seine Romane und Erzählungen
verrathen ein Talent, welches ihn zu der ersten Reihe erheben würde, wenn seine
Natur so gesund wäre, als sie lebhaft ist. Da ihr aber die Gesundheit sehlt,
so kann man seine Schriften immer nnr zwischen Balzac und G. Sand stellen;
sie sind poetischer als der Erste, scharfsinniger als die Zweite, aber sie haben die
Fehler von Beiden, die zersetzende, atomistische Reflexion des Ersten und den
weichen Idealismus der Letztern. Trotzdem haben sie sich in England Bahn ge¬
brochen, und auch in Deutschland fängt man an, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
Von den beiden Hanptrvmanen: "Der Scharlachbnchstabe" und "Das Haus der
sieben Giebel" sind in Bielefeld bei Velhagen und Klasing recht gute Übersetzungen
erschienen, und man wird anch wol zu den kleineren Erzählungen übergehen, in
denen sehr viel Interessantes und Schönes enthalten ist.

Hawthorne ist geboren -1808 zu Massachusetts; -I82S gradnirte er ans dem
Bowdoin College im Staate Maine, wo Longfellow sein Studiengenosse war.
Sein erstes Werk si'vies wiä es.lLs), welches 1837 erschien, hatte keinen Erfolg,
und war vielleicht die Ursache, daß er sich in socialistische Träumereien einließ.
Er trat in eine Fonrrieristische Gesellschaft ein, die LrooK-karn-communi^, die
sich in Rorburgh gebildet hatte, und machte diese Verirrungen, die in der neuen
Welt einen günstigern Boden finden, als in der alten, weil die erstere mehr den
Anschein einer' tadM, rasa darbietet, mit aller Gewissenhaftigkeit mit, die ein
gläubiges und ehrliches Gemüth charakterisier. Vollständig geheilt, zog er sich
1843 in einen alten verfallenen Landsitz bei Concord zurück, in welchem vorher
Emerson gewohnt hatte, eines von jenen alten, durch die Sage gefeierten Häu¬
sern, die eine wunderbare Physiognomie, eine eigene Geschichte und Legende
haben. Dort schrieb 'er eine Reihe Novellen, deren vorzüglichste er 1846 unter
dem Titel:, .MossEs trou viel manse" herausgab. Außerdem redigirte er in
der Zeit ein Journal. 18iK wurde er zu Boston als Zollinspector angestellt,
und glaubte in dieser Stellung alt zu werden, als die Whigs -I8-I9 ans Ruder
kamen und deu Säuberungsproceß in der Administration mit ihm begannen/
Die Sache machte damals in der amerikanischen Journalistik großes Aufsehen,
und Hawthorue wurde als ein Märtyrer der Freiheit angesehen; er selber aber
ließ sich durch seine veränderte Lage nicht irren, und die Muße, die er dadurch
gewann, verstattete ihm eine vergrößerte belletristische Thätigkeit. Ehe wir diese
im Allgemeinen charakterisiren, geben wir zunächst ein Bild von den einzelnen
Schriften.

Vielleicht der bezeichnendste nnter seineu Romanen ist "der Scharlachbuch¬
stabe" lM sein'tot lottizi'), der in der Zeit des alte" strengen puritanischen
Regiments spielt, wie der Dichter denn überhaupt für die strengen, finsteren Ge¬
stalten der Puritaner das größte Interesse an den Tag legt. Der Inhalt ist
folgender. Hefter Prynne, ein junges Weib ans Irland, das nach Boston ein-


nigstenS in der Form am verständlichsten ist. Seine Romane und Erzählungen
verrathen ein Talent, welches ihn zu der ersten Reihe erheben würde, wenn seine
Natur so gesund wäre, als sie lebhaft ist. Da ihr aber die Gesundheit sehlt,
so kann man seine Schriften immer nnr zwischen Balzac und G. Sand stellen;
sie sind poetischer als der Erste, scharfsinniger als die Zweite, aber sie haben die
Fehler von Beiden, die zersetzende, atomistische Reflexion des Ersten und den
weichen Idealismus der Letztern. Trotzdem haben sie sich in England Bahn ge¬
brochen, und auch in Deutschland fängt man an, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
Von den beiden Hanptrvmanen: „Der Scharlachbnchstabe" und „Das Haus der
sieben Giebel" sind in Bielefeld bei Velhagen und Klasing recht gute Übersetzungen
erschienen, und man wird anch wol zu den kleineren Erzählungen übergehen, in
denen sehr viel Interessantes und Schönes enthalten ist.

Hawthorne ist geboren -1808 zu Massachusetts; -I82S gradnirte er ans dem
Bowdoin College im Staate Maine, wo Longfellow sein Studiengenosse war.
Sein erstes Werk si'vies wiä es.lLs), welches 1837 erschien, hatte keinen Erfolg,
und war vielleicht die Ursache, daß er sich in socialistische Träumereien einließ.
Er trat in eine Fonrrieristische Gesellschaft ein, die LrooK-karn-communi^, die
sich in Rorburgh gebildet hatte, und machte diese Verirrungen, die in der neuen
Welt einen günstigern Boden finden, als in der alten, weil die erstere mehr den
Anschein einer' tadM, rasa darbietet, mit aller Gewissenhaftigkeit mit, die ein
gläubiges und ehrliches Gemüth charakterisier. Vollständig geheilt, zog er sich
1843 in einen alten verfallenen Landsitz bei Concord zurück, in welchem vorher
Emerson gewohnt hatte, eines von jenen alten, durch die Sage gefeierten Häu¬
sern, die eine wunderbare Physiognomie, eine eigene Geschichte und Legende
haben. Dort schrieb 'er eine Reihe Novellen, deren vorzüglichste er 1846 unter
dem Titel:, .MossEs trou viel manse" herausgab. Außerdem redigirte er in
der Zeit ein Journal. 18iK wurde er zu Boston als Zollinspector angestellt,
und glaubte in dieser Stellung alt zu werden, als die Whigs -I8-I9 ans Ruder
kamen und deu Säuberungsproceß in der Administration mit ihm begannen/
Die Sache machte damals in der amerikanischen Journalistik großes Aufsehen,
und Hawthorue wurde als ein Märtyrer der Freiheit angesehen; er selber aber
ließ sich durch seine veränderte Lage nicht irren, und die Muße, die er dadurch
gewann, verstattete ihm eine vergrößerte belletristische Thätigkeit. Ehe wir diese
im Allgemeinen charakterisiren, geben wir zunächst ein Bild von den einzelnen
Schriften.

Vielleicht der bezeichnendste nnter seineu Romanen ist „der Scharlachbuch¬
stabe" lM sein'tot lottizi'), der in der Zeit des alte» strengen puritanischen
Regiments spielt, wie der Dichter denn überhaupt für die strengen, finsteren Ge¬
stalten der Puritaner das größte Interesse an den Tag legt. Der Inhalt ist
folgender. Hefter Prynne, ein junges Weib ans Irland, das nach Boston ein-


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[0438] nigstenS in der Form am verständlichsten ist. Seine Romane und Erzählungen verrathen ein Talent, welches ihn zu der ersten Reihe erheben würde, wenn seine Natur so gesund wäre, als sie lebhaft ist. Da ihr aber die Gesundheit sehlt, so kann man seine Schriften immer nnr zwischen Balzac und G. Sand stellen; sie sind poetischer als der Erste, scharfsinniger als die Zweite, aber sie haben die Fehler von Beiden, die zersetzende, atomistische Reflexion des Ersten und den weichen Idealismus der Letztern. Trotzdem haben sie sich in England Bahn ge¬ brochen, und auch in Deutschland fängt man an, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Von den beiden Hanptrvmanen: „Der Scharlachbnchstabe" und „Das Haus der sieben Giebel" sind in Bielefeld bei Velhagen und Klasing recht gute Übersetzungen erschienen, und man wird anch wol zu den kleineren Erzählungen übergehen, in denen sehr viel Interessantes und Schönes enthalten ist. Hawthorne ist geboren -1808 zu Massachusetts; -I82S gradnirte er ans dem Bowdoin College im Staate Maine, wo Longfellow sein Studiengenosse war. Sein erstes Werk si'vies wiä es.lLs), welches 1837 erschien, hatte keinen Erfolg, und war vielleicht die Ursache, daß er sich in socialistische Träumereien einließ. Er trat in eine Fonrrieristische Gesellschaft ein, die LrooK-karn-communi^, die sich in Rorburgh gebildet hatte, und machte diese Verirrungen, die in der neuen Welt einen günstigern Boden finden, als in der alten, weil die erstere mehr den Anschein einer' tadM, rasa darbietet, mit aller Gewissenhaftigkeit mit, die ein gläubiges und ehrliches Gemüth charakterisier. Vollständig geheilt, zog er sich 1843 in einen alten verfallenen Landsitz bei Concord zurück, in welchem vorher Emerson gewohnt hatte, eines von jenen alten, durch die Sage gefeierten Häu¬ sern, die eine wunderbare Physiognomie, eine eigene Geschichte und Legende haben. Dort schrieb 'er eine Reihe Novellen, deren vorzüglichste er 1846 unter dem Titel:, .MossEs trou viel manse" herausgab. Außerdem redigirte er in der Zeit ein Journal. 18iK wurde er zu Boston als Zollinspector angestellt, und glaubte in dieser Stellung alt zu werden, als die Whigs -I8-I9 ans Ruder kamen und deu Säuberungsproceß in der Administration mit ihm begannen/ Die Sache machte damals in der amerikanischen Journalistik großes Aufsehen, und Hawthorue wurde als ein Märtyrer der Freiheit angesehen; er selber aber ließ sich durch seine veränderte Lage nicht irren, und die Muße, die er dadurch gewann, verstattete ihm eine vergrößerte belletristische Thätigkeit. Ehe wir diese im Allgemeinen charakterisiren, geben wir zunächst ein Bild von den einzelnen Schriften. Vielleicht der bezeichnendste nnter seineu Romanen ist „der Scharlachbuch¬ stabe" lM sein'tot lottizi'), der in der Zeit des alte» strengen puritanischen Regiments spielt, wie der Dichter denn überhaupt für die strengen, finsteren Ge¬ stalten der Puritaner das größte Interesse an den Tag legt. Der Inhalt ist folgender. Hefter Prynne, ein junges Weib ans Irland, das nach Boston ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/438>, abgerufen am 22.05.2024.