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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Bilder aus dem Hafen in Genua.

Wenn man der engen Gassen, denen die i --5 Etagen hohen Häuser Luft
und Sonne versperren, müde geworden ist, und nicht mehr die Paläste mit ihren
weiten Marmorhallen, voll der werthvollsten Gemälde, durchwandern mag, dann
flüchtet man sich gern zu dem blauen Spiegel des Meeres. Schon am frühen
Morgen, wenn die Sonne ihre ersten, noch linden Strahlen über die klaren Flu¬
chen hingleiten ließ, trieb ich in leichtem Nachen aus denselben umher. Ein be¬
stimmtes Fischerpaar, Vater und Sohn, führte mich. Mit heiterem Gruße
empfingen sie mich zur bestimmten Stunde an dem Thore, das aus der Bazar-
Mauer in den Porto franco einführt, und geleiteten mich zu der, mit der
italienischen Tricolore bunt ausgeputzten, dabei sehr reinlich gehaltenen kleinen
Barke. Wenn ich auch ein "WÄesco" sei, so sei ich doch kein "austrlaeo",
sagte mir oft Antonio, der Vater, ein wahres Modell eines noch in voller
Kraft stehenden silberhaarigen Mannes. Lieber aber, als daß er einen "austriaco"
fahre, solle seine Barke in den tiefsten Grund des Meeres versenkt werden.
Solche Aeußerungen wird man in ganz Sardinien von allen Ständen hören.
Die Gebildeten sind wol zurückhaltender, die unteren Volksklassen äußern aber
ihre Empfindungen mit der ganzen Lebendigkeit eines Jtalieners. Von allen
Fremden fühlt sich der Geruche persönlich zu dem Franzosen am meisten hinge¬
zogen, mit dem er in Sitte, Denk- und Handelsweise unbestritten die größte
Aehnlichkeit hat, den unbedingtesten Respect aber hegt er vor dem Engländer. --
Am Molo nuovo lag gewöhnlich die mich erwartende Barke, und mit raschen,
gewandten Ruderschlägen glitten wir bald zwischen den großen Kauffahrern aller
Nationen durch. Die erste Thätigkeit des jungen Tages zeigte sich am Bord
derselben, wenn wir unsre Fahrt begannen. Munter und lebendig ging es am
Bord der kleinen griechischen Fahrzeuge zu. Die rothe, oft schon sehr schmierige
Mütze hing keck ans den schwarzen, gerade nicht sehr sorgsam gekämmten Locken,
sowol beim ältesten Steuermann, wie beim kleinsten Schiffsjungen der Griechen.


Grenzboten. IV. 1
Bilder aus dem Hafen in Genua.

Wenn man der engen Gassen, denen die i —5 Etagen hohen Häuser Luft
und Sonne versperren, müde geworden ist, und nicht mehr die Paläste mit ihren
weiten Marmorhallen, voll der werthvollsten Gemälde, durchwandern mag, dann
flüchtet man sich gern zu dem blauen Spiegel des Meeres. Schon am frühen
Morgen, wenn die Sonne ihre ersten, noch linden Strahlen über die klaren Flu¬
chen hingleiten ließ, trieb ich in leichtem Nachen aus denselben umher. Ein be¬
stimmtes Fischerpaar, Vater und Sohn, führte mich. Mit heiterem Gruße
empfingen sie mich zur bestimmten Stunde an dem Thore, das aus der Bazar-
Mauer in den Porto franco einführt, und geleiteten mich zu der, mit der
italienischen Tricolore bunt ausgeputzten, dabei sehr reinlich gehaltenen kleinen
Barke. Wenn ich auch ein „WÄesco" sei, so sei ich doch kein „austrlaeo",
sagte mir oft Antonio, der Vater, ein wahres Modell eines noch in voller
Kraft stehenden silberhaarigen Mannes. Lieber aber, als daß er einen „austriaco"
fahre, solle seine Barke in den tiefsten Grund des Meeres versenkt werden.
Solche Aeußerungen wird man in ganz Sardinien von allen Ständen hören.
Die Gebildeten sind wol zurückhaltender, die unteren Volksklassen äußern aber
ihre Empfindungen mit der ganzen Lebendigkeit eines Jtalieners. Von allen
Fremden fühlt sich der Geruche persönlich zu dem Franzosen am meisten hinge¬
zogen, mit dem er in Sitte, Denk- und Handelsweise unbestritten die größte
Aehnlichkeit hat, den unbedingtesten Respect aber hegt er vor dem Engländer. —
Am Molo nuovo lag gewöhnlich die mich erwartende Barke, und mit raschen,
gewandten Ruderschlägen glitten wir bald zwischen den großen Kauffahrern aller
Nationen durch. Die erste Thätigkeit des jungen Tages zeigte sich am Bord
derselben, wenn wir unsre Fahrt begannen. Munter und lebendig ging es am
Bord der kleinen griechischen Fahrzeuge zu. Die rothe, oft schon sehr schmierige
Mütze hing keck ans den schwarzen, gerade nicht sehr sorgsam gekämmten Locken,
sowol beim ältesten Steuermann, wie beim kleinsten Schiffsjungen der Griechen.


Grenzboten. IV. 1
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[0011] Bilder aus dem Hafen in Genua. Wenn man der engen Gassen, denen die i —5 Etagen hohen Häuser Luft und Sonne versperren, müde geworden ist, und nicht mehr die Paläste mit ihren weiten Marmorhallen, voll der werthvollsten Gemälde, durchwandern mag, dann flüchtet man sich gern zu dem blauen Spiegel des Meeres. Schon am frühen Morgen, wenn die Sonne ihre ersten, noch linden Strahlen über die klaren Flu¬ chen hingleiten ließ, trieb ich in leichtem Nachen aus denselben umher. Ein be¬ stimmtes Fischerpaar, Vater und Sohn, führte mich. Mit heiterem Gruße empfingen sie mich zur bestimmten Stunde an dem Thore, das aus der Bazar- Mauer in den Porto franco einführt, und geleiteten mich zu der, mit der italienischen Tricolore bunt ausgeputzten, dabei sehr reinlich gehaltenen kleinen Barke. Wenn ich auch ein „WÄesco" sei, so sei ich doch kein „austrlaeo", sagte mir oft Antonio, der Vater, ein wahres Modell eines noch in voller Kraft stehenden silberhaarigen Mannes. Lieber aber, als daß er einen „austriaco" fahre, solle seine Barke in den tiefsten Grund des Meeres versenkt werden. Solche Aeußerungen wird man in ganz Sardinien von allen Ständen hören. Die Gebildeten sind wol zurückhaltender, die unteren Volksklassen äußern aber ihre Empfindungen mit der ganzen Lebendigkeit eines Jtalieners. Von allen Fremden fühlt sich der Geruche persönlich zu dem Franzosen am meisten hinge¬ zogen, mit dem er in Sitte, Denk- und Handelsweise unbestritten die größte Aehnlichkeit hat, den unbedingtesten Respect aber hegt er vor dem Engländer. — Am Molo nuovo lag gewöhnlich die mich erwartende Barke, und mit raschen, gewandten Ruderschlägen glitten wir bald zwischen den großen Kauffahrern aller Nationen durch. Die erste Thätigkeit des jungen Tages zeigte sich am Bord derselben, wenn wir unsre Fahrt begannen. Munter und lebendig ging es am Bord der kleinen griechischen Fahrzeuge zu. Die rothe, oft schon sehr schmierige Mütze hing keck ans den schwarzen, gerade nicht sehr sorgsam gekämmten Locken, sowol beim ältesten Steuermann, wie beim kleinsten Schiffsjungen der Griechen. Grenzboten. IV. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/11>, abgerufen am 22.05.2024.