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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Der Kaiser selbst habe erklärt, daß seine Kriege, zu seiner Zeit nothwendig,
min unmöglich geworden seien, es wäre unsinnig, sie zu unternehmen, und über¬
dies hätte Frankreichs Unglück genug Schwierigkeiten erzeugt, als daß man einen
andern Ruhm zu suchen braucht, als deren glückliche Entfernung.

Mit diesem' Rathe des Kaisers und mit diesen friedlichen Aeußerungen des
Präsidenten steht folgende Stelle in sonderbarem Widersprüche, und wir können
nicht umhin, dieselbe dem Nachdenken des deutschen Lesers zu empfehlen. Die
Handelsschwierigkeiten zwischen Frankreich und Belgien geben ihr eine um so
größere Bedeutung.

Dort, wo der Verfasser die Nothwendigkeit und Leichtigkeit der Wieder¬
herstellung des Kaiserreichs aus einander setzt, ruft er aus: "Wie sollten hente die
Mächte Europa's, nach einer Revolution, die ihnen so viel von ihrem Nimbus
genommen, einem Prinzen gegenüber, der ihnen denselben wiedergegeben, sich in
unsre inneren Angelegenheiten mengen wollen? Blos der Geist der Faction
kann eine solche Hypothese glaubwürdig erscheinen lassen. Was könnten wir
übrigens wünschen, was wir nicht schon hätten? Vielleicht das linke Rheinufer
und Belgien, das heißt die natürliche Grenze Frankreichs mit den Pyrenäen, den
Alpen, dem Rhein und dem Meere, mit anderen Worten die Grundlage des
Vertrages von Campo Formio und des Friedens von Amiens? Ja, ohne Zweifel,
jedes französische Herz, jeder wahrhaft europäische Patriotismus muß wünschen,
für das Gleichgewicht und die Ruhe der Welt diese definitive Grundlage der
französischen Gewalt, deren Wiederherstellung im Jahre 1815 in ihrer Ein¬
fachheit besser gewesen wäre, als alle angeblich macchiavellistischen Combinationen
des Kongresses in Wien. Ach Gott! wer weiß, was die Vorsehung die¬
ser Welt noch für Ueberraschungen vorbehalten? Die Könige Europa's
werden vielleicht eines Tages selbst die Hand bieten zu dieser endlichen Combina¬
tion, welche mit den Erklärungen von Frankfurt und von Paris (1814) überein¬
stimmen und welche den Entzweiungen des Continents ein Ende setzen würden.
Aber es handelt sich jetzt nicht darum" (gie). Das ist klar und braucht keinen
Commentar.

Frankreich muß das Kaiserreich wieder herstellen, denn es bedarf des äußern
Zeichens seines wirklichen Ranges und seiner wirklichen Macht, und es handelt sich
blos noch um diese Aeußerlichkeit, da der Sache nach das Kaiserthum bereits
hergestellt sei. Die Nationalversammlung habe selbst die Monarchie wieder her¬
gestellt, als sie einen Präsidenten an die Spitze des Landes setzte, und dieses
hat durch die Wahl Louis Bonaparte's das Kaiserreich wieder hergestellt. Louis
Bonaparte ist der Erbe des Kaisers, und ihm gebührt der Thron, da der Sena-
tnsconsultus vom 18. Mai 1804 noch nicht von der Nation widerrufen worden.
Der Kaiser habe es selbst gesagt: "5s ins 8eriÜ8 releve nu pica clef ?^rsn6e8,
8l ssulement ^'sus86 6t<z mori pst.it, til8." Dieser Spruch wurde vom Ver-


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Der Kaiser selbst habe erklärt, daß seine Kriege, zu seiner Zeit nothwendig,
min unmöglich geworden seien, es wäre unsinnig, sie zu unternehmen, und über¬
dies hätte Frankreichs Unglück genug Schwierigkeiten erzeugt, als daß man einen
andern Ruhm zu suchen braucht, als deren glückliche Entfernung.

Mit diesem' Rathe des Kaisers und mit diesen friedlichen Aeußerungen des
Präsidenten steht folgende Stelle in sonderbarem Widersprüche, und wir können
nicht umhin, dieselbe dem Nachdenken des deutschen Lesers zu empfehlen. Die
Handelsschwierigkeiten zwischen Frankreich und Belgien geben ihr eine um so
größere Bedeutung.

Dort, wo der Verfasser die Nothwendigkeit und Leichtigkeit der Wieder¬
herstellung des Kaiserreichs aus einander setzt, ruft er aus: „Wie sollten hente die
Mächte Europa's, nach einer Revolution, die ihnen so viel von ihrem Nimbus
genommen, einem Prinzen gegenüber, der ihnen denselben wiedergegeben, sich in
unsre inneren Angelegenheiten mengen wollen? Blos der Geist der Faction
kann eine solche Hypothese glaubwürdig erscheinen lassen. Was könnten wir
übrigens wünschen, was wir nicht schon hätten? Vielleicht das linke Rheinufer
und Belgien, das heißt die natürliche Grenze Frankreichs mit den Pyrenäen, den
Alpen, dem Rhein und dem Meere, mit anderen Worten die Grundlage des
Vertrages von Campo Formio und des Friedens von Amiens? Ja, ohne Zweifel,
jedes französische Herz, jeder wahrhaft europäische Patriotismus muß wünschen,
für das Gleichgewicht und die Ruhe der Welt diese definitive Grundlage der
französischen Gewalt, deren Wiederherstellung im Jahre 1815 in ihrer Ein¬
fachheit besser gewesen wäre, als alle angeblich macchiavellistischen Combinationen
des Kongresses in Wien. Ach Gott! wer weiß, was die Vorsehung die¬
ser Welt noch für Ueberraschungen vorbehalten? Die Könige Europa's
werden vielleicht eines Tages selbst die Hand bieten zu dieser endlichen Combina¬
tion, welche mit den Erklärungen von Frankfurt und von Paris (1814) überein¬
stimmen und welche den Entzweiungen des Continents ein Ende setzen würden.
Aber es handelt sich jetzt nicht darum" (gie). Das ist klar und braucht keinen
Commentar.

Frankreich muß das Kaiserreich wieder herstellen, denn es bedarf des äußern
Zeichens seines wirklichen Ranges und seiner wirklichen Macht, und es handelt sich
blos noch um diese Aeußerlichkeit, da der Sache nach das Kaiserthum bereits
hergestellt sei. Die Nationalversammlung habe selbst die Monarchie wieder her¬
gestellt, als sie einen Präsidenten an die Spitze des Landes setzte, und dieses
hat durch die Wahl Louis Bonaparte's das Kaiserreich wieder hergestellt. Louis
Bonaparte ist der Erbe des Kaisers, und ihm gebührt der Thron, da der Sena-
tnsconsultus vom 18. Mai 1804 noch nicht von der Nation widerrufen worden.
Der Kaiser habe es selbst gesagt: „5s ins 8eriÜ8 releve nu pica clef ?^rsn6e8,
8l ssulement ^'sus86 6t<z mori pst.it, til8." Dieser Spruch wurde vom Ver-


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[0101] Der Kaiser selbst habe erklärt, daß seine Kriege, zu seiner Zeit nothwendig, min unmöglich geworden seien, es wäre unsinnig, sie zu unternehmen, und über¬ dies hätte Frankreichs Unglück genug Schwierigkeiten erzeugt, als daß man einen andern Ruhm zu suchen braucht, als deren glückliche Entfernung. Mit diesem' Rathe des Kaisers und mit diesen friedlichen Aeußerungen des Präsidenten steht folgende Stelle in sonderbarem Widersprüche, und wir können nicht umhin, dieselbe dem Nachdenken des deutschen Lesers zu empfehlen. Die Handelsschwierigkeiten zwischen Frankreich und Belgien geben ihr eine um so größere Bedeutung. Dort, wo der Verfasser die Nothwendigkeit und Leichtigkeit der Wieder¬ herstellung des Kaiserreichs aus einander setzt, ruft er aus: „Wie sollten hente die Mächte Europa's, nach einer Revolution, die ihnen so viel von ihrem Nimbus genommen, einem Prinzen gegenüber, der ihnen denselben wiedergegeben, sich in unsre inneren Angelegenheiten mengen wollen? Blos der Geist der Faction kann eine solche Hypothese glaubwürdig erscheinen lassen. Was könnten wir übrigens wünschen, was wir nicht schon hätten? Vielleicht das linke Rheinufer und Belgien, das heißt die natürliche Grenze Frankreichs mit den Pyrenäen, den Alpen, dem Rhein und dem Meere, mit anderen Worten die Grundlage des Vertrages von Campo Formio und des Friedens von Amiens? Ja, ohne Zweifel, jedes französische Herz, jeder wahrhaft europäische Patriotismus muß wünschen, für das Gleichgewicht und die Ruhe der Welt diese definitive Grundlage der französischen Gewalt, deren Wiederherstellung im Jahre 1815 in ihrer Ein¬ fachheit besser gewesen wäre, als alle angeblich macchiavellistischen Combinationen des Kongresses in Wien. Ach Gott! wer weiß, was die Vorsehung die¬ ser Welt noch für Ueberraschungen vorbehalten? Die Könige Europa's werden vielleicht eines Tages selbst die Hand bieten zu dieser endlichen Combina¬ tion, welche mit den Erklärungen von Frankfurt und von Paris (1814) überein¬ stimmen und welche den Entzweiungen des Continents ein Ende setzen würden. Aber es handelt sich jetzt nicht darum" (gie). Das ist klar und braucht keinen Commentar. Frankreich muß das Kaiserreich wieder herstellen, denn es bedarf des äußern Zeichens seines wirklichen Ranges und seiner wirklichen Macht, und es handelt sich blos noch um diese Aeußerlichkeit, da der Sache nach das Kaiserthum bereits hergestellt sei. Die Nationalversammlung habe selbst die Monarchie wieder her¬ gestellt, als sie einen Präsidenten an die Spitze des Landes setzte, und dieses hat durch die Wahl Louis Bonaparte's das Kaiserreich wieder hergestellt. Louis Bonaparte ist der Erbe des Kaisers, und ihm gebührt der Thron, da der Sena- tnsconsultus vom 18. Mai 1804 noch nicht von der Nation widerrufen worden. Der Kaiser habe es selbst gesagt: „5s ins 8eriÜ8 releve nu pica clef ?^rsn6e8, 8l ssulement ^'sus86 6t<z mori pst.it, til8." Dieser Spruch wurde vom Ver- 12*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/101>, abgerufen am 15.06.2024.